Genauso ist es. Es ist eine Schnittstelle, an der du dir der Schnittstelle bewusst bist. Du bist dir für einen Augenblick nicht nur deiner selbst bewusst, sondern auch meiner und der tieferen Kraft oder Energie oder Essenz, die durch uns beide fließt. Wenn du daran festhältst – wenn du dich da hinein sinken lässt – wirst du diese Energie des ›du‹ und ›ich‹ und der ›tieferen Kraft‹ nicht getrennt, sondern als eine ständig fließende Bewegung wahrnehmen. Indem du diesen Bewegungsfluss spürst, öffnest du dich der Verbindung unserer Kommunikation. Und noch mehr: Du wirst es. Dann fängst du an, dich als diese Bewegung zu fühlen; du lernst dich als Teil des Flusses kennen und du wirst der Fluss – der natürlich nichts anderes als du selbst ist!
Langsam tat mir der Kopf weh.
Es ist oft leichter, das mit Tieren zu machen, da wir uns dieser essenziellen Verbindung bewusster sind. Doch es ist eine Herausforderung, es mit Wesen deiner eigenen Spezies zu tun. Aus diesem Grund ist ›Form‹ nichts als eine menschliche Illusion. Sieh dir eure Gesellschaft an und schau, wie ihr die Form zu einer so wichtigen Illusion aufgebaut habt: Wie ihr ausseht, in was für Häusern ihr lebt, wie viel Geld ihr verdient, was ihr beruflich macht und so weiter und weiter – jedes kleine Detail wird so unglaublich wichtig … So viel Energie steckt in diesen illusionären Formen!
»Es klingt so, als würdest du dich darüber lustig machen, Barney«, sagte ich.
Auf eine gute Art schon. Denn der Fokus auf Illusion kann auch kreativ sein. Ich habe schon ein paar Leben als Mensch hinter mir, auch wenn meistens in einem Naturvolk, in dem die Form nicht so wichtig ist. Aber glaube ja nicht, den Naturstämmen wäre Form gleichgültig! Sie verwenden sie nur auf andere Weise. Daher kenne ich die Anziehungskraft der Form und weiß, wie sie einen so ablenken kann, dass man durch sie von Wissen abgehalten wird und davon, die tieferen Schätze zu bergen.
Warum glaubst du wohl, sind alle Schätze vergraben oder versteckt? Sie sollen einen daran erinnern, tief zu graben, den Schlüssel zu finden. Sieh dir die alten Märchen und Mythen an, wenn du erfahren willst, wie man auf Schatzsuche geht. Der Schatz ist immer ein Symbol des Reichtums – und das ist wieder einmal die Kraft der illusionären Form! Wahrer Reichtum hat mehr mit Bezügen zu tun als damit, allein in einem Raum voller Gold zu sitzen. Sogar Geld funktioniert so: Es hat nur den Tauschwert, auch wenn viele Menschen es für sich selbst behalten wollen und es horten. Und warum? Wieder einmal aus Angst! Aus Angst vor dem Tod, aus Angst, die Form loszulassen – obwohl man in Wahrheit nur lernen und wachsen und Freude erfahren kann, wenn man die Form loslässt, viele Formen erlebt und die Freude, Schönheit und den Spaß an der Form genießt, bis sie einem schließlich über wird und man auf eine andere Weise mit der Form spielt – mit der Nichtform spielt –, aber das ist ein anderes Thema.
Und mit diesen Worten schickte Barney mich weg, um wieder einmal der großen Lehrerin – der Erfahrung – zu begegnen.
4
Endlose Varianten und grenzenlose Perspektiven
Während ich mich mit dem Gedanken der Schnittstelle und allem, was damit verbunden war, beschäftigte, hatte ich eine Reihe von Erlebnissen, die heftig und kurz hintereinander passierten.
Als ich einmal in einem Schlauchboot saß und eine schmale Buchteinfahrt hinunterfuhr, entspannte ich mich und wurde in einen sehr ruhigen Zustand versetzt. Zum Glück steuerte ich das Boot nicht selbst, sondern fuhr nur mit. Über uns erstreckte sich ein strahlend blauer Himmel, und hauchzarte Wolkenschleier hüllten die Berge in der Ferne ein. Die Sonne glitzerte auf der gekräuselten Wasseroberfläche, die in silbernen Streifen an den dunklen, schlammigen Strand spülte. Es war ein herrlicher Tag, und ich erfreute mich an den wilden, flatternden Tänzen der Vögel – den Adlern, die sich in die Lüfte schwangen, den Möwen, die Sturzflüge veranstalteten, und den Kranichen mit den langen Beinen, die grazil übers Wasser segelten.
