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In Prüfungsaufgaben ist vor allem das zwischen Bundesgerichtshof und Lehre umstrittene Verhältnis zwischen § 211 und § 212 relevant (vgl. § 1 Rn. 1 f.). Handelt es sich nämlich bei Mord um einen eigenständigen Tatbestand, so sind die Merkmale des § 211 Abs. 2 strafbegründend. Qualifizieren sie dagegen § 212, so haben sie (lediglich) strafschärfende Wirkung.
Beachte:
Diese Unterscheidung wirkt sich nur bei den Modalitäten der 1. und 3. Gruppe aus (vgl. Rn. 3 f.).[218] Denn sie werden von der h.M. zu Recht als besondere persönliche Merkmale i.S. des § 28 eingestuft.[219]
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Wer dem Bundesgerichtshof folgt, hat also § 28 Abs. 1 zu prüfen.[220] Nach Ansicht der Lehre ist § 28 Abs. 2 anwendbar.[221]
Vertiefungshinweis:
Die Milderung des § 28 Abs. 1 versagt der Bundesgerichtshof schon dann, wenn Täter und Teilnehmer zwar unterschiedliche, letztlich aber Modalitäten „gleicher Art“ erfüllt haben (sog. Kreuzung der Mordmerkmale; vgl. das Beispiel in der Übersicht Rn. 92).[222]
90
Für die tatbezogenen Umstände der 2. Gruppe (vgl. Rn. 3) reicht es dagegen aus, dass ein Beteiligter sie in seinen Vorsatz (§ 16 Abs. 1) aufgenommen hat.[223] Die Akzessorietätsdurchbrechung nach § 28 gilt insoweit nicht.[224]
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Hinsichtlich der Versuchsstrafbarkeit weist § 211 gegenüber § 212 keine relevanten Besonderheiten auf. Es wird daher auf die dortige Darstellung verwiesen (vgl. § 1 Rn. 22).[225]
92
Das Gleiche gilt für die Konkurrenzen zu den Körperverletzungsdelikten (vgl. § 1 Rn. 23). Das Verhältnis zu § 212 hängt von der Entscheidung des diesbezüglich zwischen Bundesgerichtshof und Lehre bestehenden Streits ab (vgl. § 1 Rn. 1 f.). Verwirklicht der Täter mit einer Handlung mehr als ein Mordmerkmal, so stehen die Modalitäten nicht in Tateinheit zueinander, sondern stellen nur verschiedene Begehungsformen derselben Tat dar. Mit § 239 kann Tateinheit bestehen,[226] ebenso mit § 244,[227] zudem mit § 251, nachdem das 6. StrRG klargestellt hat, dass die Todesfolge „wenigstens“ leichtfertig herbeigeführt worden sein muss (vgl. § 40 Rn. 44),[228] und mit den §§ 306b, 306c,[229] wegen der dortigen Subsidiaritätsklausel aber nicht mit § 246 (vgl. § 37 Rn. 33 ff.).[230]
Übersicht zu den §§ 211, 212, 28 am Beispiel des besonderen persönlichen Merkmals Habgier | ||
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Sachverhalt | Strafbarkeit nach BGH | Strafbarkeit nach h.L. |
Täter tötet aus Habgier | § 211 | § 211 |
Teilnehmer weiß davon | §§ 211, 26/27, 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 | §§ 212, 26/27, 28 Abs. 2 |
Täter tötet aus Habgier | § 211 | § 211 |
Teilnehmer weiß nichts davon | §§ 212, 26/27 | §§ 212, 26/27 |
Täter tötet aus Habgier | § 211 | § 211 |
Teilnehmer handelt aus Habgier | §§ 211, 26/27 | §§ 211, 26/27 |
Täter tötet aus Habgier | § 211 | § 211 |
Teilnehmer handelt aus Mordlust | §§ 211, 26/27 („Kreuzung“) | §§ 211, 26/27, 28 Abs. 2 |
Täter tötet ohne Mordmerkmal | § 212 | § 212 |
Teilnehmer handelt aus Habgier | §§ 212, 26/27 | §§ 211, 26/27, 28 Abs. 2 |
Vertiefungshinweis:
Erfolgt eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe, so hat das Gericht zugleich – nicht erst die für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung zuständige Strafvollstreckungskammer –[231] festzustellen, ob die Schuld des Täters besonders schwer wiegt (§ 57a Abs. 1 Nr. 2). Dies erfordert eine zusammenfassende Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit.[232] Dabei ist § 46 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.[233]
D. Kontrollfragen
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1. | An welcher Stelle des üblichen Aufbaus sind die Mordmerkmale zu prüfen? → Rn. 4 |
2. | Welche Grundanforderungen werden an die Heimtücke gestellt? → Rn. 9 ff. |
3. | Welche ergänzenden Voraussetzungen werden in Bezug auf Heimtücke verlangt? → Rn. 20 ff. |
4. | Warum wird eine Eingrenzung des Heimtückebegriffs für notwendig gehalten? → Rn. 20 f. |
5. | Welche Einwände lassen sich gegen die einzelnen Ansätze erheben? → Rn. 37 ff. |
6. | Auf welches Verhalten muss sich die Grausamkeit beziehen? → Rn. 42 f. |
7. | Wann ist ein Tatmittel gemeingefährlich? → Rn. 47 |
8. |
Ist die Annahme
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