3. Vortrag im Zusammenhang gem. § 69 Abs. 1 S. 1 StPO
126
Der Zeuge soll nach § 69 Abs. 1 S. 1 StPO die Möglichkeit haben, seine Wahrnehmungen im Zusammenhang vorzutragen. Der anwaltliche Zeugenbeistand hat gegebenenfalls auf die Einhaltung dieser Vorschrift hinzuwirken. Der im Grundsatz anerkannte Anspruch des Zeugen auf Aussage in einem von Fragen und Vorhalten unbeeinflussten zusammenhängenden Bericht[5] schließt allerdings nicht aus, dass die vernehmende Stelle durch Vorhalte und lenkende Hinweise den Vortrag unterbricht.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › V. Anwaltliche Aufgaben während der Zeugenvernehmung › 4. Rüge bloßstellender Fragen gem. § 68a StPO
4. Rüge bloßstellender Fragen gem. § 68a StPO
127
Bloßstellende Fragen sowie Fragen nach dem persönlichen Lebensbereich des Zeugen sind entsprechend § 68a StPO nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Zeuge ist als eigentlich Unbeteiligter in das Verfahren hineingezogen worden und nunmehr gezwungen, öffentlich auszusagen. Dabei sollen insb. Fragen, die dem Zeugen oder einem Angehörigen zur Unehre gereichen oder den persönlichen Lebensbereich des Zeugen betreffen[6], vermieden werden, auch wenn sich unangenehme und bloßstellende Fragen im Interesse der Sachaufklärung nicht immer vermeiden lassen.[7] Fragen sind entehrend, wenn sie die sittlich-moralische Bewertung einer Person in der Umwelt beeinflussen können[8], wobei persönliche Befindlichkeiten unberücksichtigt bleiben.[9] Der Zeuge kann aber auch dann verlangen, dass möglichst schonend mit ihm umgegangen wird.[10] Mit Blick auf den persönlichen Lebensbereich des Zeugen werden sensible nicht offenkundige Tatsachen, die das Persönlichkeitsbild des Betroffenen negativ beeinflussen können, geschützt[11], insb. die Intimsphäre.[12] Aufgabe des anwaltlichen Zeugenbeistands ist es in diesem Zusammenhang, bloßstellende Fragen zu rügen und erforderlichenfalls eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › V. Anwaltliche Aufgaben während der Zeugenvernehmung › 5. Rüge von ungeeigneten Fragen gem. § 241 Abs. 2 StPO
5. Rüge von ungeeigneten Fragen gem. § 241 Abs. 2 StPO
128
Fragen, die zu prozessfremden Zwecken gestellt werden, sowie Wiederholungs-, Fang- und Suggestivfragen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft kann der Vorsitzende gem. § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen. Der Zeugenbeistand soll solche Fragen beanstanden, wenn die Interessen des Zeugen spürbar beeinträchtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Fragen seitens des Gerichts gestellt werden.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › V. Anwaltliche Aufgaben während der Zeugenvernehmung › 6. Befragung von jugendlichen Zeugen durch den Vorsitzenden gem. § 241a StPO
6. Befragung von jugendlichen Zeugen durch den Vorsitzenden gem. § 241a StPO
129
Die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren obliegt gem. § 241a StPO allein dem Vorsitzenden. Eine Übertragung dieser Befugnis auf einen anderen Prozessbeteiligten sieht das Gesetz nicht vor. Kindliche und jugendliche Zeugen sollen aus vernehmungspsychologischen Gründen grundsätzlich nur einen Gesprächspartner haben. Das Gesetz geht davon aus, dass der Vorsitzende die größte Gewähr für eine behutsame, dem Entwicklungsstand des Zeugen entsprechende Vernehmung bietet. Der Zeugenbeistand hat in diesen Fällen dafür zu sorgen, dass die in § 241a StPO festgelegte Befragungsweise auch tatsächlich eingehalten wird. Abweichungen hiervon sind zu beanstanden.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › V. Anwaltliche Aufgaben während der Zeugenvernehmung › 7. Protokollierung der Zeugenaussage gem. § 273 Abs. 3 StPO
7. Protokollierung der Zeugenaussage gem. § 273 Abs. 3 StPO
130
§ 273 Abs. 3 StPO bietet die Möglichkeit, die wörtliche Protokollierung von Zeugenaussagen zu verlangen. Da sich das für die wörtliche Protokollierung erforderliche Interesse an der Feststellung auch auf ein anderes, beispielsweise zukünftiges Verfahren beziehen kann[13], hat auch der Zeugenbeistand das Recht, einen hierauf gerichteten Antrag zu stellen. Insbesondere dann, wenn ein anderes Straf-, Ordnungswidrigkeiten- oder Disziplinarverfahren gegen den Zeugen im Raume oder ein Zivilverfahren gegen oder im Interesse des Zeugen ansteht, wird der Zeuge ein schützenswertes Interesse an der wörtlichen Protokollierung seiner Aussagen haben. Bei Zurückweisung des Antrags auf Protokollierung durch den Vorsitzenden kann ein Gerichtsbeschluss gem. § 273 Abs. 3 S. 2 StPO beantragt werden.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › V. Anwaltliche Aufgaben während der Zeugenvernehmung › 8. Verhinderung von Missverständnissen und Aussagefehlern
8. Verhinderung von Missverständnissen und Aussagefehlern
131
Dem Zeugenbeistand kann mitunter auch einmal die Aufgabe zukommen, Aussagefehler zu verhindern oder Missverständnisse zu beseitigen. Allerdings darf der Zeugenbeistand nach der Rechtsprechung des BVerfG den Zeugen in seiner Aussage nicht vertreten.[14] Gleichwohl kann der Rechtsbeistand des Zeugen – wie es das BVerfG formuliert – bei ungeschickten, ängstlichen oder aus anderen Gründen in ihrer Aussagefähigkeit und -bereitschaft gehinderten und gehemmten Zeugen „aus seiner häufig besseren Kenntnis des Wissens des Zeugen dazu beitragen, Aussagefehler des Zeugen und Missverständnisse der Verfahrensbeteiligten zu vermeiden“[15]. Das Eingreifen des Zeugenbeistands sollte jedoch in jedem Fall sehr behutsam von Statten gehen. Erst dann, wenn der Zeuge sich beispielsweise versprochen hat oder offensichtlich wird, dass die Äußerung des Zeugen von den anderen Verfahrensbeteiligten bewusst oder unbewusst missverstanden zu werden droht, ist es angezeigt, einzelne Formulierungen behutsam „gerade zu rücken“ oder den Zeugen zu bitten, Missverständnisse klarzustellen. Der Zeugenbeistand muss jedenfalls vermeiden, dass durch seine Interventionen die Spontanität der Zeugenaussage leidet oder andere Umstände des Aussageverhaltens beeinträchtigt werden, die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung erheblich sein können.[16]
Anmerkungen
Rode Handbuch FA Strafrecht, 7. Teil, Kap. 4, S. 1171, Rn. 33.
Die wohl h.M. verweigert dem Zeugenbeistand das Recht, eine Robe zu tragen: M-G/S StPO § 68b Rn. 5; a.A. Wagner DRiZ 1983, 21.