b) Ergänzungsaufgaben
237
Der Kreis übernimmt ergänzend Angelegenheiten dann, wenn die Gemeinden diese mangels ausreichender Leistungskraft nicht selbst erfüllen können[706] bzw. im Hinblick auf die Anforderungen an eine sachgerechte Aufgabenerfüllung überfordert sind[707]. Beispiele dafür sind die Unterhaltung von Volkshochschulen oder anderen Weiterbildungsinstitutionen sowie von Jugendeinrichtungen[708]. Bloße Bestrebungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit oder Angleichung der Leistungsniveaus rechtfertigen die Ausübung dieser Kompetenz indes nicht[709]. Da für jede kreisangehörige Gemeinde die Verwaltungskraft gesondert zu beurteilen ist, sind ergänzende Aufgaben nicht zwingend kreisweit gegeben; erst recht fehlt es insoweit an einem einheitlichen Aufgabenbestand aller Kreise eines Landes[710]. Umstritten ist, ob die Wahrnehmung von Ergänzungsaufgaben eine gesetzliche Ermächtigung erfordert. Dafür spricht, dass diesen Aufgaben die Überörtlichkeit nicht „naturgemäß“, sondern wegen mangelnder Finanz- und/oder Verwaltungskraft der Gemeinden erhalten.[711]
c) Ausgleichsaufgaben
238
Ausgleichsaufgaben sind dadurch geprägt, dass eine Aufgabenerledigung auf Gemeindeebene durch den Kreis lediglich technisch, logistisch oder beratend unterstützt wird[712]. Im Unterschied zu Ergänzungsaufgaben bleibt die Gemeinde hier nach außen unverändert Aufgabenträger, während der Landkreis sich auf interne Unterstützung beschränkt[713]. Aufgaben dieser Art finden sich vor allem im planerischen Bereich oder bei der Rechtsberatung der Gemeinde[714]. Problematisch ist der Ausgleich unterschiedlicher Verwaltungskraft kreisangehöriger Gemeinden durch finanzielle Hilfen des Kreises, weil ein solcher Ausgleich über die Kreisumlage auch von anderen, nicht begünstigten Gemeinden aufgebracht wird[715].
2. Fremdaufgaben
239
Ungeachtet des Aufgabenverständnisses und der dogmatischen Einordnung tragen die Landkreise auch Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung sowie Auftragsangelegenheiten. Ähnlich der gemeindlichen Ebene ist die Organkompetenz unterschiedlich zugewiesen und liegt in einigen Ländern beim Landrat in eigener Zuständigkeit, d.h. ohne Mitwirkungsmöglichkeiten des Kreistages[716].
3. Organleihe
240
Wie auf Gemeindeebene bedient sich das Land auch des Kreises nicht nur dergestalt, dass diesem Verwaltungsträger staatliche Aufgaben auferlegt werden[717], sondern dass dessen Organ, der Landrat bzw. das Landratsamt, im Wege der Organleihe in die Erledigung der staatlichen Verwaltungsaufgaben einbezogen werden[718]. Als verlängerter Arm des Landes wird er im Kreisgebiet zur (allgemeinen) unteren staatlichen Verwaltungsbehörde und unterliegt insoweit der Fach- und Dienstaufsicht der übergeordneten Stellen der unmittelbaren Landesverwaltung. Für Amtspflichtverletzungen haftet dann nicht der Kreis, sondern das Land. Betroffen hiervon sind etwa Polizeizuständigkeiten und die Kommunalaufsicht über kreisangehörige Gemeinden.
III. Organe des Landkreises
241
Entsprechend der Verfassung der Gemeinden bestimmt der gebietskörperschaftliche Status der Kreise ihre innere Struktur und Zuständigkeitsordnung. Im Unterschied zu den im Wege kommunaler Zusammenarbeit gründbaren Ämtern, Samtgemeinden oder Zweckverbänden sind die Mitglieder der Kreise nicht die ihm angehörenden Gemeinden, sondern deren Einwohner.
