Geht es um den Einsatz eines Kraftfahrzeuges, ist zu differenzieren: Die Gemeingefährlichkeit ist etwa zu bejahen, wenn der Täter „zügig“ über Caféterrassen und Gehwege fährt und es dabei nicht in der Hand hat, wie viele der sich dort aufhaltenden Menschen er als „Repräsentanten der Allgemeinheit“ gefährdet.[88] Ist es dagegen in der konkreten Tatsituation ausgeschlossen, dass über das ausersehene Opfer hinaus andere Personen gefährdet werden, lenkt der Täter das Fahrzeug z.B. auf eine neben der Straße befindliche leere Grünfläche, so setzt er es nicht gemeingefährlich ein.[89]
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Ebenfalls genügt es nicht, wenn der Täter nur eine bereits vorgefundene gemeingefährliche Situation zur Tat ausnutzt. Insofern ist es gleichgültig, auf welche Weise diese Lage entstanden ist. Abzulehnen ist hingegen die Ansicht, das Mordmerkmal des „gemeingefährlichen Mittels“ sei generell durch ein Unterlassen nicht zu verwirklichen, weil es dann nicht „eingesetzt“ werde.[90] Denn zumindest dann, wenn der Täter selbst – noch ohne Tötungsvorsatz – der Gefahrenverursacher ist und ihm hieraus eine Garantenstellung erwächst, ist nicht ersichtlich, weshalb sein garantenpflichtwidriges Unterlassen, die von ihm als unkontrollierbar erkannte Gefahr abzuwenden, das in Rede stehende Mordmerkmal nicht erfüllen soll.[91]
1. Vorsatz
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In Bezug auf die Tötung eines Menschen genügt bedingter Vorsatz. Insoweit sind die zum § 212 dargestellten Maßstäbe (vgl. § 1 Rn. 12 f.) bei Mord ebenfalls anzulegen.
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Bedingter Vorsatz reicht nach h.M. auch als subjektive Entsprechung der objektiven Mordmerkmale aus.[92] Der Täter muss aber insbesondere die Umstände kennen, aus denen die Gemeingefährlichkeit des eingesetzten Tatmittels folgt. Ebenso verhält es sich bei der Bewertung einer Tötung als heimtückisch oder grausam.[93] Der Täter muss jedoch zur Einschätzung seiner Tat als sozialethisch unerträglich nicht selbst gelangen.[94]
Merke:
Für Heimtücke ist es zudem erforderlich, dass der Täter die Situation, aus der sich vor allem die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ergibt, bewusst zur Tötung ausnutzt.[95] Anzustreben braucht er die Arglosigkeit nicht,[96] auch längerer Überlegung oder planvollen Vorgehens bedarf es nicht.[97]
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Das Ausnutzungsbewusstsein kann daher bereits bejaht werden, wenn es aufgrund des objektiven Tatbildes „auf der Hand“ liegt, dass der Täter alle wesentlichen Umstände erfasst hat.[98] Ist seine Unrechtseinsicht unbeeinträchtigt, so gilt dies regelmäßig in gleicher Weise für die Fähigkeit, die Tatsituation realistisch einzuschätzen.[99] Hieran kann er freilich u.a. aufgrund seiner psychischen Verfassung gehindert sein, wenn er beispielsweise aus plötzlich aufsteigender Verbitterung und Wut,[100] in einer verzweifelten und affektiv angespannten Lage[101] oder unter einem verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21) herbeiführenden Einfluss von Alkohol und Medikamenten[102] oder einer psychischen Erkrankung handelt.[103] Ein Ausnutzungsbewusstsein liegt auch bei demjenigen fern, der seine Tat wenige Minuten oder direkt zuvor angekündigt hat und daher regelmäßig nicht mehr damit rechnen wird, sein Opfer werde noch arglos sein.[104] Anders kann es sein, wenn der Täter ungeachtet der Drohung seinem Opfer auflauert, um es mit dem Angriff zu überraschen.[105] Die strenge Prüfung dieser Voraussetzung stellt – besonders in der Praxis – ein wichtiges Instrument der gebotenen restriktiven Auslegung dieses Mordmerkmals dar (vgl. Rn. 40).
Beachte:
Hat die Prüfung zur Annahme lediglich bedingten Tötungsvorsatzes geführt, scheidet Mordlust als Tatmodalität stets aus (vgl. Rn. 57). Auch die Begehung einer Tötung in Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs sowie aus Habgier ist damit unter bestimmten Umständen nicht kompatibel (vgl. Rn. 60, 64 und 83 f.).
a) Mordlust
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Die Tötung aus Mordlust stellt – ebenso wie die zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und die aus Habgier (vgl. Rn. 58 ff. und 62 ff.) – ein gesetzliches Beispiel sog. niedriger Beweggründe dar (vgl. Rn. 70 ff.). Im Unterschied zu den sonstigen Modalitäten der 1. Gruppe verfolgt der Täter hier jedoch keinen über das Töten selbst hinausgehenden Zweck. Mit diesem Merkmal sollen vielmehr Fälle erfasst werden, bei denen kein in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlass die Tat bestimmt.[106]
Merke:
Aus Mordlust tötet, wem es auf nichts weiter als nur darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen.[107]
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Dies ist etwa bei einer Tötung eines „Zufallsopfers“ aus reinem Mutwillen anzunehmen.[108] Gleiches gilt, wenn jemand einen Menschen aus Angeberei, aus Neugier oder zum Zeitvertreib tötet oder die Tat als nervliches Stimulans oder als „sportliches Vergnügen“ betrachtet.[109]
Beispiele:
A und B beschließen, die C zu töten, „weil es ihnen Spaß macht, andere zu schlagen und ihrer Gewalttätigkeit ausgeliefert zu sehen“. Sie versetzen C Faustschläge in das Gesicht, zertrümmern eine Weinflasche auf ihrem Kopf, fesseln sie, treten ihr mehrfach „aus Freude an Gewalt“ in die Rippen und versuchen mit einer Gartenschere, ihr den Bauch aufzuschneiden. Schließlich strangulieren sie C.[110]
D verbrennt E, „weil er wissen will, wie es ist, einen Menschen zu töten“.[111]
Der den Gedanken an die Tötung eines Menschen für „spannend“ haltende F ersticht G, weil er herausfinden möchte, „ob er die eigenhändige Tötung eines Menschen ertragen könne“.[112]
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Eine Tötung unterfällt aber nicht schon deshalb diesem Merkmal, weil ein Motiv für sie nicht feststellbar ist.
Beachte:
Da der Tod bei diesem Merkmal vom Täter ,,bezweckt“ sein muss, kommt Mordlust dann nicht mehr in Betracht, wenn hinsichtlich des Todeseintritts nur bedingter Vorsatz festgestellt worden ist.[113]
b) Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
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Dieses Mordmerkmal erfüllt, wer das Töten als ein Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benutzt.[114] Es erfasst anerkanntermaßen drei unterschiedliche Fallgestaltungen.