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Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und schließlich das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 haben das Gesetzlichkeitsprinzip aus dem Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 übernommen. § 2 Abs. 1 StGB lautete: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“ Diese Regelung wurde in Art. 116 Weimarer Reichsverfassung übernommen und erhielt damit erstmalig Verfassungsrang.
2. Milderungsgebot
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Die Anerkennung des Milderungsgebots wurde in der Zeit der Aufklärung als Folge der Proportionalität von Verbrechen und Strafe und der Vermeidung richterlicher Willkür als selbstverständlich vorausgesetzt, zumal damals die Gesetze der Durchführung einer vernunftgeleiteten Reform des Strafrechts durch Abschaffung übertrieben harter Strafen dienten.[15] Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, Gesetze, die nach Begehung der Tat als zu streng oder als nicht mehr erforderlich angesehen und deshalb geändert oder aufgehoben wurden, nicht mehr anzuwenden. Entsprechend enthielt der Code pénal von 1791 eine Normierung des Milderungsgebots.[16] Der Einfluss der Aufklärung spiegelt sich auch in den §§ 18 bis 20 der Einleitung zum Allgemeinen Preußischen Landrecht wider, wonach der Richter gesetzliche Milderungen sogar bereits Verurteilten zugutekommen lassen musste.[17] Bei rechtskräftig Verurteilten konnte die Anwendung der milderen und verhältnismäßigen Strafen nur als Gnadensache erreicht werden.
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Die sodann folgenden Strafrechtskodifikationen der deutschen Partikularstaaten enthielten durchgängig gesetzliche Milderungsgebote. Zu divergierenden Lösungen kam es nur insofern, als teilweise die Anwendung des neuen Strafgesetzes, teilweise die Anwendung des zur Tatzeit geltenden Rechts als Grundsatz normiert wurde, ohne dass sich die beiden Regelungsmodelle im Ergebnis nennenswert unterschieden.[18] In materieller Hinsicht wurde im Milderungsgebot vor allem ein Gebot der Gerechtigkeit gesehen. Lediglich soweit die Milderung auf bereits rechtkräftige, aber noch nicht vollstreckte Strafurteile ausgedehnt wurde, ordnete man die Rechtskraftdurchbrechung weiterhin als Gnadenakt ein.
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Im Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, das für die weitere Entwicklung zentrale Bedeutung erlangte, wurde in Art. IV des Einführungsgesetzes die rückwirkende Anwendung des milderen Gesetzes als Ausnahme vorgesehen; bereits rechtskräftig abgeurteilte Fälle, in denen die Strafe noch nicht vollstreckt war, wurden hiervon ausgeschlossen, um eine Überlastung der Gerichte zu vermeiden. Entsprechende Regelungen enthielt auch das am 1. Januar 1871 in Kraft getretene Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, das dann am 15. Mai 1871 als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich verkündet wurde.
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§ 2 StGB 1871 enthielt in seinem Absatz 1 die Regelung des heutigen § 1 StGB und lautete: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“ § 2 Abs. 2 StGB 1871 entsprach dem heutigen § 2 Abs. 3 StGB mit folgendem Wortlaut: „Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburteilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.“
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Das Reichsgericht nahm in der Folgezeit in einer Reihe von Entscheidungen zum Milderungsgebot Stellung und schränkte dabei den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 StGB a.F. in ständiger Rechtsprechung erheblich ein, indem es den Begriff des „Gesetzes“ als „Strafgesetz“ interpretierte[19] und blankettausfüllende Gesetze vom Milderungsgebot mit der Begründung ausnahm, dass nur bei einer Änderung der Strafgesetze von einer geänderten Anschauung über die Strafwürdigkeit die Rede sein könne.[20] Außerdem wurde § 2 Abs. 2 StGB nicht auf kurzfristige Strafverbote, sog. temporäre Strafgesetze, angewendet, deren Aufhebung oder Ablauf nicht auf einer Missbilligung der früheren Strafgesetzgebung beruhte, um zu vermeiden, dass die strafbewehrten Verbote gegen Ende ihrer Geltungszeit jegliche Wirkung verloren.[21] In der damaligen Literatur wurde allerdings sowohl die Abgrenzung der Rechtsprechung zwischen „außerstrafrechtlichen“ und „strafrechtlichen“ Bestandteilen als außerordentlich formalistisch kritisiert als auch die Sonderbehandlung für Zeitgesetze in Frage gestellt.[22]
III. Das Rückwirkungsverbot und das Milderungsgebot im Nationalsozialismus
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Das Rückwirkungsverbot blieb auch in der Zeit des Nationalsozialismus grundsätzlich bestehen. Allerdings galten die Bestimmungen der Weimarer Verfassung nur noch als Sätze des einfachen Rechts fort und nur insoweit, als sie mit den Zielen des Nationalsozialismus übereinstimmten. Deshalb finden sich in der Zeit nach 1933 zahlreiche Gesetze, die eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots ausdrücklich anordneten. So wurde zunächst durch Art. 3 Nr. l des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933[23] die Vorschrift des § 2a StGB, ein Vorläufer des heute geltenden § 2 Abs. 6 StGB (dazu unten Rn. 83 ff.), eingefügt, in dem das Rückwirkungsverbot für Maßregeln der Besserung und Sicherung durchbrochen wird.
Sodann hat der nationalsozialistische Gesetzgeber mit Gesetz vom 28. Juni 1935[24] das Gesetzlichkeitsprinzip beseitigt und die zwingende Regelung über die Milderung des Gesetzes in eine Ermessensvorschrift (Absatz 2) geändert. Außerdem wurde eine Regelung über die Strafbarkeit bei Zeitgesetzen (Absatz 3) eingeführt, die der Sache nach bereits vor 1933 vorbereitet war,[25] weil bereits das Reichsgericht temporäre Strafgesetze, deren Aufhebung oder Ablauf nicht auf einer Missbilligung der früheren Strafgesetzgebung beruhte, aus dem Anwendungsbereich des Milderungsgebots ausgenommen hatte, obwohl § 2 RStGB keine entsprechende ausdrückliche Einschränkung enthielt.[26]
IV. Wiedereinführung des Milderungsgebots nach dem Zweiten Weltkrieg und Regelung im Einigungsvertrag
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Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches erließen die Besatzungsmächte im Londoner Abkommen vom 8. August 1945 sowie im Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 selbst teilweise rückwirkende Strafvorschriften.[27] Die deutschen Länderverfassungen und das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 knüpften für das Rückwirkungsverbot im Hinblick auf die Formulierung wie auch auf den Gehalt an den Stand der Weimarer Reichsverfassung an[28], und auch das Milderungsgebot wurde wieder eingeführt. Der durch das 3. StRÄndG eingeführte § 2 StGB (1953) lautete:
(1) | Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn die Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. |
(2) |
Die Strafe bestimmt sich nach dem Recht, das zur Zeit der Tat gilt. Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren
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