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Merke:
Der Bundesgerichtshof hat dies neuerdings dahin präzisiert, dass die feindselige Willensrichtung grundsätzlich nur dann fehlen kann, wenn die Tötung dem ausdrücklichen Willen des Opfers entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht.[46]
Beispiel:
A verabreicht dem schwerkranken B – auf dessen Wunsch – aus Mitleid eine tödliche Injektion, um ihm weiteres Leiden und einen schweren Todeskampf zu ersparen.[47]
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In diese Richtung gehende Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise „positiv motivierte“ Tötung lassen sich dem Sachverhalt nicht entnehmen, so dass A nach dieser Auffassung heimtückisch getötet hat.
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(2) Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof die sog. Rechtsfolgenlösung entwickelt.[48] Diese bezieht sich ausschließlich auf das Merkmal der Heimtücke.[49] Denn ihre Anwendung auf andere Mordmerkmale ist weder von Verfassungs wegen noch einfachgesetzlich geboten.[50] Dieser Ansatz eröffnet trotz Erfüllung des Mordtatbestands die Möglichkeit, in „Grenzfällen“ im Wege einer analogen Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 eine zeitige Freiheitsstrafe von drei bis zu fünfzehn Jahren zu verhängen. Dafür sind allerdings Entlastungsfaktoren erforderlich, die nicht lediglich nach § 213 Berücksichtigung finden würden, sondern den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben,[51] d.h. der Bundesgerichtshof wollte nicht allgemein einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle einführen.[52] Auch darf auf diese „außerordentliche“ Strafrahmenverschiebung erst zurückgegriffen werden, wenn eine solche nicht schon durch einen gesetzlich vertypten Milderungsgrund möglich ist.[53] Für diesen Ansatz sprechen diese Argumente:
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– | In Fällen, in denen aufgrund sog. vertypter Milderungsgründe (z.B. §§ 13 Abs. 2, 17 Abs. 2, 21, 23 Abs. 2) eine Strafmilderung vorgeschrieben oder zugelassen ist, tritt an die Stelle lebenslanger eine zeitige Freiheitsstrafe. Vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene, aber außergewöhnliche Entlastungsfaktoren können bei wertender Betrachtung dieselbe Wirkung haben. |
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– | Diese Lösung ermöglicht in allen in Betracht kommenden Heimtückefällen die Verhängung der schuldangemessenen Strafe, ohne in die allgemeine Dogmatik zum § 211 einzugreifen. |
Aufbau- und Vertiefungshinweis:
Durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motivierte, in großer Verzweiflung begangene, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ aufgrund einer schweren Provokation verübte Taten können solche Umstände aufweisen, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben.[54] – Die Prüfung der Rechtsfolgenlösung des Bundesgerichtshofs hat am Ende des den § 211 betreffenden Teils zu erfolgen, d.h. nach der Schuld, da es insoweit allein um den Strafausspruch geht.
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Derart „notstandsnahe“ Tatmotive des A sind im Beispielsfall ohnehin nicht ersichtlich.
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(3) Das Schrifttum fordert dagegen für die Heimtückemodalität überwiegend einen (besonders) verwerflichen Vertrauensbruch, d.h. der Täter muss ihm entgegengebrachtes Vertrauen bewusst missbrauchen.[55] Das Ausnutzen eines Vertrauensverhältnisses – vor allem, aber nicht nur aus persönlichen Bindungen – berechtigt zum Vorwurf gesteigerter Verwerflichkeit der Tat. Hierfür wird dieses Argument vorgebracht:
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– | Dieser Ansatz verhindert, dass „jeder Überfall auf einen Ahnungslosen“ einen Totschlag zum Mord macht (vgl. Rn. 20), und ermöglicht somit, dass § 211 nur „höchstverwerfliche“ Tötungen erfasst. |
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Will man es für einen derartigen Vertrauensbruch nicht schon genügen lassen, dass das Opfer allgemein vom „Wohlwollen seiner Umgebung“ ausgeht und diese Erwartung widerlegt wird, so fehlt es im Beispielsfall an einem den besonderen Mordunwert (vgl. Rn. 1) begründenden Vertrauensbruch des A gegenüber B, so dass nur § 212 erfüllt ist.
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(4) Eine andere Meinung will trotz heimtückischer Begehungsweise Mord verneinen, wenn eine Tötungshandlung aufgrund umfassender Gesamtwürdigung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit als nicht besonders verwerflich erscheint (sog. negative Typenkorrektur). Dieses Korrektiv soll – im Unterschied zum Vorschlag des Vertrauensbruchs (vgl. Rn. 31 ff.) – nicht auf Heimtücke beschränkt sein.[56] Es wird auf folgendes Argument gestützt:
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– | Die negative Typenkorrektur erlaubt eine flexible Erfassung vorsätzlicher Tötungen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit trotz „formaler“ Verwirklichung eines Mordmerkmals. |
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Gesichtspunkte, die im Beispielsfall gegen die besondere Verwerflichkeit der Tötung des B durch A sprechen könnten, enthält der Sachverhalt nicht.
(5) Stellungnahme:
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– | Die negative Typenkorrektur vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie sich auf sämtliche Mordmodalitäten bezieht. Dessen bedarf es nicht, da die meisten Merkmale – auch unter verfassungsrechtlichem Aspekt –[57] eng genug gefasst sind. Der „korrigierende“ Ansatz ist aber auch dann abzulehnen, wenn man ihn auf die Heimtücke beschränkt. Denn der bezeichnete Maßstab der (besonderen) Verwerflichkeit ist als tatbestandsbegrenzendes Moment mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG zu unbestimmt.[58] |
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– | Der letztgenannte Einwand greift auch gegen das vorgeschlagene Kriterium des Vertrauensbruchs durch, zumal auch in Bezug darauf eine Prüfung besonderer Verwerflichkeit erfolgen soll.[59] Zudem zieht dieser Ansatz das kaum verständliche Ergebnis nach sich, dass Heimtücke ausscheidet, weil zwischen Täter und Opfer bis zur Tat keine persönliche Beziehung bestanden hat (vgl. Rn. 33).[60] |
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