TIONCALAI. Esther-Maria Herenz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Esther-Maria Herenz
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783939043614
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Unsinns abgesichert?“, wollte Elnar wissen.

      „Es ist ganz einfach“, wiederholte Yewan und machte sich auf den Weg zu einer Gruppe von Schülern, die anerkennend die Projektionen begutachteten.

      Ganze sieben Stunden blieben die Karikaturen an den Wänden, bis schließlich einer der Lehrer einen passenden Gegenzauber gefunden hatte und sie verschwinden ließ.

      Am Abend wurden alle in den Speiseraum beordert. Die Lehrer machten ernste Gesichter und Neolyt hatte das Gefühl, dass Yewan sich wohl doch etwas übernommen hatte.

      „Ihr wisst, dass heute im Korridor des zweiten Stockes Karikaturen an die Wände projiziert worden sind“, begann Valria. Einige Schüler lachten. „Wir möchten den Verantwortlichen bitten, sich freiwillig zu melden“, fuhr sie fort und sah in die Runde. Ihr Blick blieb an Yewan hängen.

      „Warum sollte der Verantwortliche das tun?“, fragte dieser herausfordernd.

      „Weil sonst alle Schüler die Konsequenzen tragen müssen“, erwiderte Valria knapp.

      „Gut, dann melde ich mich freiwillig als Verant­wortlicher“, erklärte Yewan und machte sich auf den Weg nach vorn.

      „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, fragte Valria ihn, als er bei ihr angelangt war.

      „Ich sehe keinen Grund, mich zu verteidigen.“

      „Du hast soeben zugegeben, für die Karikaturen im zweiten Stock verantwortlich zu sein“, rief sie ihm ins Gedächtnis.

      „Es war ein Versehen. Ich habe Projektionszauber geübt und dabei ist mir dieses kleine Missgeschick passiert, wofür ich aufrichtig um Entschuldigung bitte.“ Der belustigt sarkastische Unterton in seiner Stimme strafte seine Worte Lügen.

      „Und weswegen hast du deine Projektionszauber an Karikaturen geübt?“

      „Das sind Gnome!“, rief er in gespielter Empörung aus und alle fingen prustend an zu lachen. „Ich finde nicht, dass sie auch nur im Entferntesten irgendjemandem ähneln“, fügte er hinzu und lächelte.

      Valria schien kurz aus der Fassung zu geraten. „Ja, nun … Dann … wollen wir hoffen, dass es bei einem Missgeschick bleibt, Yewan Arcelon“, sagte sie schließlich.

      Die Schülerschaft brach in mehr oder weniger gedämpfte Jubelrufe aus und Neolyt war sich sicher, dass Yewan seinen Platz im Kreis der Unruhestifter bereits eingenommen hatte. Ihr Blick wanderte weiter zu Valria und den übrigen Lehrern, die sich auf dem Podest eingefunden hatten. Zu ihrer Überraschung blickte sie weder missbilligend noch wütend, im Gegenteil, um ihre Mundwinkel spielte ein leises Lächeln. Und als Yewan an Deor vorbeiging, nickte dieser ihm anerkennend zu. Merkwürdig. Neolyt hatte immer gedacht, für Unerlaubtes würde man bestraft werden. Aber scheinbar traf das nur zu, wenn man keine solche Rede wie Yewan halten konnte.

      Breit grinsend gelangte er schließlich bei ihnen an. „Na? War das genial?“

      „Aber ist es nicht selbstverständlich, dass das Karika­dingsda sind und du das mit Absicht gemacht hast?“, fragte Neolyt, bevor jemand anderes etwas sagen konnte.

      „Das mag sein, aber sie können es nicht nachweisen.“ Sein Grinsen wurde noch breiter. „Und wenn sie behaupten würden, die ‚Gnome’ sähen aus wie die Hochräte, würden sie öffentlich die Hochräte beleidigen. Das können sie sich nicht leisten.“

      Neolyt nickte. Sie glaubte, es verstanden zu haben.

      „Ist dir eigentlich klar, wie gefährlich das ist?“, fragte Elly. Sie sah überhaupt nicht fröhlich aus.

      „Was soll schon passieren? Es konnte nichts schiefgehen.“

      „Warum machst du so etwas überhaupt?“

      Neolyt wunderte sich über die Frage. Elly hatte doch selbst gesagt, es wäre die Aufnahmeprüfung für diesen Kreis der Unruhestifter.

