b) Grundrechte als Leistungsrechte
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Im Gegensatz zu den Freiheitsrechten sind die Leistungsrechte primär auf ein aktives Handeln der öffentlichen Gewalt zugunsten des Einzelnen gerichtet. Denn heutzutage gibt es durchaus Lebensbereiche, in denen der Einzelne auf das vorherige Tätigwerden des Staates angewiesen ist, um anschließend das Grundrecht (überhaupt erst) ausüben zu können. Bei den Leistungsrechten geht es damit in erster Linie um Leistungsansprüche des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt. Merke: Leistungsrechte gewähren „Schutz durch den Staat“.
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Leistungsansprüche des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt sind von Bedeutung, wenn der Einzelne die Einrichtung von, den Zugang zu oder die Gewährung von staatlichen Leistungen begehrt. Dies gilt vor allem, wenn der Staat bei bestimmten Einrichtungen ein (Quasi-)Monopol innehat.
Beispiel
Ein Studierwilliger ist in Deutschland regelmäßig auf die staatliche Bereitstellung von Studienplätzen angewiesen, um sein Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ausüben zu können.
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Innerhalb der Leistungsrechte wird zwischen den originären Leistungsrechten und den derivativen Leistungsrechten (Teilhaberechten) unterschieden.
aa) Originäre Leistungsrechte
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Originäre Leistungsrechte begründen echte Leistungsansprüche gegen die öffentliche Gewalt. Bei ihnen bildet das Grundrecht selbst die Grundlage für einen Anspruch auf Leistung gegen die öffentliche Gewalt. Als „originär“ werden diese Leistungsrechte deshalb bezeichnet, weil sie etwas hervorbringen, was vorher noch nicht vorhanden war.[17]
Beispiel
Gemäß Art. 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
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Ob es sich bei einem Grundrecht um ein originäres Leistungsrecht handelt, lässt sich anhand seines Wortlauts feststellen (z.B. Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5, Art. 7 Abs. 4 S. 1, Art. 16a Abs. 1, Art. 17, Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1 GG).[18]
21
Was macht ein Grundrecht als originäres Leistungsrecht konkret aus? Diese Frage lässt sich am Beispiel des „Klassikers“ der originären Leistungsrechte anschaulich beantworten: Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet die Privatschulfreiheit, d.h. das Recht, Privatschulen zu errichten und zu betreiben. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates (vgl. Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG). Gemäß Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn u.a. eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Um diese Voraussetzung aus eigener Kraft erfüllen zu können, ist die Privatschule in der Regel darauf angewiesen, Schulgeld von ihren Schülern zu verlangen. Gerade die Erhebung von Schulgeld birgt aber die Gefahr, dass die Schüler nach den Besitzverhältnissen gesondert werden. Somit könnte sich die Privatschulfreiheit als ein Grundrecht erweisen, das nur auf dem Papier verbürgt ist und praktisch leer läuft. Um dies zu verhindern, hat das Bundesverfassungsgericht[19] entschieden, dass Privatschulen gegen die öffentliche Gewalt einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung aus Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG haben (Stichwort: „Privatschulfinanzierung“). Dadurch ist sichergestellt, dass die Privatschule die Gleichwertigkeit mit öffentlichen Schulen gewährleisten kann und eine Sonderung von Schülern nach ihren Besitzverhältnissen ausgeschlossen ist.
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Wie das Privatschulfinanzierungsbeispiel oben (Rn. 21) zeigt, sind mit originären Leistungsrechten erhebliche finanzielle Belastungen der öffentlichen Hand verbunden. Da die öffentliche Hand keine unerschöpflichen finanziellen Ressourcen hat, die Haushaltsmittel vielmehr immer nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen, kann es originäre Leistungsrechte im Grundgesetz nur ausnahmsweise geben. Denn ein Mehr an finanziellen Aufwendungen für eine bestimmte Leistungsverpflichtung zwingt die öffentliche Gewalt zwangsläufig dazu, bei anderen Verpflichtungen zu sparen. Wenn dadurch die Ausübung anderer Grundrechte ins Leere liefe, könnte dies den freiheitlichen Charakter des Grundgesetzes gefährden. Selbst ausnahmsweise anerkannte originäre Leistungsrechte bestehen nicht unbegrenzt. Gerade wegen der möglicherweise erheblichen finanziellen Belastungen, die die öffentliche Gewalt für die Erfüllung dieser Rechte auf sich nehmen muss, und der damit verbundenen Gefahr einer finanziellen Überbelastung des Staatshaushaltes stehen die originären Leistungsrechte immer unter dem „Vorbehalt des Möglichen“, d.h. der Einzelne kann nur fordern, was er „vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann“.[20] Was der Einzelne insoweit beanspruchen kann, bestimmt in erster Linie der Gesetzgeber unter Berücksichtigung seiner anderweitigen Verpflichtungen.[21]
Stellt man die Erfüllung originärer Leistungsrechte allerdings immer unter den „Vorbehalt des Möglichen“, werden die originären Leistungsrechte hierdurch permanent relativiert, so dass ihre normative Kraft gefährdet werden kann.[22] Dies alles spricht dafür, originäre Leistungsrechte generell nur unter größter Zurückhaltung anzunehmen.
JURIQ-Klausurtipp
In der Fallbearbeitung werden Ihnen originäre Leistungsrechte nur ausnahmsweise begegnen. Dann gehen Sie bei Ihrer Prüfung in zwei Schritten vor:
1. | Zuerst untersuchen Sie, ob eine Anspruchsgrundlage für die staatliche Leistung existiert. Bei den originären Leistungsrechten bilden die Grundrechte selbst die Anspruchsgrundlage. Ob ein Grundrecht taugliche Anspruchsgrundlage ist, ergibt sich aus seinem Wortlaut. |
2. | Existiert eine Anspruchsgrundlage, besteht der Anspruch auf die staatliche Leistung nur vorbehaltlich des Möglichen. Im zweiten Prüfungsschritt sollten Sie daher auf das Problem hinweisen, dass durch den „Vorbehalt des Möglichen“ die normative Kraft des Grundrechts gefährdet werden kann. Das Problem lösen Sie anschließend, indem Sie auf die grundrechtliche Gewährleistung unter Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit abstellen und die widerstreitenden Interessen abwägen (einerseits das Interesse des Anspruchstellers auf die staatliche Leistung, andererseits die öffentlichen Interessen [z.B. finanzielle Belange] und ggf. privaten Interessen [z.B. Belastungen Dritter]). |
bb) Derivative Leistungsrechte
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Im Gegensatz zu den originären Leistungsrechten handelt es sich bei den derivativen Leistungsrechten um Teilhaberechte. Hat der Staat Einrichtungen oder Förderungs- und Leistungssysteme geschaffen, die die Ausübung von Grundrechten erleichtern oder u.U. überhaupt erst ermöglichen, bedeutet Grundrechtsschutz für den Einzelnen Teilhabe am Vorhandenen.[23] Anders als die originären Leistungsrechte leiten sich Teilhaberechte vom bereits Bestehenden ab.[24]
Beispiel
P hat im