Durch den Rückgriff auf diesen kollisionsrechtlichen Anerkennungsmodus wird indessen der genaue materielle Inhalt der Schrankenklausel des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts – insbesondere also welche staatlich zu schützenden Rechtsgüter gegenüber einer kirchlichen Regelung unabdingbar und damit vom „ordre-public-Vorbehalt“ erfasst sind – noch nicht endgültig vorgegeben;149 die gegenüber dem kirchlichen Recht unabdingbaren und insoweit grenzziehenden Grundsätze der staatlichen Rechtsordnung sind vielmehr eigens zu bestimmen. Für die in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechtsordnung formuliert nun allerdings zweifelsohne das Grundgesetz die wesentlichen und prägenden Grundannahmen. Daher ist es das gesamte Verfassungsrecht, das als Grenze und Maßstab für die Anerkennung kirchlicher Regelungen dient und „das für alle geltende Gesetz“ der Schrankenbestimmung inhaltlich konkretisiert.150 Dies ist auch insoweit selbstverständlich, als das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in die Verfassungsordnung eingebunden ist und damit dem Prinzip der Einheit der Verfassung Rechnung tragen muss. Auf diese Weise ist der Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts in möglichst weitgehender Weise zur Geltung verholfen, während zugleich das Grundgepräge des Staates nicht in Frage gestellt wird.151 Die Trennung von Kirche und Staat – verstanden als möglichst weitgehende Freiheit beider Institutionen voneinander – wird so unter Berücksichtigung der Wertungen des Grundgesetzes vollzogen. Dieser Wertung steht auch nicht entgegen, dass insoweit ein Gleichlauf mit der allgemeinen Dogmatik zur Beschränkung durch kollidierendes Verfassungsrecht zu beobachten ist; unter der Weimarer Verfassung war diese Dogmatik noch nicht entwickelt, sodass der Schrankenformel des Art. 137 Abs. 3 WRV zum Entstehungszeitpunkt durchaus eine eigene Bedeutung zukam.152
Als für alle geltendes Gesetz können demnach grundsätzlich nur Rechtsgüter mit Verfassungsrang berücksichtigt werden. Konkret bedeutet dies, dass sich die Kirchen uneingeschränkt selbst organisieren und verwalten können und ihre in Ausübung dieser Befugnis getroffenen Regelungen auch im staatlichen Rechtskreis Anerkennung finden, soweit sie andere Verfassungspositionen respektierten. Für den kirchlichen Gesetzgeber ist es deshalb aber auch zwingend, dass er bei der Regelung der eigenen Angelegenheiten gegenläufigen Verfassungsgütern und damit verbundenen staatlichen Schutzverpflichtungen Rechnung trägt.153 Damit beweist die Kirche ihrerseits, dass sie nicht in einem rechtsfreien Raum, sondern innerhalb der von der Verfassungsordnung vorgegebenen Regelungsräume agiert. Verzichtet die Kirche auf eine entsprechende Rücksichtnahme, haben ihre Regelungen zwar innerkirchlich noch Verbindlichkeit, verlieren allerdings ihre Anerkennung im staatlichen Rechtskreis.154
Für die Überprüfung, ob eine kirchliche Regelung in ausreichender Weise gegenläufige Verfassungspositionen berücksichtigt, ist aufgrund der Kollisionsregel des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV der Staat zuständig. Dies folgt bereits daraus, dass es sich bei der Verfassung um staatliches Recht handelt und der Staat auch zum Schutz anderer Verfassungsgüter verpflichtet ist. Die Abwägung, ob widerstreitende Verfassungspositionen ausreichend zur Geltung gebracht sind, muss jedoch – ebenso wie die Überprüfung ausländischer Rechtssätze am ordre-public-Vorbehalt – berücksichtigen, dass die Einbindung der widerstreitenden Verfassungsgüter in der kirchlichen Regelung eine „Anpassung […] im Hinblick auf die Erfordernisse des kirchlichen Auftrags“ notwendig macht.155 Insoweit kommt dem kirchlichen Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, wenn er die widerstreitenden Verfassungsgüter in Ausgleich bringt und hierzu eine Gewichtung vornimmt, in welchem Umfang sich das jeweilige Verfassungsgut verwirklicht. Zu beachten ist also, dass im Rahmen einer Prüfung der Einhaltung des Schrankenvorbehalts die Abwägung zu einem bestimmten Teil auch immer