      „Aus Spaß an der Freude natürlich“, erwiderte Yewan. „Was denkst denn du?“

      „Vielleicht, um die Hochräte zu kritisieren?“

      Sie reihten sich relativ weit hinten in der Essensschlange ein, doch da Yewan bei ihnen war, kamen sie schnell voran, er war der Held des Abends.

      „Also? Wolltest du damit die Hochräte kritisieren?“, hakte Elly nach, als sie sich an einen Tisch setzten.

      „Ja, natürlich, sonst hätte ich andere Karikaturen genommen.“

      „Ich verstehe nicht, was du gegen sie hast“, erklärte sie aufgebracht. „Sie führen das Land so gut es geht und du hackst ständig auf ihnen herum. Würdest du es besser als sie machen?“

      Neolyt wunderte sich über die heftige Reaktion der Freundin. Normalerweise war Elly für jeden Spaß zu haben, viel eher hätte sie von Elnar zurechtweisende Worte erwartet, doch er war ungewöhnlich still.

      „Kein Wunder, dass du sie verteidigst. Schließlich bist du in ihrem Schatten großgezogen worden. Ihr Weißstadt-Kinder wisst doch gar nicht mehr, was Recht und was Unrecht ist“, sagte Yewan leichthin, doch Elly schienen die Worte tief getroffen zu haben.

      „Und du … du bist doch bloß ein unzivilisierter Piliar!“, fauchte sie.

      „Du nennst es unzivilisiert, ich nenne es frei.“

      „Als wärt ihr frei!“, schnaubte sie. „Euer Namato hat doch immer noch absolute Macht über euch alle! Und da beschwerst du dich über die Hochräte!“

      „Mein Dorf liegt nicht im Machtgebiet des Namatos. Es ist seit Jahrzehnten unter Ivinscher Herrschaft“, erklärte Yewan ruhig.

      Neolyt verstand kein Wort.

      „Was ist ein Namato?“, fragte sie flüsternd Elnar, während Elly Yewan etwas Bissiges erwiderte.

      „Eine Art König. Oder für dich vielleicht Rudelführer.“

      „Ach so. Und Piliar?“

      „Ein Volk in Yalyris. Es gehört zu den unabhängigen Reichen, die nicht unter der Oberherrschaft der Reiter stehen. Und bevor du fragst: Ivin ist die derzeitige Königin der Reiter und ‚unzivilisiert’ bedeutet so viel wie wild oder schlecht erzogen.“

      Neolyt nickte dankbar.

      Elly und Yewan redeten den ganzen Abend über kein Wort mehr miteinander.

      „Was ist mit ihr?“, wollte Neolyt schließlich von Yewan wissen. Elly hatte sich einige Tische weiter hingesetzt und beschäftigte sich mit Lernen.

      „Sie ist im Randviertel von Xialenóll, der Hauptstadt der Einhorn- und Drachenreiter aufgewachsen. Die Kinder werden dort sehr streng politisch erzogen.“

      „Und die Stadt ist weiß?“

      „Ja, der Hauptteil der Stadt ist vollkommen aus weißem Fels gehauen. Nur die Außenbezirke bestehen aus normalen Gebäuden. Und weil ich jetzt ihre ach so tollen Hochräte angegriffen habe, ist sie sauer.“

      „Aber du hast sie doch gar nicht angegriffen“, meinte Neolyt verwundert.

      „Es gibt auch andere Arten, jemanden anzugreifen, als mit dem Schwert oder den körperlich gegebenen Waffen“, erklärte er.

      „Aber es war doch nur ein Spaß.“

      „Natürlich. Allerdings solltest du das lieber ihr erklären, nicht mir.“

      Neolyt sah zu ihrer Freundin hinüber. „Vielleicht lieber morgen“, wandte sie ein.

      „Ja, da besteht die Möglichkeit, dass sie dich nicht gleich als unzivilisierte Wilde abschreibt.“

      Sie sah Yewan bestürzt an.

      „Hey, das war ein Witz.“ Er lächelte.

      „Aber es stimmt doch, oder? Ich wusste nicht einmal, wie man richtig isst, als ich hierherkam.“

      „Es ist nichts Schlechtes