TIONCALAI. Esther-Maria Herenz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Esther-Maria Herenz
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783939043614
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herumzusitzen, denn Elly und Yewan würden mit den älteren Kämpfern ans Meer fahren und Elnar seine Familie besuchen.

      Auf dem Weg zum Speisesaal holte sie Yewan ein.

      „Wie war deine Geschichtsprüfung?“, fragte sie ihn.

      Er lachte laut auf. „Es lief sogar ganz gut“, gestand er dann. „Aber das heißt ja nichts.“

      „Dafür, dass du vorher herumgezetert hast wie eine zänkische Elster, bist du jetzt ziemlich gut gelaunt.“

      „Natürlich. Nur noch zwei Prüfungen, dann ist das Jahr geschafft und ich hab Ferien.“ Er grinste.

      „Stimmt. Und es ist so unfair, dass ich nicht zum Rudel darf“, erklärte sie, obwohl sie den Grund ganz genau kannte. Deor hatte ihr allerdings geraten, sich trotzdem zu beschweren, damit es niemandem auffiel.

      „Vielleicht möchte Deor deine Ausbildung so schnell wie möglich voranbringen“, mutmaßte Yewan und zuckte mit den Schultern. „Du hättest das Angebot nicht annehmen müssen.“

      „Aber dann hätte ich nur Langeweile gehabt. Da hab ich doch lieber etwas zu tun.“

      „Du hättest fragen können, ob du mit ans Meer darfst. Wadne hätte sicher ein gutes Wort für dich eingelegt.“

      Sie reihten sich in die lange Schlange an der Essens­ausgabe ein.

      „Deor hätte mir das nie erlaubt“, entgegnete Neolyt. „Weil er mich wirklich schnell ausbilden will, lässt er mir kaum Freizeit“, fügte sie rasch hinzu, um eine einleuchtende Erklärung bemüht, weil Yewan sie überrascht ansah.

      „Das war nur eine Mutmaßung“, winkte er ab und fügte naserümpfend hinzu: „Fischsuppe zum Abendbrot. Und ich dachte gerade, der Tag wäre doch ganz gut.“

      „Wie sagt Elnar doch immer: ‚Man soll den Tag nicht vor dem Abendbrot loben’ oder so.“ Neolyt grinste und setzte sich neben Elly auf die Bank.

      „Es heißt: ‚Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben’“, berichtigte Elnar sie, während Yewan zu seiner Linken Platz nahm.

      „Ist schon gut.“ Neolyt verdrehte genervt die Augen. Elnar hatte auf seinen Sprachunterricht bestanden, was ihrem Ausdruck wahrscheinlich guttat, aber ganz sicher nicht ihren Nerven.

      „Wie viele Prüfungen habt ihr noch?“, wechselte Elly das Thema.

      „Zwei“, meinte Yewan.

      „Tierkunde“, erklärte Neolyt und Elnar sagte, er wäre bereits fertig und würde übermorgen zu seiner Familie aufbrechen.

      „Ich muss noch Pflanzenkunde und Beschwörung schreiben und Kampfkünste I hinter mich bringen.“

      „Du kämpfst doch gut. Das wird sicher kein Problem“, meinte Yewan leichthin und tunkte das Brot in die Suppe.

      „Du hast noch nie gesehen, wie ich waffenlos kämpfe. Das ist eine Katastrophe! Sobald ich die Prüfung hinter mir hab, werde ich es abwählen.“

      „Stimmt, ich muss mich noch entscheiden, was ich vertieft fortführe.“

      „Du wählst nichts ab?“, fragte Elly ihn überrascht.

      „Nein, ich bin in den theoretischen Fächern ein Stück voraus, weil ich so früh angefangen habe. Deswegen hab ich Zeit für die Schwerpunkttrainings.“ Dabei wurde kein Kampfstil vernachlässigt, was ihn später in Xialenóll dazu befähigen würde, ohne Zusatzprüfung die Offiziers­ausbildung zu beginnen.

      Elly schnitt eine neidische Grimasse. „Ich wünschte, ich wäre dafür gut genug.“

      „Mach dir nichts draus. Dafür bist du in Geschichte viel besser als er“, tröstete Neolyt ihre Freundin.

      „Als ob das etwas wäre, worauf man stolz sein müsste.“ Yewan schnaubte spöttisch.

      „Nur weil du etwas nicht kannst, heißt es noch lange nicht, dass es automatisch schlecht oder unnütz ist“, warf Elnar ein.

