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Die Verwendung solcher gesetzlicher Präsumtionen sei hierbei eine verfahrensökonomische Notwendigkeit.[193] Sie fänden ihre Rechtfertigung in der Methode des Gesetzgebers bei der Schaffung von Gesetzen.[194] Jeder Deliktstypus im Strafrecht komme auf dem Weg der Abstraktion zu Stande, was bedeutet, dass der Gesetzgeber auf bestimmte Merkmale im Gesetz abstellt, während er andere Merkmale unberücksichtigt lässt, um eine möglichst große Zahl von Einzelfällen tatbestandlich zu erfassen.[195] Verzichtet der Gesetzgeber hierbei auf wichtige Merkmale, so läge der Grund dafür stets in dem Bestreben Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.[196] Je schwieriger also einzelne Merkmale zu beweisen sind, umso größer sei „die Versuchung, sie womöglich nicht mit aufzunehmen“.[197] Je einfacher aber die deliktische Natur, umso leichter ist die Anwendbarkeit und damit die Praktikabilität der Norm. Auf den Bankrotttatbestand angewandt bedeutete dies, dass das Gesetz auf die nach außen unproblematisch in Erscheinung tretenden Merkmale A (hier: Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung) und B (Vornahme der Bankrotthandlung) abstellte, obwohl außer diesen Beiden noch ein weiteres Merkmal C den „rechtlichen Unwert“ der Tat mitbestimme (= sog. praesumptio juris et jure).[198] Dieses zusätzliche Merkmal (C) bestünde in der Schädigung des Handlungsobjekts, vielfach „Rechtsgutsverletzung“ genannt, wobei sich die Vertreter nicht einig waren, ob es sich um die Verletzung oder nur die Gefährdung des Vermögens der Gläubiger handeln sollte. Dies hing auch damit zusammen, dass nicht klar war, wie ein Interesse oder sonstige ideelle Objekte (Sicherheit des Handels) überhaupt „verletzt“ werden können. Würde der Gesetzgeber aber den Eintritt einer konkreten Gläubigergefahr oder gar eines Gläubigerschadens verlangen, so müsste diesbezüglich immer auch Kausalität, Vorsatz und Schuld nachgewiesen werden können. Dieser Nachweis wird nur oftmals schwer zu erbringen sein, vor allem in Bezug auf die Herbeiführung des eigenen Konkurses. Deshalb sei der Tatbestand des Bankrotts so konzipiert, dass, falls der Beweis für A (Eintritt der Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung) und B (schuldhafte Vornahme der Handlung) erbracht werden kann, die Tatsache C (Rechtsgutsbeeinträchtigung) als erwiesen angesehen wird.[199] Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise, die zu Recht scharf kritisiert wurde,[200] hänge hierbei entscheidend von dem Verhältnis zwischen A/B und C ab. Wenn das Merkmal C notwendigerweise mit A/B verbunden sei, soll es sich um eine unschädliche Präsumtion handeln.[201] Für diesen Fall seien Präsumtionen unbedenklich, da nur „diejenigen Handlungen vertatbestandlicht werden, die typischerweise, also regelmäßig mit einer Rechtsgutsgefährdung verbunden sind“, ergo „je typischer die Handlung für die Rechtsgutsgefährdung ist, desto erträglicher wird die Präsumtion“.[202] Anders liegt der Fall, wenn C niemals oder nur selten mit B verbunden ist. Dann handele es sich um eine Präsumtion in Form einer „Fiktion im objektiven Sinn“, die zu unerträglichen Ergebnissen führe, weil es zu einer Vielzahl an Fehlbewertungen von konkreten Einzelfällen käme.[203] Die Vertreter der Präsumtionstheorie stellten hierbei fest, dass bei einem der Schuldner, der seine Zahlungen einstellte davon ausgegangen werden könne, dass er tatsächlich zahlungsunfähig ist.[204] Für den Fall der Zahlungsunfähigkeit könne sicher davon ausgegangen werden, dass die Befriedigungsinteressen der Gläubiger betroffen sind.[205] Strittig war nur, wie mit den Fällen umzugehen war, in denen eine Rechtsgutsbeeinträchtigung „widerlegt “ werden konnte. Wenn die Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen nachweisbar auf einer völlig anderen Ursache beruhte, wie z.B. ein Konkurs basierend auf Zufall, Krieg oder Naturkatastrophe, sah die überwiegende Auffassung die Präsumtion als widerlegt an.[206] Die Handlung des Schuldners hatte dann erwiesenermaßen nichts mit der Rechtsgutsbeeinträchtigung zu tun. Eine Einschränkung des Tatbestandes sei da geboten, „wo der Erfolg aus einem ganz anderen als dem mit der Handlung in Verbindung stehenden Ursachenkomplex hervorgegangen ist.“[207] Wenn der Täter eine erwiesen ungefährliche Handlung vorgenommen hat, könne er nicht bestraft werden.[208]
