Grundrechte. Daniela Schroeder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniela Schroeder
Издательство: Bookwire
Серия: JURIQ Erfolgstraining
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783811491663
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Gewalt einzuhalten hat.

      Hinweis

      Das sog. Untermaßverbot bildet quasi das Gegenstück zum sog. Übermaßverbot (s. dazu unten Rn. 143). Beim Untermaßverbot darf der Staat bei seinem Verhalten nicht unterhalb eines gewissen Levels bleiben, andernfalls verletzt er seine Pflichten („er darf nicht untertreiben“); beim Übermaßverbot darf er nicht ein gewisses Level überschreiten, andernfalls verletzt er seine Pflichten („er darf nicht übertreiben“).

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      Wie wird das erforderliche Minimum an Schutz und Förderung, das die öffentliche Gewalt gewährleisten muss, bestimmt? Anerkannt ist, dass die öffentliche Gewalt insoweit einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum besitzt. In der Regel ist die öffentliche Gewalt daher nicht verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen. Die öffentliche Gewalt verletzt ihre Schutzpflichten vielmehr nur, wenn die von ihr ergriffenen Maßnahmen vollkommen unzureichend sind. Für die Beurteilung der Frage, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichend sind oder nicht, sind neben den Rechtsgütern des betroffenen Grundrechtsberechtigten auch sonstige Interessen (z.B. die Grundrechte Dritter) zu berücksichtigen.

      Der Industrielle und Arbeitgeberpräsident S wird in K auf offener Straße von Terroristen entführt. Sie fordern die Freilassung von Gesinnungsgenossen und drohen, S andernfalls zu töten. Die Bundesregierung bemüht sich vielfältig, S freizubekommen. Auf die Forderung der Terroristen, Gesinnungsgenossen freizulassen, will sie sich aber nicht einlassen. – Die Bundesregierung unterliegt der sich aus dem Grundrecht auf Leben erwachsenden Pflicht, das dort garantierte Rechtsgut Leben zu schützen. Durch die Entführung des S ist dieses Rechtsgut gefährdet. Fraglich ist, ob die Bundesregierung das Untermaßverbot beachtet hat. Die Bundesregierung hat grundsätzlich einen weiten Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Maßnahmen, die sie zur Erfüllung ihrer Schutzpflicht ergreift. Das Untermaßverbot verletzt sie daher nur, wenn sie vollkommen unzureichend handelt. Davon kann hier keine Rede sein, denn die Bundesregierung hat sich vielfältig bemüht, S freizubekommen. Der Forderung der Entführer, Gesinnungsgenossen freizulassen, muss die Bundesregierung nicht nachkommen.

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      Dieses klassische Beispiel für eine staatliche Schutzpflicht erleichtert Ihnen nun das Verständnis dafür, wie Sie eine mögliche Schutzpflichtverletzung in der Fallbearbeitung prüfen. Es empfiehlt sich eine Prüfung in drei Schritten:

      1. Im ersten Schritt untersuchen Sie, ob ein schutzfähiges Rechtsgut vorliegt. Da mittlerweile anerkannt ist, dass jedes in einem Freiheitsrecht garantierte Rechtsgut schutzfähig ist, können Sie diesen Prüfungspunkt schnell abhaken.

      2. Liegt somit ein schutzfähiges Rechtsgut vor, prüfen Sie im zweiten Schritt, ob das geschützte Rechtsgut gefährdet ist.

      3. Ist dies der Fall, gehen Sie im dritten Schritt der Frage nach, ob die öffentliche Gewalt das Untermaßverbot beachtet hat. Sie untersuchen, ob die öffentliche Gewalt ihre Schutzpflicht in ausreichendem Maße erfüllt hat. Beachten Sie dabei, dass die öffentliche Gewalt insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum hat und gegen das Untermaßverbot nur und erst dann verstößt, wenn sie völlig unzureichende Maßnahmen ergreift.

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      Im Bereich der Schutzpflichten kann sich das Problem stellen, ob die öffentliche Gewalt auch verpflichtet sein kann, einen Grundrechtsberechtigten vor sich selbst zu schützen. Das Problem besteht darin, dass die staatliche Schutzpflicht hier mit dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kollidieren kann. Bei der Lösung dieses Problems muss differenziert werden: Bei Selbstgefährdungen wird tendenziell das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und bei echten Gefahren (z.B. Suizid) tendenziell die staatliche Schutzpflicht (bei Suizid aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG – Rechtsgut Leben) Vorrang haben.

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      Beispiel

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