196
Der ordnungsgemäße Satzungsbeschluss betrifft die Einberufung der Vertretung[601], Beschlussfähigkeit[602], Abstimmung und Beschlussfassung[603], ggf. einen Ausschluss wegen Befangenheit[604], die Beachtung besonderer Beteiligungs- und Einwendungsrechte, die Beachtung besonderer Begründungspflichten[605] sowie die Öffentlichkeit der Sitzung[606].
197
Hinsichtlich der Form bedarf jede Satzung der Schriftform und ist vom Bürgermeister zu unterzeichnen[607]. Die Ausfertigung erfolgt in der Regel handschriftlich durch den Bürgermeister[608] und enthält Angaben zu Ort, Zeit und Dienststellung des Ausfertigenden[609].
198
Zur Rechtswirksamkeit bedürfen Satzungen in jedem Fall der Publikation[610], um dem Bürger die Möglichkeit zu geben, vom Inhalt der Satzung Kenntnis zu nehmen[611]. Hinzukommen kann bei entsprechender gesetzlicher Anordnung ein Genehmigungserfordernis oder die Pflicht zur Vorlage des Satzungsbeschlusses bei der Kommunalaufsicht. Vorbehaltlich besonderer Regelungen dient beides lediglich der Rechtsaufsicht (Rn. 91 ff.).
199
Satzungen treten am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft, soweit kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist[612]. Bebauungspläne treten mit der Bekanntmachung in Kraft[613] und Haushaltssatzungen treten mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft[614]. Zu beachten ist, dass Satzungen auch rückwirkend in Kraft treten können, wobei jedoch der Vertrauensschutz des Bürgers zu beachten ist[615].
bb) Materielle Rechtmäßigkeit
200
In materieller Hinsicht sind die Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage mit höherrangigem Recht, die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage, Verstöße der Satzungsbestimmungen gegen höherrangiges Recht und insbesondere Grundrechte und ein etwaiger Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zu prüfen[616]. Teilweise wird den Gemeinden bei der Gestaltung bzw. Ausfüllung des Tatbestands ein Prognose- bzw. Beurteilungsspielraum zugebilligt und auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eingeräumt[617].
cc) Fehlerfolgen
201
Bei materieller Rechtswidrigkeit der Satzung ist diese, anders als ein Verwaltungsakt, nichtig, vgl. § 47 Abs. 5 S. 2 f. VwGO. Für Verfahrensfehler haben die Landesgesetzgeber im Einzelnen recht unterschiedliche Vorschriften geschaffen, die eine andere als die Nichtigkeitsfolge vorsehen. Die Bandbreite der Regelungen reicht von der generellen Unbeachtlichkeit über die zeitlich befristete Rüge bis hin zur Heilbarkeit von Verfahrensfehlern[618]. Hierher rechnen insbesondere die für Satzungen nach dem BauGB geltenden §§ 214 f. BauGB. Für Verstöße gegen kommunalrechtliche Verfahrensvorschriften beim Erlass von Satzungen statuieren die Gemeindeordnungen fristgebundene Rügeobliegenheiten, deren Nichtgebrauch die benannten Verfahrens- und Formfehler unbeachtlich werden lassen[619].
e) Rechtsschutz
202
Rechtsschutz gegen Satzungen kann auf zwei Wegen erreicht werden: Zum einen durch die unmittelbare Überprüfung einer gemeindlichen Satzung und zum anderen durch eine inzidente Überprüfung der Satzung im Rahmen einer Klage gegen satzungsgestützte oder -bestimmte Einzelfallmaßnahmen der Kommunalverwaltung.
