Vgl. nochmals Weßlau ZStW 116 (2004), 150 ff., 160: Angesichts der Tatsachen, dass zwei von drei Verurteilungen heute durch Strafbefehle erfolgten und die Amtsgerichte 99 % aller Strafbefehlsanträge Folge leisteten, weil sich „die Legitimation dieser Verfahrensweisen aus der Einspruchsmöglichkeit des Betroffenen“ ableite, könne heute davon gesprochen werden, dass „die Dispositionsmaxime als Bestandteil des Verfahrens mit vereinfachter Beweisführung längst Einzug in die Prozesswirklichkeit gehalten“ habe.
Dazu, dass sich beides keineswegs ausschließt, sondern vielfach und sinnvoll ergänzt und miteinander zu kombinieren ist, näher unten Teil 6 (Rn. 806 ff.).
Im Folgenden: VerstG.
Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Teil A, Rn. 3 legt den Beginn der Entwicklung auf den Zeitraum „Ende der 1970er“ und den Ort auf Stuttgart fest.
Behauptete Befangenheit wegen in der Ankündigung bestimmter Ergebnisse der Hauptverhandlung angeblich liegender Voreingenommenheit, behauptete Verletzungen von Beschuldigtenrechten durch die Aussicht, ohne Geständnis bei voller Durchführung der Hauptverhandlung schärfer bestraft zu werden u.a.m.
BGH 4. Strafsenat, Urt. v. 28.8.1997 = BGHSt 43, 195.
Zu den Einzelheiten noch unten Teil 3 (Rn. 217 ff.).
BGH Großer Senat für Strafsachen, Beschl. v. 3.3.2005 = BGHSt 50, 40.
Der Fußnotenapparat sei dem Leser an dieser Stelle erspart, vgl. zu Details Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Teil A, Rn. 19.
So z. B. Schünemann ZRP 2009, 104
Weshalb es verwundert, wenn eine Reihe von Autoren dem BGH nun vorwerfen, es fehle an einer gesetzlichen Regelung der Fernwirkung des Verwertungsverbots. Dies ist zu verschmerzen, weil die Frage schon seit langem auch an anderen Stellen der StPO auftaucht und für ihre Beantwortung in Rechtsprechung und Schrifttum eine Reihe von Grundsätzen entwickelt worden sind. Hierauf wird in Teil 3 nochmals zurückgekommen.
Teil 1 Grundlagen: Für den Konsens, gegen den „Deal“ › C. Einordnung der Entwicklung
C. Einordnung der Entwicklung
Teil 1 Grundlagen: Für den Konsens, gegen den „Deal“ › C › I. Positionsbestimmung
1. Rechtspolitik, Rechtsdogmatik, Rechtsanwendung
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Wie eingangs erwähnt, kann man sich aus unserer Sicht auch nach Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen mit dem VerstG nicht auf den Standpunkt zurückziehen, die Diskussion über grundsätzliche Fragen der Urteilsabsprache sei für die Praxis erledigt und nun müssten eben schlicht die neuen Regeln angewandt werden.
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Dies gilt zum einen, weil nach wie vor gewichtige Stimmen aus der strafprozessualen Literatur (insbesondere aus der Strafprozesswissenschaft) trotz Aufnahme der Urteilsabsprache in das Gesetz behaupten, diese sei mit der StPO im Übrigen nicht vereinbar[1]. Es ist nicht überraschend, dass diese Kritik auch nach dem Urteil des BVerfG[2] – zumindest in rechtspolitischer Hinsicht – aufrecht erhalten wird.[3] Nimmt man die Kritiker ernst – und das sollte man selbstverständlich tun – so kann man eigentlich an einer Urteilsabsprache als praktisch tätiger Strafjurist nur dann mitwirken, wenn man sich zuvor Rechenschaft darüber abgelegt hat, ob es überhaupt für die gesetzlichen Vorschriften einen legitimen Anwendungsbereich gibt oder ob man sich bei jeder Urteilsabsprache, wie dies teilweise behauptet wird, zwangsläufig in unauflösbare Konflikte mit zentralen Prinzipien des deutschen Strafprozesses begibt.
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Zum anderen beeinflusst die grundsätzliche Position, die aus rechtsdogmatischer Sicht als richtig angesehen wird, natürlich ihrerseits die Auslegung der im Jahr 2009 eingeführten Vorschriften. Es liegt auf der Hand, dass derjenige, der die von vielen Autoren seit jeher beklagten Brüche zwischen Urteilsabsprache auf der einen und sonstigem Regelungsregime der StPO auf der anderen Seiten nicht oder jedenfalls nicht in dieser Schärfe sieht, wie dies teilweise vorgebracht wird, sich mit einer aus seiner Sicht dogmatisch vertretbaren Anwendung der Vorschriften leichter tun wird als derjenige, der im Grunde meint, dass allenfalls mit großer Mühe und im ein oder anderen seltenen Einzelfall die Urteilsabsprache einmal in rechtsdogmatisch vertretbarer Weise durchgeführt werden kann. Wenn es in der Vorauflage hieß, dass die Kritik aus dem Schrifttum auch dem Praktiker nicht gleichgültig sein kann,[4] so gilt dies also in gewisser Weise trotz der Reform der StPO auch heute noch. Unsere Stellungnahme fällt, um dies schon an dieser Stelle vorweg zu nehmen, so aus, dass wir die Kritik sowohl an der Dogmatik der Urteilsabsprache, wie sie bis zum Jahre 2009 von der Rechtsprechung vertreten wurde, als auch und insbesondere an der gesetzlichen Regelung für weit überzogen halten. Wir sind der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung im Wesentlichen gelungen ist, dies im Übrigen gerade, weil der Gesetzgeber nicht versucht hat, ein völlig neues Verfahren in die StPO einzuführen. Das Gesetz enthält nunmehr klare Regelungen zu denjenigen Problemen, die in der Theorie wie auch in der Praxis tatsächlich durch das Angebot „Geständnis gegen Strafmilderung“ entstehen, und weil uns die hier gefundenen Lösungen in weiten Teilen überzeugen. Den Bedenken, die in der Literatur geäußert werden, lässt sich aus unserer Sicht hinreichend Rechnung tragen, indem die neuen Vorschriften, soweit dies möglich ist, systemkonform interpretiert werden. Dadurch ergibt sich ein praktisch nicht nur sinnvoller, sondern auch rechtsdogmatisch sehr gut begründbarer Anwendungsbereich für die Urteilsabsprache. Diesen Befund wollen wir im Folgenden in der angesichts des Zuschnitts des vorliegenden Werks als Leitfaden für die Praxis gebotenen Kürze begründen.
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Zum Hintergrund sei vorab daran erinnert, dass die Urteilsabsprache sich in der Praxis entwickelt hatte, und dass der BGH spätestens seit der grundlegenden Entscheidung des 4. Strafsenats aus dem Jahr 1997[5] die Vereinbarkeit der Urteilsabsprache mit der StPO sowie den hergebrachten und teils Verfassungsrang genießenden grundlegenden Verfahrensprinzipien des deutschen Strafprozessrechts jedenfalls im Grundsatz bejaht hatte. Es hatte sich zugleich eine etwas befremdliche Diskrepanz zwischen der nach und nach immer umfangreicher werdenden Judikatur zu Einzelproblemen