39
Denkbar ist es, den Anteilseignern inhaltlich unterschiedliche Vertragsentwürfe alternativ zur Beschlussfassung vorzuschlagen. Möglich ist weiter, dass lediglich für einzelne Vertragsbestandteile Alternativen zur Abstimmung gestellt werden. Voraussetzung ist, dass sämtliche zur Abstimmung gestellten Alternativen mit den übrigen beteiligten Rechtsträgern abgestimmt sind und die Informations- und Einberufungsvoraussetzungen für sämtliche Alternativen eingehalten sind (ebenso Mayer in Widmann/Mayer § 4 Rn 12).
40
Stimmen die Anteilseigner dem vorgelegten Vertragsentwurf zu, ist der Vertrag wie beschlossen und ohne inhaltliche Änderungen notariell zu beurkunden.
41
Soll ein Vorvertrag auf Abschluss eines Verschmelzungsvertrags geschlossen werden – die beteiligten Rechtsträger verpflichten sich hiernach zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrags – gilt § 4 Abs 1 entspr (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 8). Der Vorvertrag, der die wesentlichen Elemente des abzuschließenden Verschmelzungsvertrags enthalten muss, ist überdies notariell zu beurkunden (§ 6; Drygala in Lutter, § 6 Rn 2); Gleiches gilt für Vorverträge, die ein selbstständiges Strafversprechen für den Fall enthalten, dass die Verschmelzungsbeschlüsse nicht gefasst oder der Verschmelzungsvertrag nicht geschlossen wird (LG Paderborn NZG 2000, 899 ff; aA Gehling in Semler/Stengel, § 13 Rn 51).
IV. Vertragsänderungen, Aufhebung des Vertrags
42
Für Aufhebung und Änderungen des Verschmelzungsvertrags kommt es darauf an, in welchem Stadium des Verschmelzungsvorgangs sich die Verschmelzung befindet.
43
Haben die Anteilseigner dem Verschmelzungsvertrag noch nicht zugestimmt, kann der Verschmelzungsvertrag durch die Vertretungsorgane der beteiligten Rechtsträger einvernehmlich aufgehoben werden (Drygala in Lutter, § 4 Rn 26; Mayer in Widmann/Mayer, § 4 Rn 62).
44
Haben die Anteilseigner – jedenfalls eines der beteiligten Rechtsträger – dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt, ist eine einvernehmliche Aufhebung ebenfalls noch möglich. Es müssen jedoch die Zustimmungen der Anteilseignerversammlungen zu der Aufhebung eingeholt werden, die dem Verschmelzungsvertrag bereits zugestimmt haben (Drygala in Lutter, § 4 Rn 26, Mayer in Widmann/Mayer, § 4 Rn 62). Da die Zustimmung der Anteilseigner zu dem Verschmelzungsvertrag für das Außenverhältnis wirkt, gilt dies auch für den actus contrarius, die Aufhebung des Verschmelzungsvertrags.
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Da notarielle Beurkundung lediglich für den Abschluss des Verschmelzungsvertrags und für die Zustimmungsbeschlüsse gefordert wird, ist für die Aufhebung einschl der hierfür notwendigen Beschlüsse der Anteilseigner eine notarielle Beurkundung nicht erforderlich. Für Zustimmungsbeschlüsse der Anteilseigner zur Aufhebung des Verschmelzungsvertrags ist überdies die einfache Mehrheit ausreichend. Dies folgt daraus, dass sowohl strukturändernde als auch satzungsändernde Beschlüsse bei KapGes, die noch nicht in das Handelsregister eingetragen sind, ebenfalls mit einfacher Mehrheit aufgehoben werden können (ebenso Drygala in Lutter, § 4 Rn 27; aA Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 17).