203
Im Rahmen der unmittelbaren Überprüfung kommt eine Verfassungsbeschwerde des einzelnen Bürgers nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG in Betracht. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die unmittelbare Betroffenheit durch eine Satzung, die Rechtswegerschöpfung sowie die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Indes ist die Verfassungsbeschwerde dann zulässig, wenn die betreffende Satzung Pflichten konstituiert, die im Falle ihrer Verletzung mit einem Bußgeld sanktioniert werden und das jeweilige Landesrecht keine Normenkontrolle vorsieht[620]. In diesem Zusammenhang ist auch an die Möglichkeit des Rechtsschutzes vor den Landesverfassungsgerichten zu denken[621].
204
Die prinzipale Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in allen Ländern gegen Satzungen (bzw. Rechtsverordnungen) zulässig, die nach dem Baugesetzbuch erlassen worden sind. In § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist ferner bestimmt, dass die Normenkontrolle im Übrigen nur gegen untergesetzliches Landesrecht zulässig ist, wenn dies im jeweiligen Landesrecht bestimmt ist[622]. Ist dies nicht der Fall, können Lücken im Rechtsschutz durch die allgemeine Feststellungsklage oder die allgemeine Leistungsklage bei Bestehen eines Anspruchs des Bürgers auf Erlass der begehrten Satzung vermieden werden[623].
205
Die andere, alternative Möglichkeit, Rechtsschutz gegen eine Satzung zu erlangen, ist die inzidente Kontrolle bzw. Überprüfung vor allem im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage. Im Erfolgsfall ist damit allerdings keine allgemeinverbindliche Nichtigkeitserklärung der Satzung verbunden, sondern lediglich eine Nichtanwendung im anhängigen Verwaltungsstreitverfahren. Neben dem Primärrechtsschutz kommt eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Satzung ebenso im Rahmen eines sekundärrechtlichen Verwaltungsprozesses um einen Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB in Betracht.
206
Zu beachten ist im Rahmen der Überprüfung gemeindlicher Satzungen, dass aus der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ein Satzungsermessen erwächst, das die Kontrolldichte einschränkt[624]. Ferner entspricht es nicht dem verwaltungsgerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatz, auch solche Rechtsfehler zu überprüfen, die der Bürger gar nicht gerügt hat[625].
207
Fraglich ist, inwieweit im Hinblick auf Satzungen eine Normprüfungs- und -verwerfungskompetenz der Verwaltung besteht. Die ganz überwiegende Meinung der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung spricht sich gegen eine Inzident-Verwerfungskompetenz der Verwaltungsbehörden aus[626]. Zwar besteht ein Verwerfungsmonopol zugunsten des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG nur im Hinblick auf Parlamentsgesetze, jedoch sind auch Satzungen Emanationen der Legislativfunktion, so dass die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Funktionentrennung sowie das Demokratieprinzip nahelegen, auch rechtswidrige Satzungen nicht durch schlichte administrative Nichtanwendung zu verwerfen[627].
2. Rechtsverordnungen
208
Grundsätzlich denkbar ist der Erlass von Rechtsverordnungen bei der Erledigung aller Arten von kommunalen Aufgaben, jedoch findet der Rechtsverordnungserlass typischerweise im Bereich der Pflichtaufgaben nach Weisung statt[628]. Beispiele dafür sind Ausnahmegenehmigungen vom Ladenschluss, Entgeltfestsetzungen für Taxen, Baumschutzverordnungen, Polizeiverordnungen über ein Taubenfütterungsverbot oder auch Parkgebührenverordnungen[629]. Rechtsverordnungen sind, anders als Satzungen, nicht vom Gedanken der Dezentralisierung und Selbstverwaltung geprägt, sondern von der Dekonzentration der Verwaltung, so dass die Selbstverwaltungsgarantie nicht das Recht zum Verordnungserlass umfasst und die Gemeinden deshalb eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung brauchen[630]. Rechtsverordnungen unterliegen, anders als Satzungen, der Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen. Unabhängig davon, ob die Verordnung einer prinzipalen oder inzidenten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugeführt wird, fehlt es regelmäßig an einer Selbstgestaltungsfreiheit