1. Kreistag
242
Der aus demokratischen Wahlen der wahlberechtigten Kreiseinwohner hervorgehende Kreistag ist auf der Ebene des Landkreises bzw. Kreises das Hauptorgan. Ihm obliegen die wesentlichen Entscheidungen des Landkreises. Mehrheitlich bestimmen die Kreisordnungen einen Vorbehaltskatalog unübertragbarer Angelegenheiten[719]. Der Kreistag legt die Grundsätze der Landkreisverwaltung fest, soweit keine entgegenstehende Zuständigkeit besteht, und überwacht die Verwaltung des Landkreises[720]. Die Zusammensetzung, das Verfahren der Willensbildung sowie der Vorsitz im Kreistag sind in jedem Bundesland unterschiedlich bestimmt,[721] folgen aber den von der Gemeindeebene bekannten Grundregeln. Inkompatibilitäten eines Kreistagsmandats bestehen nicht mit einem Sitz in der Gemeindevertretung, wohl aber für Bürgermeister[722].
2. Landrat
243
Bis auf das Land Hessen, das sich für das System der kollegialen Magistratsverfassung auch auf Kreisebene entschieden hat und wo deshalb der Kreisausschuss die Verwaltungsleitung übernimmt, ist in den übrigen Flächenländern der Landrat zuständig für die Leitung der Verwaltung. Weitere Kompetenzen des Landrats betreffen die Ausführung der Kreistagsbeschlüsse, die Außenvertretung des Kreises und die Wahrnehmung der Geschäfte der laufenden Verwaltung. Teils sind dem Landrat ein oder mehrere Beigeordnete bzw. Kreisbeigeordnete zugeordnet, um diesen zu entlasten[723]. Der Landrat ist hauptberuflich tätig und kommunaler Wahlbeamte. Divergierend ist die Wahl geregelt, die in Baden-Württemberg schon immer und in Schleswig-Holstein wieder durch den Kreistag erfolgt, während in den anderen elf Flächenländern eine Volkswahl stattfindet[724].
244
In aller Regel bildet das Kreisgebiet zugleich den Zuständigkeitsbereich der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde des Landes[725], deren Organwalter der Landrat ist. Je nachdem in welcher Zuständigkeit der Landrat handelt, werden seinen Maßnahmen dem Landkreis oder dem Land zugerechnet, auch in Bezug auf die Amtshaftung[726].
3. Kreisausschuss
245
Überwiegend kommt der Kreisausschuss als Organ auf Landkreisebene hinzu[727]. Nur in Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist dieses dritte Organ nicht vorhanden. Es wird aus der Mitte des Kreistages gewählt. Die Funktionen bzw. Aufgaben des Kreisausschusses variieren je nach Bundesland[728]: Mancherorts ist er ein gleichberechtigtes Organ, das zuständig ist, wenn die Angelegenheit nicht Kreistag oder Landrat vorbehalten ist; mancherorts ist er lediglich ein Ausschuss des Kreistages, der dessen Beschlüsse vorbereitet. Abweichend ist die Rechtslage in Hessen, weil das Land das Modell der kollegialen Magistratsverfassung auch auf Kreisebene verwirklicht hat. Hier hat der Kreisausschuss die gleiche Aufgabe bzw. Stellung wie in den übrigen Ländern der Landrat (vgl. § 41 LKrO Hess), weshalb „die Mitglieder des Kreisausschusses (…) nicht gleichzeitig Kreistagsabgeordnete sein (dürfen)“ (§ 36 Abs. 2 LKrO Hess).
IV. Einwohner des Landkreises
246
In den einzelnen Kreisordnungen der Länder gibt gewissermaßen als Pendant zur Eigenschaft des Gemeindeeinwohners auch die Landkreiseinwohnerschaft. Landkreiseinwohner ist, wer in einer Gemeinde oder in einem gemeindefreien Grundstück des Landkreises wohnt[729]. Ein Landkreisbürgerrecht bzw. eine Landkreisbürgerschaft ist nur vereinzelt in den Kreisordnungen vorgesehen[730].
1. Rechte der Landkreiseinwohner
247
Genau wie bei den Gemeindebürgern und Gemeindeeinwohnern bestehen auch für die Kreiseinwohner und Kreisbürger gewisse Rechte, aber auch Pflichten. Zu den Rechten gehört das Wahlrecht, sofern dies in der jeweiligen Kreisordnung des Landes vorgesehen