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Die Vertragsaufhebung kann somit insgesamt formlos erfolgen, falls nicht bei AGs zwingend nach § 130 AktG notarielle Beurkundung des Hauptversammlungsbeschlusses vorgeschrieben ist (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 18; Drygala in Lutter, § 4 Rn 27; Schröer in Semler/Stengel, § 4 Rn 33; aA Mayer in Widmann/Mayer, § 4 Rn 63, wonach dann notarielle Beurkundung des Aufhebungsvertrags erforderlich sein soll, wenn die Anteilsinhaber dem Verschmelzungsvertrag bereits zugestimmt haben).
47
Ist die Verschmelzung bereits im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers eingetragen, ist die Verschmelzung wirksam geworden und eine Aufhebung des Verschmelzungsvertrags nicht mehr möglich (OLG Frankfurt DB 2003, 599).
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Auch für Änderungen des Verschmelzungsvertrags ist zu unterscheiden. Vor Fassung der Zustimmungsbeschlüsse der Anteilseigner kann der Verschmelzungsvertrag von den Vertretungsorganen einvernehmlich geändert werden (die Anteilseigner stimmen dann insgesamt über den geänderten Vertrag ab). Ist die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag von jedenfalls einer Anteilseignerversammlung eines beteiligten Rechtsträgers erteilt, ist für eine Abänderung neben der einvernehmlichen Vereinbarung durch die Vertretungsorgane die Zustimmung der bereits beteiligten Anteilseignerversammlung erforderlich (die Anteilseignerversammlungen der übrigen beteiligten Rechtsträger stimmen insgesamt über den geänderten Vertrag ab). Da die Änderung Bestandteil des Verschmelzungsvertrages wird, wären andernfalls die Voraussetzungen des § 13 nicht eingehalten. Für den Zustimmungsbeschluss zur Änderung ist die gleiche Mehrheit wie für den Zustimmungsbeschluss zum gesamten Vertrag notwendig, da es sich bei der Änderung um einen Bestandteil des Verschmelzungsvertrags handelt und der gesamte Vertrag der Zustimmung der Anteilseigner bedarf. Sowohl die Änderungsvereinbarung als auch die notwendigen Zustimmungsbeschlüsse der Anteilseigner bedürfen der notariellen Beurkundung (insgesamt ebenso für die Änderung des Verschmelzungsvertrags Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 17; Drygala in Lutter, § 4 Rn 26; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 4 Rn 20; Mayer in Widmann/Mayer, § 4 Rn 62, 64). Auf die Einhaltung der Informationspflichten (Verschmelzungsbericht) gegenüber den Anteilsinhabern sowie der ggf erforderlichen Erstreckung der Verschmelzungsprüfung hinsichtlich der Änderungen ist zu achten.
49
Mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers wird die Verschmelzung wirksam und der übertragende Rechtsträger erlischt. Ab diesem Zeitpunkt sind Änderungen des Verschmelzungsvertrags nicht mehr möglich (vgl statt aller Mayer in Widmann/Mayer, § 4 Rn 64; Schröer in Semler/Stengel, § 4 Rn 36; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 7 Rn 14; aA Drygala in Lutter, § 4 Rn 28 ff. wonach eine Änderung des Verschmelzungsvertrags auch nach Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister noch möglich sein soll).
V. Mängel des Verschmelzungsvertrags
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Da ein Verschmelzungsvertrag den allg Regeln des BGB unterliegt (vgl Rn 9), können Verschmelzungsverträge nach § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot), nach § 138 BGB (Verstoß gegen die guten Sitten) oder § 117 BGB (Scheingeschäft) nichtig sein. Ist lediglich ein Teil des Verschmelzungsvertrags nichtig, findet § 139 BGB Anwendung. Verschmelzungsverträge können außerdem bei Vorliegen eines entspr Anfechtungsgrundes nach §§ 119 ff BGB angefochten werden (der maßgebende Irrtum muss bei den Vertretungsorganen bestehen, da sie für die beteiligten Rechtsträger handeln, Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 13). Die wirksame Anfechtung führt zur Unwirksamkeit des Verschmelzungsvertrags.
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Fehlt es an der notariellen Beurkundung des Verschmelzungsvertrags, ist der Verschmelzungsvertrag nach § 125 BGB nichtig.
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Die