§ 1 Einleitung › C. Charakteristika der Umsatzsteuer › I. Allphasen-Nettosteuer mit Vorsteuerabzug
I. Allphasen-Nettosteuer mit Vorsteuerabzug
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Die Umsatzsteuer wird häufig nach ihren wesentlichen Charakteristika beschrieben als Allphasen-Nettosteuer mit Vorsteuerabzug. Damit ist gemeint:
• | Die Umsatzsteuer ist eine Allphasensteuer, weil auch Leistungen in der Unternehmerkette der Umsatzsteuer unterliegen (wenn dort auch durch den Vorsteuerabzug regelmäßig im Ergebnis eine Neutralisierung stattfindet). Im Einführungsfall (Rn 10 ff) sind steuerbare und steuerpflichtige[5] Umsätze auch für die Lieferungen an die beiden Unternehmer G und E zu bejahen. In einem Einphasensystem würde dagegen Umsatzsteuer nur auf Leistungen an Nichtunternehmer anfallen („Einzelhandelssteuer“). Im Einführungsfall wäre danach nur die Lieferung an den Verbraucher V steuerbar. |
• | Die Umsatzsteuer ist eine Nettosteuer, weil Bemessungsgrundlage das Entgelt ist, aus dem die Umsatzsteuer herausgerechnet wird (§ 10 Abs. 1 S. 1, 2 UStG). In einem Bruttosystem wird die Umsatzsteuer dagegen auf den Bruttoerlös erhoben. |
• | Schließlich ist von einem Umsatzsteuer-System mit Vorsteuerabzug die Rede, weil ein Unternehmer (insbesondere) die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr 1 UStG als Vorsteuerbetrag abziehen kann. Der Vorsteuerabzug bewirkt, dass die Umsatzsteuer letztlich ausschließlich den nichtunternehmerischen (privaten) Verbrauch belastet, während sie im unternehmerischen Bereich ein „durchlaufender Posten“ ist. |
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Bis einschließlich 31.12.1967 lag dem deutschen USt-Recht ein anderes System zu Grunde: Es galt eine Allphasen-Bruttosteuer ohne Vorsteuerabzug. Es wurde also auf jeder Wirtschaftsstufe Umsatzsteuer erhoben, und zwar nach dem vollen Entgelt (ohne Herausrechnung der USt). Der Empfänger hatte keinen Vorsteuerabzug, auch in der Unternehmerkette gab es also eine (definitive) USt-Belastung.[6] In einer Kette, die die Urproduktion, die Weiterverarbeitung und den Handel umfasste, und die schließlich beim privaten Verbraucher endete, kumulierte die Umsatzsteuer und es wurde Umsatzsteuer auf Umsatzsteuer erhoben. Die Belastung war dadurch gelindert, dass der Steuersatz (zuletzt) nur 4 % betrug. Dennoch erklärte das BVerfG die frühere Regelung für verfassungswidrig.[7] Begründet wurde dies mit einer Verletzung der Wettbewerbsneutralität. Die Belastung mehrstufiger (produktionstiefer) Unternehmen sei geringer als die Belastung einstufiger (weniger produktionstiefer) Unternehmen. Darin liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gesetzgeber reagierte, indem er zum 1. Januar 1968 die Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug einführte.
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Zugleich diente die Reform der Umsetzung von Unionsrecht (s. dazu noch Rn 37 ff). Titel X. der MwStSystRL (Art. 167 ff MwStSystRL) regelt das Recht der Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH um ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Der Unternehmer solle dadurch vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleiste auf diese Weise die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen (Neutralitätsprinzip). Als „integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer“ könne das Recht auf Vorsteuerabzug durch die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht eingeschränkt werden.[8]
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Die Charakterisierung als Allphasen-Nettosteuer mit Vorsteuerabzug betrifft nur den Regelfall der Erhebung der Umsatzsteuer. Es gelten zahlreiche Ausnahmen, z. B.:
• | Nichtbesteuerung von Kleinunternehmern (§ 19 UStG, Rn 974); |
• | Differenzbesteuerung bei Reiseleistungen (§ 25 UStG, Rn 1024 ff) und Wiederverkäufern (§ 25a UStG, Rn 994 ff); |
• | Pauschalierung des Vorsteuerabzuges bei Land- und Forstwirten nach § 24 UStG (im Ergebnis führt die Regelung in den praktisch wichtigsten Fällen zu einer Ausnahme von der Umsatzbesteuerung, s. noch Rn 987 ff). |
§ 1 Einleitung › C. Charakteristika der Umsatzsteuer › II. Mehrwertsteuer
II. Mehrwertsteuer
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Die Umsatzsteuer wird im täglichen Sprachgebrauch oft „Mehrwertsteuer“ genannt. Das EU-Recht benutzt auch offiziell diesen Begriff (Mehrwertsteuersystemrichtlinie, MwStSystRL[9]). Die Bezeichnung als Mehrwertsteuer hat den Hintergrund, dass sich die USt-Zahllast regelmäßig nach dem Mehrwert richtet, den ein Steuerpflichtiger auf seiner Wirtschaftsstufe geschaffen hat (abgebildet im erzielten Mehrerlös). Dies beruht auf dem Vorsteuerabzug für die Umsatzsteuer auf Eingangsleistungen (§ 15 UStG, s. dazu Rn 695 ff).
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Dass als Ergebnis eines Vorsteuerabzugs nur ein Mehrwert effektiv besteuert wird, zeigt sich an unserem Einführungsfall (Rn 10 ff). Die Steuerzahllast[10] der Steuerschuldner H, G und E richtet sich dort jeweils nicht nach dem vollen erzielten Entgelt, sondern nach der vom jeweiligen Steuerschuldner erzielten Wertschöpfung (dem Mehrwert):
• | H zahlt € 19 USt, weil er als Hersteller einen Wert von € 100 schafft (hier wird zur Vereinfachung unterstellt, dass H keinerlei steuerpflichtige Eingangsleistungen bezogen hat). |
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Die Wertschöpfung auf der zweiten Stufe beläuft sich ebenfalls auf € 100, weil G für € 100 netto kauft und für € 200 netto verkauft. Seine USt-Zahllast beträgt
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