      Nach dem Abendbrot zogen sie sich auf ihre jeweiligen Zimmer zurück. Doch an Schlafen dachte keiner der vier, nicht einmal Elnar. Er sah sich seine Notizen über Heil­kräuter an und verbesserte die Zeichnungen. Neolyt übte das Skizzieren der Momenfalter-Skelette und die drei verschiedenen Magieschemen mit den zugehörigen Untergruppen der Momenfalter. Yewan fertigte eine Karikatur Gemals Agensteins an, eines der führenden Hochräte, und lernte nebenbei die magischen Tonfolgen und die Ton-Licht-Tabelle, wobei sein Licht sich abwechselnd dämpfte und erhellte. Elly büffelte Heil- und Giftpflanzen, nachdem sie Septogrammzeichnungen geübt hatte.

      Tatsächlich war die Tierkunde-Prüfung für Neolyt am nächsten Tag die schwierigste ihrer bisherigen Prüfungen. Doch obwohl sie für das Magieschema der Glühwichtel länger gebraucht hatte als erwartet, hatte sie am Ende der Prüfung ein relativ gutes Gefühl. Was ihr an diesem Unterrichtsfach nicht gefiel, war, dass von den Zauberwesen immer wieder von niederen Geschöpfen gesprochen wurde. Zum Beispiel wurde bei den Glühwichteln nichts von ihrer Persönlichkeit geschildert. Sie erschienen im Unterricht wie dumme Wesen, die jeden Befehl befolgten, den man ihnen gab.

      „Und? Wie war Tierkunde?“, fragte Elnar, der als einziger ihrer Freunde im Aufenthaltsraum saß, als sie hereinkam.

      „Wo sind die anderen?“, fragte sie zurück.

      „Es ist äußerst unhöflich, auf eine Frage mit einer Gegenfrage zu antworten oder diese schlichtweg zu ignorieren“, merkte er an.

      „Ja, ja, Tierkunde war in Ordnung. Wo sind sie denn nun?“ Sie sah sich suchend im Raum um.

      „Ich weiß es nicht“, gestand Elnar. „Ich habe sie seit dem Frühstück nicht gesehen und dabei hat keiner von ihnen heute eine Prüfung.“

      In diesem Moment kam Elly mit besorgtem Gesicht herein.

      „Was ist los?“, fragte Neolyt.

      „Ich schwöre, ich habe versucht, ihn aufzuhalten, aber er ließ sich partout nicht davon abbringen“, erklärte Elly und ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen.

      „Was hat Yewan denn gemacht?“, wollte Neolyt wissen.

      „Er lässt die Hochräte als Karikaturen im zweiten Stock an den Wänden herumlaufen.“

      „Er macht was?“, fragten Elnar und Neolyt gleichzeitig, doch aus unterschiedlichen Gründen.

      „Das heißt, dass er komisch verzerrte Bilder der höchsten Reiter in unserer Gesellschaft dort entlanglaufen lässt“, erklärte Elly an Neolyt gewandt und fügte an Elnar hinzu: „Ja, er macht das wirklich. Ich glaube, das ist seine selbsterdachte Aufnahmeprüfung in den Kreis der Unruhestifter, wie sie sich so fantasievoll nennen.“

      „Was für ein Kreis?“, fragte Neolyt.

      „Eine Gruppe von Schülern, die für den Unsinn hier im Bau verantwortlich sind.“

      „Aha.“ Neolyt musste grinsen. „Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis Yewan zu ihnen gegangen ist?“

      „Ob du’s glaubst oder nicht, am Anfang soll er recht vernünftig gewesen sein“, meinte Elly und auch sie musste lächeln.

      „Na ja, dann schauen wir uns das mal an, oder?“, schlug Neolyt vor und erhob sich.

      „Ich hab es mir schon ansehen müssen“, erklärte Elly und lehnte sich demonstrativ in ihrem Sessel zurück.

      „Na schön.“ Elnar stand ebenfalls auf und nahm seine Tasche. „Es kann sicherlich nicht schaden, die Kunstwerke einmal in Augenschein zu nehmen.“

      Sie eilten den Gang entlang zum Treppenhaus und konnten das Gelächter bereits eine Etage früher hören. Die Bilder sahen tatsächlich gut aus, auch wenn die Figuren merkwürdige Proportionen besaßen.

      „Oh nein“, sagte Elnar nur, als er sie sah. „Wenn heraus­kommt, dass er das war, wird er womöglich Ärger von ganz oben bekommen. Wie