32
Der Gesetzgeber darf aber außerhalb des wesensmäßigen Kernbereichs aktiv sein und eine Einrichtungsgarantie verändern. Hier besteht dann allerdings die Gefahr, dass der Gesetzgeber die Einrichtungsgarantien durch kleinere negative Rechtsveränderungen, die nicht für sich, aber in ihrer Summe spürbar sind, schleichend aushöhlt.[31]
bb) Unterscheidung zwischen institutionellen Garantien und Institutsgarantien
33
Herkömmlich wird bei den Einrichtungsgarantien zwischen sog. institutionellen Garantien und sog. Institutsgarantien unterschieden.
(1) Institutionelle Garantien
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Institutionelle Garantien entziehen öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Disposition des Gesetzgebers.
35
Die institutionellen Garantien beziehen sich auf öffentlich-rechtliche Normenkomplexe.
(2) Institutsgarantien
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Institutsgarantien entziehen privat-rechtliche Einrichtungen der Disposition des Gesetzgebers.
Die Institutsgarantien beziehen sich auf privat-rechtliche Normenkomplexe. Zu den Institutsgarantien gehören z.B. die Ehe und die Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), die elterliche Sorge (Art. 6 Abs. 2 GG), die Privatschule (Art. 7 Abs. 4 GG), das Eigentum und das Erbrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG).
37
Umstritten ist, ob Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG das Institut der freien Presse gewährleistet. Die Befürworter, zu denen auch das Bundesverfassungsgericht gehört,[32] vertreten die Auffassung, eine freie Presse, insbesondere eine freie politische Presse, sei ein Wesenselement der modernen Demokratie. Die Presse habe eine „öffentliche Aufgabe“, die keinesfalls von der öffentlichen Gewalt erfüllt werden könne. Mit der Anerkennung des Instituts der freien Presse erhalte diese eine Rechtsstellung in der Verfassung, die ihrer Funktion im demokratischen Staat entspreche. Dem wird aber entgegengehalten, die freie Presse sei weder ein privatrechtliches Institut noch eine öffentlich-rechtliche Institution, sondern ein rein gesellschaftlicher Befund, weshalb Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG kein Institut der freien Presse garantiere.[33]
JURIQ-Klausurtipp
In der Fallbearbeitung kommt es entscheidend darauf an, dass Sie den Meinungsstreit als solchen kennen und ihn fallbezogen darstellen. Welcher Meinung Sie folgen, entscheiden Sie selbst. Wichtig ist, dass Sie eigenständig und folgerichtig am konkreten Fall argumentieren. Wenn allerdings das Bundesverfassungsgericht – wie hier – bereits mehrfach entschieden hat, dass Art 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG die freie Presse als Institut garantiert, müssen Sie schon gute Argumente bringen, um dieser Ansicht überzeugend entgegenzutreten.
38
Institutsgarantien können bei der Prüfung von Abwehrrechten relevant werden, nämlich dann, wenn der Staat derart schwerwiegend in das Abwehrrecht eingreift, dass von diesem Recht substantiell nichts mehr übrig bleibt. In unserem Beispiel oben (Rn. 31) bleibt wegen der drastischen Erhöhung der Erbschaftssteuer und der dadurch bedingten übermäßigen Belastung des Erben von der Privatrechtserbfolge, die Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als Bestandteil des Instituts Erbrecht an sich garantiert, substantiell nichts mehr übrig. Das Institut Erbrecht ist dadurch in seinem wesensmäßigen Kernbereich berührt. Deshalb ist das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verletzt.
b) Staatliche Schutzpflichten
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Bei den in den einzelnen Grundrechten geschützten Rechtsgütern wie Leben, Gesundheit, Familie, Eigentum oder Beruf erschöpft sich der Grundrechtsschutz längst nicht mehr nur in der Abwehr staatlicher Eingriffe, also in der subjektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte. Vielmehr ist die öffentliche Gewalt selbst verpflichtet, die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter gegen Beeinträchtigungen durch private Dritte, durch nichtdeutsche staatliche Stellen, durch Naturgewalten etc. zu schützen.[34] Daneben hat die öffentliche Gewalt die durch die Grundrechte geschützten Rechtsgüter auch zu fördern, damit sie für den Einzelnen tatsächlich Wirkung entfalten. Die öffentliche Gewalt muss sich daher „schützend und fördernd vor die Grundrechte“ stellen (sog. staatliche Schutzpflichten).[35]
Beispiel
Die öffentliche Gewalt ist aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet, das werdende Leben auch im Mutterleib, ggf. durch Einsatz des Strafrechts, zu schützen.[36] Auch in anderen Fällen ist die öffentliche Gewalt aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zum Schutz des Lebens und der Gesundheit seiner Bürger verpflichtet.[37]
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Dass Grundrechte auch eine solche Schutzfunktion besitzen, kommt generell in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zum Ausdruck, nach dem alle staatliche Gewalt verpflichtet ist, die Würde des Menschen als höchstes Gut „zu achten und zu schützen“. Bei einigen Grundrechten erkennen Sie die Schutzfunktion bereits auch am Wortlaut des Grundrechts. Diese Grundrechte enthalten ausdrücklich objektive Schutzaufträge (z.B. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG). Ansonsten ist es inzwischen anerkannt, dass die öffentliche Gewalt verpflichtet ist, jedes in einem Freiheitsrecht garantierte Rechtsgut zu schützen und zu fördern.[38]
Beispiel
Beispiel betr. die friedliche Demonstration vor dem Brandenburger Tor (s.o. Rn. 4). Die öffentliche Gewalt ist aufgrund der ihr aus dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit erwachsenden Schutzpflicht (grundsätzlich) verpflichtet, die Ausübung des Grundrechts durch die Versammlungsteilnehmer so weit wie möglich zu schützen. Um eine möglichst ungehinderte Versammlung zu gewährleisten, muss die öffentliche Gewalt daher u.a. in erster Linie gegen diejenigen Personen vorgehen, die die friedliche Versammlung torpedieren wollen, d.h. in unserem Beispiel gegen die Autolobbyisten.
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Ist die öffentliche Gewalt nach dem bisher Gesagten zum Schutz und zur Förderung der grundrechtlich garantierten Rechtsgüter verpflichtet, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die öffentliche Gewalt diese Verpflichtung zu erfüllen hat. Insoweit ist anerkannt, dass die öffentliche Gewalt