Der 3. Senat verneinte eine Strafbarkeit wegen Bankrotts, wenn erst nach Ende des Konkursverfahrens eine Bankrotthandlung im Sinne des § 209 Nr. 4 KO vorgenommen wurde[90]:
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„Das Gesetz fordert zwar nicht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den aufgeführten Handlungen und der Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung, aber doch eine Beziehung der Ersteren zu der Letzteren ein Zusammentreffen Beider in dem Sinne, dass Zahlungseinstellung bzw. Konkursverfahren einerseits, die vom Gesetz bezeichneten Handlungen andererseits, tatsächlich nebeneinander vorliegen[91] müssen. Weder die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung an sich, noch die Vornahme der Handlungen für sich allein unterliegen der Bestrafung; erst das Zusammentreffen beider bildet den Tatbestand strafbaren Bankrottes. Dieser, vom Gesetz geforderte tatsächliche Zusammenhang[92] fehlt aber, wenn, bevor die betreffenden Handlungen vorgenommen werden, der Zustand der Zahlungseinstellung oder des Konkursverfahrens durch Wiederaufnahme der Zahlungen oder Einstellung des Verfahrens wieder beseitigt ist. Der Zweck der Strafbestimmungen ist die Sicherung des Kredits durch das Strafgesetz, welcher da geboten erscheine, wo ein solcher beansprucht oder gewährt werden muss, ohne dass eine genauere Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit sowohl der Vermögensverhältnisse erfolgen kann; wer denselben missbrauche, verletzte nicht bloß das Vermögen eines einzelnen bestimmten Gläubigers, sondern die Sicherheit des Handels, insoweit das Bestehen desselben auf der Notwendigkeit des Kredits beruht. Um diesen Zweck strafrechtlicher Sicherung des Kredits wirksam zu erreichen, erfordert das Gesetz zwar nicht den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem kreditgefährdenden, leichtsinnigen, verschwenderischen oder sonst ordnungswidrigen, den kaufmännischen Pflichten zuwiderlaufenden Verhalten und der Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung; immerhin liegt aber der Strafbestimmung über den leichtsinnigen Bankrott der gesetzgeberische Gedanke zugrunde, dass, wo eine solche kreditgefährdende Handlungsweise sich dokumentiert, auch in ihr der Grund zu der tatsächlich durch die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung eingetretenen Kreditschädigung liegen werde. Grund und Zweck der Strafbestimmung versagt aber, wenn eine der Handlungen vorgenommen wird, nachdem die Zahlungseinstellung wieder beseitigt, oder das Konkursverfahren völlig beendet ist. Schon rein äußerlich betrachtet, fehlt solchenfalls das tatsächliche Nebeneinanderliegen beider, die Strafbarkeit bedingender Momente, die vom Gesetz erforderte Beziehbarkeit der Handlung auf die Tatsache der Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung“.[93]
b) Die Entscheidung des 1. Senats vom 8.12.1884
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Der 1. Senat widersprach dem[94]:
„Das Gesetz erfordert zum Tatbestand des § 210 Nr. 2, 2. Var. KO (Vernichten von Handelsbüchern) einerseits die Tatsache, dass über das Vermögen eines Schuldners das Konkursverfahren eröffnet worden ist, andererseits, dass der betreffende Schuldner Handelsbücher vernichtet hat, wobei der Tatbestand sowohl dann vorliegen kann, wenn die Vernichtung der Eröffnung des Verfahrens vorausgegangen, als dann, wenn sie ihr nachfolgt. Diese Erfordernisse liegen auch dann vor, wenn zur Zeit der Vernichtung der Handelsbücher das Konkursverfahren beendigt ist; denn dies macht die Tatsache nicht ungeschehen, dass gegen den Schuldner das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Es besteht noch nach der Aufhebung des Konkursverfahrens ein Interesse der Gläubiger an dem Vorhandensein der Handelsbücher fort. Das Gesetz hatte hiernach keinen genügenden Grund, seine Strafbestimmung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass das Konkursverfahren zur Zeit der Vernichtung noch schwebe, und aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich eine derartige Unterstellung ebenfalls nicht“.[95]
c) Die Entscheidung des 4. Senats vom 1.4.1892
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Der 4. Senat war wiederum anderer Auffassung[96]:
„Es bedarf, wie auch das Reichsgericht in stehender Rechtsprechung angenommen hat, zur Erfüllung des Tatbestandes des einfachen Bankrotts eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der sog. Bankrotthandlung und der Zahlungseinstellung nicht, sondern es genügt eine tatsächliche Beziehung beider Tatsachen zueinander. (...)[97] Indessen hat doch die Zulässigkeit eines Nachfolgens der Bankrotthandlung eine bestimmte durch das Wesen des Delikts bedingte Grenze, auf welche der Art. 33 HGBs seinen Einfluss hat, weil sein Gebot für alle Kaufleute, nicht bloß für die im § 210 KO gedachten, gegeben, im Auge hat. Das Gesetz bedroht zwar den einfachen Bankrott mit Strafe, weil sich das Delikt als eine Gefährdung der Vermögensansprüche der Gläubiger darstellt. Das Interesse der Gläubiger ist daher auch der Grund, auf welchem sich die Grenzbestimmung aufbaut[98]; ist dasselbe erloschen so kann auch die erst demnächst begangene, sich an sich als Bankrotthandlung darstellende Tat nicht mehr strafbar werden. (...)[99] Indes ist nicht ausgeschlossen, dass ausnahmsweise auch nach diesem Zeitpunkte die Gläubiger ein vermögensrechtliches Interesse an dem Vorhandensein der Bücher haben. (...) Diese Feststellung (der Vorinstanz) lässt nicht erkennen, ob die Vorinstanz als erwiesen angenommen, dass die Gläubiger und aus welchem Grunde noch ein Interesse an dem Fortbestehen der Handelsbücher des Angeklagten gehabt, und dass ihre Vernichtung zu dieser Zeit noch geeignet war, die Vermögensrechte der Gläubiger zu gefährden, (...)[100]“.[101]
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Die Entscheidung der Vorinstanz wurde sonach aufgehoben, da für eine Anwendung des § 210 Nr. 2 KO der Nachweis erforderlich gewesen wäre, dass den Gläubigern infolge besonderer Umstände noch ein Interesse an den Büchern geblieben ist und die Handlung (konkret) „geeignet“ war, diese „Rechte“ der Gläubiger zu gefährden.[102]
d) Zusammenfassung
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Im Rahmen dieser Fallgruppe hing eine Bestrafung wegen Bankrotts besonders deutlich von einer konkreten Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen der Gläubiger ab. Der Hinweis darauf, dass eine Kausalbeziehung nicht erforderlich sein soll, war evident, da die Handlung ohnehin zeitlich nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch erfolgte. Das Reichsgericht bezieht sich auf das Erfordernis eines „vom Gesetz geforderten tatsächlichen Zusammenhang“, ohne dass sich ein solcher unmittelbar aus dem Normtext entnehmen lässt. Verstanden wird der Zusammenhang in dieser Fallgruppe als „Zusammentreffen Beider in dem Sinne, dass Handlung und Zusammenbruch tatsächlich nebeneinander Vorliegen“. Das Reichsgericht begründet das Erfordernis mit dem „Grund und Zweck der Strafvorschrift“, also der ratio legis der Norm. Das Delikt stelle sich als „Gefährdung der Vermögensansprüche oder der Vermögensrechte der Gläubiger“ dar, weshalb die Grenzbestimmung von den Interessen der Gläubiger abhänge. Erneut dient der Zusammenhang damit als Begrenzung des Anwendungsbereichs, allerdings weniger durch eine zeitliche Grenzziehung. Die Grenze der Strafbarkeit orientiert sich nur deshalb am Zeitpunkt des wirtschaftlichen Zusammenbruchs (Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung), da erst zu diesem Zeitpunkt „eine (konkrete?) Vermögensgefährdung der Gläubigeransprüche“ bestehe. Für die Frage, ab wann und bis wann eine unter die KO fallende Handlung des Schuldners einen strafbaren Bankrott begründet, sei entscheidend, inwieweit diese Handlung das „Gläubigerinteresse“ tangiert. Das Interesse der Gläubiger endet aber in der Regel mit Verfahrensbeendigung und (quotaler) Befriedigung. Nur wenn auch nach vollständig beendetem Konkursverfahren im Einzelfall ausnahmsweise irgendein berechtigtes Interesse der Gläubiger an der Vermeidung des von der Norm erfassten Verhaltens besteht, erscheint eine Bestrafung nach Ansicht des 4. Senats noch angemessen.
3. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Rahmen des § 210 Nr. 1 KO
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Im Rahmen der 3. Fallgruppe bezogen sich die Entscheidungen des RG und des BGH auf § 240 Nr. 1 KO,[103] welcher deckungsgleich mit dem einfachen Bankrott nach § 210 Nr. 1 KO war und bestandsbezogene Handlungen des Schuldners erfasste.
a) Die Entscheidung des 4. Senats des BGH vom 8.6.1920