dd) Haftung
140
Mit Wirksamwerden der Verschmelzung erlischt der übertragende Rechtsträger. Eine Haftung nach § 613a Abs 2 BGB kommt deshalb nicht in Betracht (§ 613a Abs 3 BGB). Es ist nicht erforderlich, dies im Verschmelzungsvertrag ausdrücklich anzugeben (Mayer in Widmann/Mayer § 5 Rn 191). Der übernehmende Rechtsträger haftet nach § 20 Abs 1 Nr 1 für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers; nach str Ansicht ist darauf hinzuweisen (Simon in Semler/Stengel, § 5 Rn 86; aA Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 164).
ee) Folgen für die Arbeitnehmervertretungen
141
Mit Umwandlungen können vielfältige Folgen für die Arbeitnehmervertretungen einhergehen (einen umfassenden Überblick gibt Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, S 425 ff). Zunächst sind Änderungen der Struktur der Arbeitnehmervertretungen (zum Begriff Arbeitnehmervertretung so Rn 130) darzustellen, die sich als unmittelbare Folge der Verschmelzung ergeben. Bsp: Eine Unternehmensgruppe besteht aus einer Holding und drei operativen Tochtergesellschaften, die jeweils über einen Betrieb mit Betriebsrat verfügen. Bei der Holding ist ein Konzernbetriebsrat gebildet worden. Alle Tochtergesellschaften werden auf die Holding verschmolzen. Als unmittelbare Folge der Verschmelzung entfällt der Konzernbetriebsrat; nach § 47 Abs 1 BetrVG ist ein Gesamtbetriebsrat zu bilden. Weiter ist zB anzugeben, wenn im Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers durch die übernommenen Arbeitnehmer der Schwellenwert für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses (§ 106 BetrVG) überschritten wird. Darüber hinaus können sich Folgen für die Arbeitnehmervertretungen aus konkret geplanten Veränderungen der Betriebsstruktur ergeben. Bsp: Der Betrieb des übertragenden Rechtsträgers wird mit dem Betrieb des übernehmenden Rechtsträgers an einem neuen Standort zu einem Betrieb zusammengeführt. Folge: Es ist ein neuer Betriebsrat zu bilden. Das Übergangsmandat steht dem Betriebsrat zu, der zuvor für den nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betrieb zuständig war (§ 21a Abs 2 BetrVG). Werden Veränderungen der Betriebsstruktur nicht geplant, ist dies in einer Negativerklärung anzugeben. Sind bei den beteiligten Rechtsträgern keine Arbeitnehmervertretungen gebildet worden, ist dies ebenfalls in einer Negativerklärung ausdrücklich darzustellen. Sofern der übernehmende Rechtsträger Tendenzschutz nach § 118 BetrVG genießt, ist das anzugeben (Simon in Semler/Stengel, § 5 Rn 88). Sind Änderungen der Betriebsstruktur nicht geplant, sodass die Arbeitnehmervertretungen unverändert im Amt bleiben, empfiehlt sich eine kurze Negativerklärung (Willemsen in Kallmeyer, § 5 Rn 60a; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 195).
ff) Arbeitnehmervertretung auf europäischer Ebene
142
Im Verschmelzungsvertrag sind Angaben zu Existenz und Fortführung einer Arbeitnehmervertretung auf europäischer Ebene (insbes Europäischer Betriebsrat) zu machen. Falls sich durch die Verschmelzung die Zahl der Arbeitnehmer so verändert, dass der Schwellenwert von 1 000 Arbeitnehmern für die Anwendbarkeit des EBRG (§ 3 EBRG) erstmals erreicht oder unterschritten wird, ist das anzugeben (Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 193; Simon in Semler/Stengel, § 5 Rn 87).
