TIONCALAI. Esther-Maria Herenz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Esther-Maria Herenz
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783939043614
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hoch. „Hier sind ein paar Tropfen deines Blutes drauf, versetzt mit einer speziellen Lösung. Und jetzt schaut euch das einmal an.“ Er legte die Glasplatte in einen Schlitz des Gerätes ein, es surrte und summte einige Momente lang, dann trat Deor näher heran und sah in zwei der Röhren hinein.

      „Womit hast du ihr Blut versetzt?“, wollte er wissen und sah Elnar an.

      „Das ist Aleniktramenograpenolftan.“

      „Aber im Blut ist nichts, was durch AMP grün gefärbt würde.“

      „Das habe ich mir auch gedacht, deshalb habe ich etwas nachgeforscht. Und wenn man zu der Lösung hier noch passive Magie hinzufügt“, er nahm das Plättchen wieder heraus und tropfte eine farblose Flüssigkeit darauf, „und das erneut durch das Mikroskop betrachtet, kann man eine äußerst interessante Veränderung beobachten.“

      Abermals sah Deor in die Röhren. Als er wieder aufsah, nickte er anerkennend. „Du bist noch Anfänger, oder? Wie kommt es, dass du so viel über solche Sachen weißt?“

      „Mein Vater ist Heiler und berühmt für seine Forschungen. Außerdem ist Meisterin Karame meine Mentorin, so hatte ich von Beginn der Ausbildung an Zugang zu allen Instrumenten.“

      „Ich hoffe doch, unter Aufsicht, nicht wahr?“, fragte Deor mit hochgezogenen Augenbrauen.

      „Nicht direkt. Ich habe einen Schlüssel zu den Räumen. Meisterin Karame meinte, man könne mir vertrauen.“

      „Dann weiß sie von der Blutprobe?“

      „Nein. Wie gesagt, ich hielt es für besser, zuerst dich und Neolyt von den Ergebnissen in Kenntnis zu setzen“, erklärte Elnar mit fester Stimme, doch in seinen Zügen spiegelte sich Unsicherheit. „Hätte ich es ihr erzählen sollen?“

      „Ich werde das tun. Du wirst niemandem mehr ein Sterbens­wörtchen davon sagen, verstanden? Ich kann entscheiden, wer es erfährt, du behältst es einfach für dich.“

      „Kein Problem“, entgegnete Elnar, doch sein Blick zeigte offene Neugier.

      „Was ist denn mit meinem Blut?“, platzte Neolyt endlich heraus. Sie hielt ihre Unwissenheit nicht mehr aus.

      „Du kannst aufgrund der besonderen Genkombination von Wolf und Mensch Magie spüren. Das ist eine äußerst ungewöhnliche und seltene Gabe, und damit niemand auf die Idee kommt, sie für seine Zwecke zu missbrauchen, halten wir es geheim.“

      „Aha“, antwortete Neolyt, obwohl sie nicht alles verstanden hatte. „Ich habe aber noch nie Magie gespürt. Wieso wusste ich nicht, dass ich das kann?“

      „Vermutlich, weil du bisher noch kaum mit Magie zu tun hattest und erst seit ein paar Monaten in der Lage bist, sie zu kontrollieren. Auf jeden Fall sollten wir die Ausbildung dieses Sinnes mit in unseren Unterricht einbinden.“

      Bereits zwei Monate später gelangen die Konzentrations­übungen dazu immer besser. Neolyt hatte inzwischen ebenso wie viele der Anfänger die Grundprüfung im Schwertkampf bestanden, sogar Elnar hatte es mit Ach und Krach geschafft. Nun standen sie vor der Profilwahl.

      „Du solltest das Profil Krieger wählen“, bekräftigte Yewan zum wiederholten Mal. Sie waren auf dem Weg in die Bibliothek, um ihre Hausaufgaben zu erledigen.

      „Ja, du bist wirklich gut. Zumindest sagt das deine Prüfungsurkunde“, erklärte Elly und wedelte mit dem Pergament vor Neolyts Nase herum.

      Diese schnappte es ihr aus den Fingern und betrachtete konzentriert die geschwungenen Buchstaben. Noch immer bereitete ihr das Lesen Schwierigkeiten, vor allem bei Handschriften, doch von Woche zu Woche ging es besser.

      „Hab ich dir nicht erst letzte Woche gesagt, dass du nicht ständig an meinen Schreibtisch gehen sollst?“, fragte sie Elly.

      „Ja, aber du sagtest, dein Ergebnis wäre in Ordnung, da wollte ich wissen, wie gut es wirklich war“, verteidigte die sich und grinste zwinkernd.