4. Zweite Zwischenbetrachtung: Der „tatsächliche Zusammenhang“ als verkappter Kausalzusammenhang?
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Das Abstellen auf einen „schuldindifferenten, äußeren Zusammenhang“ entbehrt jeder nachvollziehbaren Begründung und kann bereits auf Grund der Unmöglichkeit einer begrifflichen Konkretisierung nicht Ernst genommen werden. Die Präsumtionstheorie basiert auf Fiktionen und Unterstellungen.[209] Es ist zudem mit allen Auslegungsregeln unvereinbar, einen Kausalzusammenhang zu vermuten, da „die Vermutung des Kausalzusammenhangs weiter zu einer Vermutung der Schuld in Beziehung auf die Herbeiführung dieses Zusammenhangs“ nötigt.[210] Der „tatsächliche Zusammenhang“ in der Interpretation des frühen Reichsgerichts und des oben skizzierten Schrifttums, das in Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung die Umschreibung des geschützten Rechtsguts sieht, ist letztlich ein verkappter, umetikettierter Kausalzusammenhang, der außerhalb eines Schuldzusammenhangs bestehen soll.
Teil 1 Die dogmengeschichtliche Entwicklung › A. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Geltungsbereich der Konkursordnung › IV. Stellungnahme: Der „tatsächliche Zusammenhang“ als Hilfsmittel einer erfolgsorientierten Auslegung
IV. Stellungnahme: Der „tatsächliche Zusammenhang“ als Hilfsmittel einer erfolgsorientierten Auslegung
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Die Konstruktion des Bankrottdelikts in Anlehnung an Napoleons code de commerce, schaffte die Grundlage für die Erfindung des „tatsächlichen Zusammenhangs“, da unter Umständen neutrale Handlungen, die durch ein zufälliges Ereignis qualifiziert wurden, erheblich (Gefängnisstrafe) bestraft werden konnten. Das Anwendungsproblem des RG und des Schrifttums war, dass der vom Gesetzgeber gefasste Rechtssatz keinen unmittelbaren tatbestandlichen Bezug zu dem geschützten Rechtsgut erforderte. Das Unrecht der Tat wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts jedoch ausschließlich vom Erfolg her begriffen. In dieses System konnte jedoch ein Rechtssatz wie der einfache Bankrott (als bloßes Tätigkeitsdelikt) nicht eingeordnet werden. Der „präsumtive Kausalzusammenhang“ bzw. der „schuldindifferente Kausalzusammenhang“ war demnach ein „Hilfsmittel“ der Strafrechtswissenschaft die befürchtete Systemwidrigkeit einer Norm, die auf ein Erfolgsunrecht verzichtet, zu umgehen.[211] Mithilfe dieses „Kunstgriffs“ wurden die Strafrechtssätze der KO auf das vorherrschende System, das sich durch die Erfolgsbezogenheit der Tat auszeichnete, angepasst. Da diese Methode sich jedoch fiktiver Instrumente bedient, ohne den Strafrechtssatz an sich zu prüfen, muss der hiernach ausgerichtete „tatsächliche