8. Durchsetzung des Vertrags
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Der wirksame Verschmelzungsvertrag begründet klagbare Ansprüche auf Durchführung der Verschmelzung. Es können alle zur Durchführung der Verschmelzung erforderlichen Handlungen im Grundsatz eingeklagt werden (vgl Schröer in Semler/Stengel, § 4 Rn 45; Drygala in Lutter, § 4 Rn 36; Mayer in Widmann/Mayer § 4 Rn 61). Im Einzelnen gilt:
– | Geklagt werden kann auf die Erfüllung der verschmelzungsvertraglichen Verpflichtungen (Durchführung der Verschmelzung, Vornahme einer Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung, vgl Mayer in Widmann/Mayer, § 4 Rn 61; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 4 Rn 11). |
– | Möglich sind Klagen gegen den übertragenden Rechtsträger auf Erstellung einer Schlussbilanz sowie zur Bestellung des Treuhänders nach § 71 Abs 1. Die Vollstreckung erfolgt, über unvertretbare Handlungen, nach § 888 ZPO. |
– | Sowohl der übernehmende Rechtsträger (die neuen Aktien) als auch der übertragende Rechtsträger (die zu tauschenden alten Aktien) haben die Aktien dem Treuhänder zu übergeben. Die Vollstreckung eines entspr Urteils richtet sich hierbei nach § 883 ZPO. |
– | Der übertragende Rechtsträger hat gegen den übernehmenden Rechtsträger einen Anspruch auf Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister. Die Vollstreckung kann nach § 894 ZPO erfolgen. Für einen entspr Anspruch des übernehmenden Rechtsträgers gegen den übertragenden Rechtsträger fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, da das Vertretungsorgan des übernehmenden Rechtsträgers nach § 16 Abs 1 S 2 berechtigt ist, die Verschmelzung auch zur Eintragung in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers anzumelden. |
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Sowohl der übernehmende als auch die übertragenden Rechtsträger sind iÜ verpflichtet, unberechtigten Klagen gegen die Wirksamkeit der Verschmelzungsbeschlüsse entgegenzutreten (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 23).
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Anspruchsberechtigt sind jeweils die beteiligten Rechtsträger. Die Ansprüche werden durch deren Organe geltend gemacht. Unmittelbare Ansprüche der Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger bestehen hingegen nicht. Sie sind nicht Partner des Verschmelzungsvertrags. Der Verschmelzungsvertrag als Ganzes ist kein Vertrag zugunsten Dritter (Drygala in Lutter, § 4 Rn 38). Die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger können eine beschlossene Verschmelzung vielmehr nur über ein etwa bestehendes Weisungsrecht (bei der GmbH oder der PersHandelsGes) oder – mittelbar – über die Drohung mit etwa bestehenden Schadensersatzansprüchen durchsetzen.
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Einzelne verschmelzungsvertragliche Regelungen können allerdings als vertragliche Bestimmungen zugunsten Dritter angesehen werden. Dies gilt zB für Ansprüche der Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger auf Anteilsgewährung bzw auf bare Zuzahlungen (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 3). Eine Geltendmachung dieser Ansprüche unmittelbar durch die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger ist möglich. Die Ansprüche sind gegen den übernehmenden Rechtsträger zu richten. Sie können nur durchgesetzt werden, wenn der übernehmende Rechtsträger über die zu gewährenden Anteile bereits verfügt. Dies ist der Fall, wenn eigene Anteile verwendet werden sollen oder eine notwendige Kapitalerhöhung bereits beschlossen ist. Unterlassen die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers hingegen die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung, gehen die Ansprüche ins Leere (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 4 Rn 22; vgl nachfolgend Rn 34).
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Ansprüche gegen die Anteilsinhaber eines übernehmenden Rechtsträgers auf Beschl einer zur Durchführung der Verschmelzung notwendigen Kapitalerhöhung oder auf Beschl von im Verschmelzungsvertrag etwa vereinbarten Gesellschaftsvertrags- oder Satzungsänderungen beim übernehmenden Rechtsträger bestehen nur, wenn sich die Anteilsinhaber hierzu gesondert schuldrechtlich verpflichtet haben. Der Verschmelzungsvertrag als solcher bindet nur die beteiligten Rechtsträger selbst, nicht jedoch deren Anteilsinhaber. Haben allerdings die Anteilsinhaber einem Verschmelzungsvertrag zugestimmt, dessen Vollzug eine Kapitalerhöhung erfordert bzw in dem Satzungsänderungen vereinbart sind, kann jedenfalls von den zustimmenden Anteilsinhabern eine Beschlussfassung der Kapitalerhöhung bzw der Satzungsänderung verlangt werden.
III. Vertragsentwurf
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Aus § 4 Abs 2 ergibt sich, dass der Beschlussfassung der Anteilseigner über die Verschmelzung auch ein schriftlicher Entwurf des Verschmelzungsvertrags zugrunde gelegt werden kann. Der Verschmelzungsvertrag kann somit vor oder nach der Beschlussfassung der Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger geschlossen werden. Diese Rechtslage entspricht der Rspr des BGH (BGHZ 82, 188) und der Regelung in § 340 Abs 1 AktG aF.
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Einziger Unterschied zwischen Vertragsentwurf und endgültigem Verschmelzungsvertrag ist das Fehlen der notariellen Beurkundung. IÜ sind die Voraussetzungen für Vertrag und Vertragsentwurf gleich. Der Vertragsentwurf muss somit von den Vertretungsorganen der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger (vgl dazu oben Rn 12) aufgestellt werden. Er muss inhaltlich vollständig sein. Er muss also alle erforderlichen Vertragsbestandteile enthalten. Soweit auf Anlagen verwiesen wird, sind auch die Anlagen dem Vertragsentwurf beizufügen. Der Vertragsentwurf ist von den aufstellenden Organen in vertretungsberechtigter Zahl privatschriftlich zu unterzeichnen. Eine Unterzeichnung ist nur dann entbehrlich, wenn sich aus den Umständen eindeutig ergibt, dass die zuständigen Organe den Entwurf aufgestellt haben.
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Wird den Anteilseignern lediglich der Verschmelzungsvertragsentwurf zur Beschlussfassung vorgelegt, mag dies in der Praxis ein Indiz dafür sein, dass sich die zuständigen Organe der erforderlichen Mehrheit der Anteilseigner für die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag nicht sicher sind. Andererseits lässt sich bei Vorlage lediglich des Entwurfs der Anfall von Beurkundungskosten vermeiden, wenn die Zustimmung der Anteilseigner nicht gesichert ist oder Änderungen des Verschmelzungsvertrags zu erwarten sind.
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Ist der Verschmelzungsvertrag bereits notariell beurkundet, können die Anteilseigner ihm entweder zustimmen oder ihn ablehnen. Wird dagegen den Anteilseignern ein Vertragsentwurf zur Zustimmung vorgelegt, kann er auch mit geändertem Inhalt beschlossen werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn durch entspr Fassung der Tagesordnung klar zum Ausdruck gebracht würde, dass dem Entwurf nur wie vorgeschlagen zugestimmt werden kann oder er im Ganzen abgelehnt werden muss (aA Drygala in Lutter, § 4 Rn 16 Fn 2 und Schröer in Semler/Stengel, § 4 Rn 19, wonach dem Vertragsentwurf stets nur insgesamt zugestimmt oder er gänzlich abgelehnt werden kann). Wird dem Vertragsentwurf nur mit Änderungen zugestimmt, ist