      „Aber die Sterblichkeitsrate der Krieger ist um vierzig Prozent höher als die der Heiler. Das bedeutet, dass jeder neunzehnte Krieger eines unnatürlichen Todes stirbt“, gab Elnar zu bedenken

      „Ach komm schon, Elnar“, widersprach ihm Yewan. „Die Statistiken sind immer noch vom Simeb-Krieg beeinflusst. Und es ist wirklich kein Wunder, schließlich kämpfen Heiler nicht.“ Die letzten Worte sprach er mit deutlicher Herablassung aus.

      „Sie kämpfen oft gegen gefährlichere Gegner als die Krieger“, konterte Elnar. Für ihn war klar, er würde das Profil Heilung wählen, alles andere kam nicht in Frage.

      „Ja, Schnupfen und Magenverstimmung“, spottete Yewan. Neolyt hatte das Gefühl, dass die beiden nicht besonders gut miteinander klarkamen. Sie war sich dabei jedoch nicht sicher, Menschen waren so viel undurch­schaubarer als Wölfe.

      „Oder auch Cholera und Schnepfenpest“, entgegnete Elnar todernst.

      Bei dem letzten Wort prustete Elly laut los. „Schnepfenpest?“

      „Ganz richtig, das ist eine tödliche Krankheit, die durch Schnepfen übertragen wird und nur äußerst schwer heilbar ist.“

      „Was sind Schnepfen?“, fragte Neolyt dazwischen.

      Es war Yewan, der ihr antwortete: „Die gehören zur Familie der Gnomenfeen, fiese kleine Viecher.“

      Sie hatten mittlerweile die Bibliothek erreicht und warteten am Eingang auf Deas, der gerade aus einem der Gänge kam, um sie ins Besucherbuch einzutragen.

      „Na ja, solange du nicht zu den Räten gehst, hast du meine volle Unterstützung“, erklärte Yewan und lachte.

      „Was du nur ständig gegen Ratssprecher hast“, bemerkte Neolyt verwirrt. „Sie haben dir doch gar nichts getan.“

      „Nein, aber du wirst es spätestens dann verstehen, wenn in Geschichte der Aufstand der Piliar behandelt wird. Solche Ignoranz muss man erst einmal zustande bringen.“ Er schüttelte den Kopf.

      Die Ratssprecher mussten damals etwas falsch gemacht haben, soviel verstand Neolyt, doch trotz Elnars ständigen Belehrungen gab es Fremdwörter, die sie nach wie vor nicht kannte. „Was bedeutet Ignoranz?“, fragte sie darum.

      „So viel wie etwas nicht beachten“, erklärte Yewan und schlenderte, nachdem Deas sie eingetragen hatte, weiter bis zu seiner Stammecke, die inzwischen auch oft von Elnar, Neolyt und Elly in Beschlag genommen wurde.

      Neolyt betrachtete versonnen einen singenden Kerzenhalter, während sie zwei kleine Lichtkugeln schweben ließ. Es fiel ihr inzwischen nicht mehr schwer, mit Magie etwas zu bewirken, weswegen Deor sie oft den Nachmittag über Übungen erledigen ließ, die er erst am nächsten Morgen kontrollierte. Er hatte Yewan beauftragt, sie dabei zu beaufsichtigen.

      Mit einem Plopp verschwanden die Lichter und Neolyt sah auf ihren Zettel. Nur noch zwei Aufgaben, dann hatte sie ihre Freizeit. Nachdem sie einige Sekunden lang Yewans Feder fixiert hatte, nahm diese mit einem Puff und einer gewaltigen Rauchwolke die giftgrüne Färbung an, die Neolyt vorschwebte.

      „Ohne Ton und Rauch ist es richtig. Und nimm ’ne andere Farbe.“ Yewan zuckte kurz mit der Feder, die wieder braun wurde.

      Der Kerzenhalter trällerte noch immer vor sich hin, als Neolyt schließlich laut- und rauchlos die Feder blau färbte.

      „Hübsch.“ Er musterte sie amüsiert. „Vielleicht lass ich das so.“ Er zwinkerte ihr zu.

      Seufzend legte Elly ihre eigene Feder weg und schraubte das Tintenfass zu.

      „Ich muss jetzt los, viel Spaß noch“, erklärte sie nach einem kurzen Blick auf das Gerät an ihrem Arm, dessen Name Neolyt ständig vergaß. Die anderen nickten ihr zu und vertieften sich wieder in ihre Aufgaben.

      „Was heißt das hier?“, fragte Neolyt schließlich und streckte Elnar den Zettel hin.

      „Da steht, du sollst …“ Er hielt inne und sah sie bedeutungsvoll an, doch sie verstand nicht.