durch das Selbstverständnis der Kirche beeinflusst wird; der kirchliche Gesetzgeber muss sein Selbstverständnis benennen und die jeweilige Gewichtung des eigenen Selbstverständnisses im Verhältnis zu der Gegenposition vornehmen.156 Auf diese Weise kann das Selbstbestimmungsrecht der Kirche auch eine gewisse Aufwertung gegenüber möglichen widerstreitenden Verfassungspositionen erfahren. Der Prüfungsmaßstab ist folglich gegenüber einer einfachen Abwägung von Verfassungsgütern modifiziert.157 Die konkrete Ausgestaltung ist staatlicherseits nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob der von der Kirche vorgenommene Ausgleich willkürlich ist oder den Wesensgehalt der widerstreitenden Verfassungspositionen nicht beachtet. Der institutionelle Charakter des Selbstbestimmungsrechts erfordert folglich eine asymmetrische Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht und den verfassungsrechtlichen Gegenpositionen.158 Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die innerhalb der Abwägung des Selbstbestimmungsrechts mit gegenläufigen staatlichen Interessen ersterem ein besonderes Gewicht zuspricht,159 als zutreffend, wenngleich das Bundesverfassungsgericht das besondere Gewicht des Selbstbestimmungsrechts auf die grundrechtlich verbürgte Religionsfreiheit zurückführt.160
c. Grundgesetzlicher Einfluss auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht
Da die Regelung eines Mitarbeitervertretungsrechts nach dem Selbstverständnis der Kirche eine eigene Angelegenheit darstellt, kommt dem Mitarbeitervertretungsgesetz im staatlichen Rechtskreis aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Kirche nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes Anerkennung zu.161 Das kirchliche Recht findet im staatlichen Rechtskreis grundsätzlich Anwendung, insofern durch die Schrankenbestimmung nicht die geltungsvermittelnde Wirkung des Selbstbestimmungsrechts begrenzt ist.
Die Wirksamkeit des Mitarbeitervertretungsrechts im staatlichen Rechtskreis hängt demnach davon ab, ob der kirchliche Gesetzgeber die maßgeblichen, durch die Schrankenbestimmung geschützten verfassungsrechtlichen Rechtsgüter ausreichend bei seiner Gesetzgebung berücksichtigt hat. Entsprechend hängt auch die Geltung einer kirchlichen Dienstvereinbarung im staatlichen Rechtskreis in doppelter Hinsicht von der Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben ab. Zum einen muss das durch das Kirchenrecht ausgestaltete Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung sich innerhalb der Schrankenbestimmung halten; zum anderen muss jedoch auch eine konkrete Dienstvereinbarung die durch die Schrankenbestimmung vorgegebenen Grenzen beachten, soll sie im staatlichen Rechtskreis Wirkung entfalten.
Während die Schrankenbestimmung mithin die äußere und unverrückbare Grenze für die Geltung einer kirchlichen Regelung im staatlichen Rechtskreis aufstellt, ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass der kirchliche Gesetzgeber bei Gesetzen, die gerade auf eine bestimmte Wirkung im staatlichen Rechtskreis abzielen, immer auch selbst bereits in dem Bewusstsein der ihm durch das Verfassungsrecht auferlegten Bindungen handeln wird. Infolgedessen stellen verfassungsrechtlich geschützte Gegenpositionen nicht nur eine Außenschranke für das Selbstbestimmungsrecht dar, sondern zusätzlich sind sie bei der Auslegung des kirchlichen Rechts zu berücksichtigen.
Für die weitere Untersuchung bedarf es daher der Konkretisierung, welche verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen im Hinblick auf die Einrichtung einer Mitbestimmungsordnung und das Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung Beachtung verlangen. Hierbei bietet es sich an, sich zunächst überblicksartig die verfassungsrechtlichen Grundlagen des staatlichen Betriebsverfassungsrechts zu vergegenwärtigen, da die insoweit maßgeblichen Verfassungswerte auch für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht aufgrund der sich weitgehend entsprechenden Regelungsmaterien von Bedeutung sein können. Im Anschluss ist die allgemeine