155
Werden Rechtsträger unterschiedlicher Rechtsformen miteinander verschmolzen (Mischverschmelzung), erfolgt die Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nicht börsennotierte AG oder sind bei einer Verschmelzung von Rechtsträgern derselben Rechtsform die Anteile oder Mitgliedschaften an dem übernehmenden Rechtsträger Verfügungsbeschränkungen unterworfen, hat der Verschmelzungsvertrag ein konkretes und angemessenes Barabfindungsangebot zu enthalten, verbunden mit dem Angebot auf Erwerb der Anteile oder Mitgliedschaften des ausscheidenswilligen Anteilsinhabers, § 29 Abs 1. Das Angebot hat der übernehmende Rechtsträger zu unterbreiten. Verfügungsbeschränkungen iSd Vorschrift sind insbes Vinkulierungsregelungen oder Zustimmungserfordernisse bei Anteilsabtretungen. Kann der übernehmende Rechtsträger eigene Anteile rechtsformbedingt nicht erwerben, ist die Barabfindung gegen ein befristetes Austrittsrecht anzubieten, § 29 Abs 1 S 3. Auf die Annahmefrist des § 31 ist im Verschmelzungsvertrag hinzuweisen (Drygala in Lutter, § 5 Rn 119; zur Abfindung in Aktien Timm/Schöne FS Kropff, S 315).
156
Sind außenstehende Anteilsinhaber nicht vorhanden, kann also ein Abfindungsangebot per se nicht zum Tragen kommen, was bei Verschmelzung einer 100 %igen Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft der Fall ist, ist ein Angebot entbehrlich (Drygala in Lutter, § 5 Rn 120; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 102). Gleiches gilt, wenn von vornherein feststeht, dass mit einem Widerspruch gegen den Verschmelzungsbeschluss und damit mit der Annahme eines etwaigen Abfindungsangebots nicht zu rechnen ist (Drygala in Lutter, § 5 Rn 120; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 102). Dies ist dann der Fall, wenn die Anteilsinhaber vorweg oder im Verschmelzungsbeschluss auf ihr Widerspruchsrecht und auf eine Abfindung individuell verzichtet haben. Der Verzicht muss in notariell beurkundeter Form erklärt werden (entspr Anwendung der §§ 8 Abs 3, 9 Abs 3). Neben den Verzichtserklärungen selbst empfiehlt sich zur Klarstellung ein ausdrücklicher Hinweis auf die Verzichte in den notariellen Urkunden, die die Verschmelzungsbeschlüsse bei den übertragenden und dem übernehmendem Rechtsträger enthalten. In der Zustimmung zu der Verschmelzung allein ist noch kein Verzicht auf die Abfindung zu sehen, da die Zustimmung möglicherweise in Unkenntnis über das Recht auf Abfindung erteilt wurde (ebenso Drygala in Lutter, § 5 Rn 120). Eine ausdrückliche Verzichtserklärung ist deshalb in jedem Fall erforderlich. Von ihr kann nur bei Verschmelzung einer 100 %igen Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft abgesehen werden.
2. Rechtsformspezifische Sonderbestimmungen
157
Die Bestimmungen zur Verschmelzung bei den einzelnen Rechtsformen enthalten ergänzend zwingend in den Verschmelzungsvertrag aufzunehmende Regelungen.
158
Nach § 35 sind bei Verschmelzung einer AG oder KGaA auf eine GmbH, eine PersHandelsGes oder eine PartGes unbekannte Aktionäre im Verschmelzungsvertrag durch Angabe des insgesamt auf sie entfallenden Teils des Grundkapitals des übertragenden Rechtsträgers und der auf sie nach der Verschmelzung entfallenden Anteile des übernehmenden Rechtsträgers zu bezeichnen (eine derartige Bezeichnung ist nur zulässig für Anteilsinhaber, deren Anteile zusammen 5 % des Grundkapitals des übertragenden Rechtsträgers nicht überschreiten). Die Angabe ist erforderlich, weil die Aktionäre der übertragenden AG/KGaA bei der GmbH in einer Gesellschafterliste und bei der PersHandelsGes und der PartGes im entspr Register namentlich benannt werden müssen.
159
Eine zwingende Sonderregelung für eine übernehmende GmbH enthält § 46. Danach ist im Verschmelzungsvertrag für jeden Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers der Nennbetrag des Geschäftsanteils zu bestimmen, den ihm die übernehmende GmbH gewährt. Zudem ist anzugeben, ob schon vorhandene Geschäftsanteile oder im Wege der Kapitalerhöhung neu zu schaffende Geschäftsanteile an die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger ausgegeben werden. Werden die zu gewährenden Geschäftsanteile im Wege der Kapitalerhöhung geschaffen, sind Abweichungen bei der Ausstattung dieser Anteile im Vergleich zu sonstigen Geschäftsanteilen im Verschmelzungsvertrag festzusetzen. Werden bereits vorhandene Geschäftsanteile als Gegenleistung für die Verschmelzung ausgegeben, müssen nach § 46 Abs 3 die Anteilsinhaber und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die die einzelnen Anteilsinhaber erhalten sollen, im Verschmelzungsvertrag ausdrücklich bestimmt werden.
160
Bei einer übernehmenden PersHandelsGes ist für jeden Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers im Verschmelzungsvertrag seine Rechtsstellung (persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist) sowie der Betrag seiner Einlage festzusetzen (§ 40 Abs 1). Hierbei erhalten die Anteilsinhaber, die bei einem übertragenden Rechtsträger bislang nicht persönlich gehaftet haben, grds die Kommanditistenstellung (§ 40 Abs 2).
161
Bei einer übernehmenden PartGes hat nach § 45b Abs 1 der Verschmelzungsvertrag für jeden Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers zusätzlich den Namen und den Vornamen sowie den in der übernehmenden PartGes ausgeübten Beruf und Wohnort jedes Partners zu enthalten.
162
Für eG, VVaG sowie kleine Vereine nach § 210 VAG sehen die §§ 80, 110 und 118 S 1 zwingende Inhalte für den Verschmelzungsvertrag vor.
3. Verschmelzung zur Neugründung
163
Bei der Verschmelzung zur Neugründung ist nach § 37 der Gesellschaftsvertrag (Satzung, Statut des neuen Rechtsträgers) – auch als Anlage – in den Verschmelzungsvertrag aufzunehmen. Die Gründungsvorschriften für die Rechtsform des neuen Rechtsträgers sind zu beachten. Die Vertretungs- bzw. Aufsichtsorgane des neuen Rechtsträgers sind im Verschmelzungsvertrag zu bestellen. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen zu § 37 verwiesen.
V. Fakultative Bestimmungen
164
Zu den gesetzlich zwingenden vertraglichen Regelungen können zusätzliche Bestimmungen in den Verschmelzungsvertrag aufgenommen werden. Solche zusätzlichen Regelungen können sowohl Bestimmungen, die für die beteiligten Rechtsträger bindend sein sollen, als auch bloße Absichtserklärungen sein. In Verschmelzungsverträgen sind – neben einer Präambel, die die mit der Verschmelzung verfolgten Absichten und Ziele enthalten kann – insbes folgende fakultative Bestimmungen anzutreffen:
1. Bedingungen, Befristungen
165
Die Parteien des Verschmelzungsvertrags sind (iRd rechtlich Zulässigen) frei, Bedingungen zu vereinbaren (vgl hierzu § 4 Rn 22 ff). Möglich