Seit der Änderung des § 59 StPO durch das Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004 (BGBl. I, S. 2198) erfolgt eine Vereidigung nur noch, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder der Herbeiführung einer wahren Aussage für nötig hält.
BVerfG NJW 1979, 32; NJW 1988, 897f.; OLG Stuttgart NJW 1956, 840; Pfeiffer StPO Vor § 48 Rn. 1; RH-StPO/Otto § 48 Rn. 5.
Daimagüler Der Verletzte im Strafverfahren, Rn. 110 m.w.N.
Insbesondere für Kinder zählen Mehrfachvernehmungen zu den größten Belastungen; vgl. Volbert/Pieters Zur Situation kindlicher Zeugen vor Gericht; sowie Albrecht Kindliche Opferzeugen im Strafverfahren; Frommel Möglichkeiten und Grenzen des Schutzes kindlicher Opferzeugen im Strafverfahren, beide in: Salgo (Hrsg.) Vom Umgang der Justiz mit Minderjährigen.
M-G/S StPO Vor § 48 Rn. 10 m.w.N.
Ausführl. zur gesamten Thematik Wessing/Ahlbrecht Der Zeugenbeistand.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › II. Zeugenrechte
II. Zeugenrechte
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Zeugenrechte
• | Zeugnisverweigerungsrecht gem. §§ 52, 53, 53a StPO |
• | Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO |
• | Verheimlichung der Anschrift gem. § 68 Abs. 2 StPO |
• | Verschweigen der Angaben zur Person oder Identität gem. § 68 Abs. 3 StPO |
• | Ausschluss des Beschuldigten bei der richterlichen Vernehmung des Zeugen gem. § 168c Abs. 3 StPO |
• | Recht auf audiovisuelle Zeugenvernehmung gem. § 247a StPO (§ 58a Abs. 2 StPO) |
• | Entfernung des Angeklagten gem. § 247 StPO |
• | Öffentlichkeitsausschluss gem. § 171b GVG |
• | Zeugenbeistand gem. § 68b StPO (und Rechte des Zeugenbeistandes gem. § 68b Abs. 1 S. 1 StPO) |
• | Recht auf Beiordnung des Zeugenbeistands gem. § 68b StPO |
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In Anerkennung der vielfältigen Belastungen eines Zeugen hat sich im Laufe der Zeit zunehmend die Auffassung durchgesetzt, dass der Zeuge nicht bloßes Objekt der Beweisaufnahme, sondern ein mit besonderen Rechten ausgestattetes Verfahrenssubjekt ist.[1] Staatliche Organe müssen seine Rechte, wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, schützen.[2] Dem Schutz des Zeugen dienen diverse Regelungen. Allerdings enthält das Strafverfahrensrecht keinen gesonderten Abschnitt über den Zeugenschutz als solches. Die einschlägigen Vorschriften wurden vielmehr in die Verfahrensabschnitte eingefügt, in denen sie wirksam werden sollen. Zeugen, die Verletzte von Straftaten geworden sind[3], gehören neben den kindlichen Zeugen, in Strafverfahren wegen Gewaltverbrechen und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und den sog. „gefährdeten Zeugen“[4] zu den als besonders schutzbedürftig angesehenen Zeugengruppen. Ihnen gelten die meisten Zeugenschutzbestimmungen. Das „Zeugenschutzgesetz“ vom 30.4.1998 hatte bereits die Rechtsstellung des Zeugen verbessert. Durch das „2. Opferrechtsreformgesetz“ wurden die Pflichten und Rechte der Zeugen gesetzlich normiert und erweitert. Auch das „3. Opferrechtsreformgesetz“ hat zur Erweiterung der Zeugenrechte beigetragen. So wurde beispielsweise der § 48 Abs. 3 in die StPO eingeführt, wonach die den Zeugen betreffenden Verhandlungen, Vernehmungen und sonstigen Untersuchungshandlungen unter Berücksichtigung seiner Schutzbedürftigkeit durchzuführen sind, wenn es sich bei den Zeugen zugleich um einen Verletzten handelt.
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Die Regelungen des Zeugenschutzes stehen der Aufklärungspflicht der Strafverfolgungsorgane nicht entgegen. Mit dem Zeugenschutz kann auch die berechtigte Erwartung verbunden werden, dass ein geschützter Zeuge eher bereit sein wird, sein Wissen in den Dienst der Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Er wird dadurch auch vielfach erst in die Lage versetzt, sein verfügbares Wissen vollständig zu reproduzieren. Die dadurch ermöglichte umfassendere Ausschöpfung des Zeugenbeweises stärkt damit indirekt auch die Erfüllung der Aufklärungspflicht durch die Ermittlungsbehörden[5].
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Werden weitergehende Verfahrenspositionen durch den Verletztenzeugen eingenommen, ändert sich in Bezug auf die Zeugenrechte in der Regel nichts. Beteiligt sich der Verletzte einer Straftat beispielsweise auch als Nebenkläger an dem Verfahren, hindert dies nicht die Möglichkeit, als Zeuge aufzutreten. Das ergibt sich bereits aus § 397 Abs. 1 S. 1 StPO.[6] Gleiches gilt bei der Stellung eines Adhäsionsantrags.[7] Anderes gilt nur dann, wenn der durch eine Straftat Verletzte das Strafverfahren als Privatkläger betreibt. Als Privatkläger ist er sowohl Kläger als auch Vertreter der Anklage. Der Schwerpunkt wird von der ganz h.M. in letzterem Aspekt gesehen und somit die Zeugenfähigkeit des Privatklägers verneint.[8]
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Ein wichtiges Zeugenrecht liegt in der Befugnis, sich bei der Vernehmung eines Rechtsanwalts als Beistand zu bedienen. Hochschullehrer oder Rechtsreferendare scheiden nach dem Wortlaut des Gesetzes aus. § 397a Abs. 1 StPO spricht nur von der Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand und enthält keinen Verweis auf § 138 Abs. 1 StPO, wonach ein Hochschullehrer als Wahlverteidiger auftreten kann. Auch § 139 StPO ist nicht anwendbar, da auch hier allein der Wahlverteidiger einem Referendar die Verteidigung übertragen kann. Jeder Rechtsanwalt, der einem Zeugen beisteht, sieht sich in einer gegenüber der Strafverteidigung stark abweichenden Rolle. Er hat seinen Blick nicht wie das Gericht, die Staatsanwaltschaft oder die Verteidigung vorrangig auf das Schicksal des Angeklagten, sondern auf die Interessen des Zeugen zu richten. Seine Mitwirkung kann sich zwar – etwa als reiner Zeugenbeistand – nur auf einen Teil des Verfahrens, nämlich die Beweisaufnahme, beschränken, dieser kommt aber im gesamten Strafverfahren eine herausgehobene, wenn nicht gar die entscheidende und zentrale Bedeutung zu.
Die Strafprozessordnung stellt ein abgestuftes System von Schutz- und Beteiligungsrechten für Zeugen zur Verfügung, die dem jeweiligen Grad der Betroffenheit durch die Straftat entsprechen. Nach der Beteiligung des Zeugen am Strafverfahren richten sich auch die Möglichkeiten des anwaltlichen Beistands, für seinen Mandanten tätig zu werden.