gg) Geltung von Konzern-/Gesamt-/Betriebsvereinbarungen
143
Es ist darzustellen, ob Konzern-/Gesamt-/Betriebsvereinbarungen kollektivrechtlich oder nach § 613a Abs 1 S 2–4 BGB als Inhalt der Arbeitsverträge fortgelten. § 613a Abs 1 S 2–4 BGB kommt als Auffangregelung nur dann zum Zuge, wenn die Voraussetzungen für eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen fehlen. Werden Betriebe der beteiligten Rechtsträger nach der Verschmelzung als eigenständige Betriebe fortgeführt, gelten die Betriebsvereinbarungen kollektivrechtlich weiter. Ist anstelle eines Konzernbetriebsrats ein Gesamtbetriebsrat zu bilden, weil alle Tochtergesellschaften einer Unternehmensgruppe auf die Holding verschmolzen werden, gelten die Konzernbetriebsvereinbarungen als Gesamtbetriebsvereinbarungen weiter. Sofern beim übernehmenden Rechtsträger Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen gelten, ist durch Auslegung zu klären, ob sich diese auf hinzukommende Betriebe erstrecken (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 188). Die Auffangregelung des § 613a Abs 1 S 2–4 BGB ist zB anwendbar, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil des übertragenden Rechtsträgers in einen (größeren) Betrieb des übernehmenden Rechtsträgers eingegliedert wird. Werden in einem solchen Fall Betriebsvereinbarungen, die beim übertragenden Rechtsträger gegolten haben, beim übernehmenden Rechtsträger erneut abgeschlossen, ist das anzugeben (Blechmann NZA 2005, 1143, 1147).
hh) Geltung von Konzern-/Gesamt-/Sprecherausschussvereinbarungen
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Die Ausführungen zu Betriebsvereinbarungen gelten entspr.
ii) Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden und Geltung von Tarifverträgen
145
Zu den Pflichtangaben gehören Aussagen über Tarifbindungen des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers (kraft Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband, Abschluss eines Firmentarifvertrags oder Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags). Für die Arbeitnehmer des übertragenden Rechtsträgers ist häufig bes bedeutsam, ob sich eine Tarifgebundenheit beim übernehmenden Rechtsträger fortsetzt. Da eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht übertragbar ist (§ 38 S 1 BGB), setzt sich eine Bindung an Verbandstarifverträge nur dann fort, wenn der übernehmende Rechtsträger demselben Arbeitgeberverband bereits angehört oder beitreten wird. Die Bindung an einen Firmentarifvertrag gehört demgegenüber zu den Verbindlichkeiten iSd § 20 Abs 1 Nr 1, in die der übernehmende Rechtsträger automatisch eintritt (BAG 15.6.2016 – 4 AZR 805/14; BAG NZA 1998, 1346; LAG Baden-Württemberg 23.2.2005 – 4 TaBV 2/04). Nach Ansicht des BAG kann sich die Geltung eines vom übertragenden Rechtsträger abgeschlossenen Firmentarifvertrags mit einem unternehmensbezogenen Geltungsbereich infolge der Verschmelzung auch auf Betriebe des bislang tariflosen übernehmenden Rechtsträgers erstrecken (BAG 15.6.2016 – 4 AZR 805/14). Sofern beim übernehmenden Rechtsträger ein Firmentarifvertrag gilt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob dessen Normen auch Betriebe des übertragenden Rechtsträgers, die infolge der Verschmelzung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, erfassen (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 186) Fehlen die Voraussetzungen für eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Tarifverträge, kommt die Auffangregelung des § 613a Abs 1 S 2–4 BGB zum Zuge. Ist der übernehmende Rechtsträger an andere Tarifverträge gebunden als der übertragende Rechtsträger, kommt es nach § 613a Abs 1 S 3 BGB zu einer Ablösung der beim übertragenden Rechtsträger einschlägigen Tarifverträge, soweit auch die Arbeitnehmer an die neuen Tarifverträge gebunden sind (BAG ZIP 2001, 1555). Eine Ablösung tarifvertraglich begründeter Ansprüche durch eine beim übernehmenden Rechtsträger geltende Betriebsvereinbarung ist nicht möglich (BAG 13.11.2007 – 3 AZR 191/06). Fehlt jedwede Tarifbindung, ist dies in einer Negativerklärung anzugeben. Enthalten die Individualarbeitsverträge Bezugnahmeklauseln, gelten diese nach § 613a Abs 1 S 1 BGB weiter und können – je nach Auslegung im Einzelfall – als Gleichstellungsabreden einen statischen Besitzstand oder dynamische Ansprüche der Arbeitnehmer begründen (vgl BAG NZA 2006, 607; BAG NZA 2007, 965; BAG 29.8.2007 – 4 AZR 765/06 und 4 AZR 767/06).
jj) Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene
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Ist bei einem übertragenden Rechtsträger ein mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet worden, ist im Verschmelzungsvertrag anzugeben,