Schwindlig von der Sonne und dem Wind, den Seevögeln und dem Himmel erweiterten sich die Grenzen meines Selbst und verschwammen. Als ein großer Entenschwarm in der Nähe aufstob, fühlte ich, wie ich mich mit ihnen erhob und mich auf einem dichten, doch elastischen und sich ständig verändernden Vibrationsfeld niederließ. Da war ich nun: inmitten des größeren Körpers dieses Vogelschwarms – eines Körpers, der nicht aus Fleisch und Federn bestand, sondern aus einem Bewusstsein, das uns miteinander verband. Es war etwas völlig Neues für mich, doch in diesem Augenblick nahm ich es einfach nur wahr, genoss das ungewohnte Gefühl, von diesem Feld eingehüllt und durchdrungen zu werden. Es war ein Bewusstsein, in dem der Wind und die Federn, die Luft und der Flug sich vermischten. Einen Moment lang spürte ich mich nicht nur als Teil des Entenschwarms, sondern als er selbst, so als hätte ich einen direkten Zugang zum »Wissen« der Enten. Ich war mir gleichzeitig des Einzelnen und der Gruppe bewusst, spürte den Fluss, ritt auf dem Strom – erkannte ihn – die Gedanken des Entenschwarms. Und in diesem glasklaren und überwältigenden Augenblick verstand ich zum ersten Mal, wie jede Ente sich selbst aussuchen konnte, ob sie sich in diesen größeren Körper einklinken wollte oder nicht – eine Entscheidung, die eindeutig über die Grenzen des Instinkts hinausging.
Ohne Vorwarnung kehrte ich wieder zurück. Langsam wurde diese Erfahrung vertrauter – diese unvorhersehbare und noch ungeschickte Weise, andere Formen des Bewusstseins aufzusuchen. Für einen Moment hatte ich mich bei vollem Bewusstsein mitten im Wissen der Vögel befunden. Trotzdem war dieses Verschmelzen für mich immer noch eine Sache, bei der ich hinein- und wieder hinausschlüpfte – weg vom »Ich« und über seine Grenzen hinaus und wieder zurück, wobei ich die Informationen mitbrachte, um sie in und durch meine eigene Denkweise zu übersetzen. Es erinnerte mich an Queens Sterbeweg, auch wenn es sich hier eher um einen Weg durchs Leben handelte.
An diesem Abend fragte ich zu Hause Barney danach, was es mit dem Wort shift (bewegen, verlagern) in Shapeshifting auf sich hat. Mir war zwar klar, dass es darum ging, eine Vielzahl von Perspektiven auszuprobieren, um andere Versionen der Welt zu erleben, doch wie weit – oder tief – lässt sich tatsächlich in das Bewusstsein eines anderen Wesens eindringen, um es zu erfahren? Und wo genau ist diese Schnittstelle, an der sich die verschiedenen Perspektiven treffen und miteinander verschmelzen?
Perspektive ist eine Kombination aus unserer eigenen Software – das heißt, unserer einzigartigen Sinne wie Sehen, Fühlen, Schmecken und so weiter sowie unserer Denkweise, wie wir die Welt wahrnehmen und interpretieren – und der Existenz der Natur, so wie sie ist und wie sie wahrgenommen wird, antwortete Barney nüchtern wie ein Wissenschaftler. Das enthält zwar viele Schattierungen, aber grundsätzlich darf man nicht vergessen, dass die menschliche Wahrnehmung der Natur sich von der eines Tieres sehr unterscheidet. In mancher Beziehung kann es jedoch Übereinstimmungen geben – einen Treffpunkt der Erfahrungen, die du in deiner Welt machst, und der Erfahrungen, die ein Tier in seiner Erlebniswelt macht – ich zum Beispiel.
Ich will damit sagen, dass zahlreiche Versionen der Natur gleichzeitig existieren. Manche gibt es für mich nicht so, wie es sie für dich gibt, und umgekehrt. Das wirst du noch deutlicher merken, wenn du anfängst, mit anderen Wesen zusammenzuarbeiten, und die Dinge aus ihrer Sicht siehst. Vergiss jedoch niemals, dich zu vertiefen und zu zentrieren. Das kannst du jederzeit tun, in jedem Augenblick.
Es sollte zu einer Art von Mandat werden, denn in den darauf folgenden Tagen nahmen meine Gespräche mit Tieren eine Qualität an, die deutlich verschiedene Perspektiven aufwies. Fetzen von Visionen aus der Sicht der Tiere verwoben sich mit Erinnerungen und Bildern, die aus meinem eigenen Repertoire hochstiegen; ich begann, die Übersetzung meiner Worte zu fühlen, die mit ihren Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen getränkt war. Und es geschah noch mehr – der Treffpunkt des Bewusstseins war nicht nur die telepathische Verbindung, an die ich bei der Kontaktaufnahme mit Tieren gewöhnt war, sondern etwas Tieferes, etwas, was viel mehr mit einer Beziehung zu tun hatte. Die ersten