Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525793
Скачать книгу
ins Gesicht, dass es an den Wänden nur so widerhallte.

      Die Ohrfeige, obwohl kräftig und peitschenartig ausgeführt, war nicht besonders schmerzhaft für den kampferprobten Krieger. Viel eher erschreckte ihn, wie unerwartet sie kam. Das Echo war noch nicht ganz verhallt und Darius hatte die Augen kaum wieder geöffnet, als die feingliedrige Hand erneut auf ihn zufuhr. Grob krallte sie sich in sein angesenktes Haar und zog daran, was besonders unangenehm war, da er dem Druck nicht nachgeben konnte.

      »Du hältst die Fresse, Abschaum! Ist das klar?«, schrie sie mit schriller Stimme. Wieder kam die Albin mit ihrem Gesicht so nahe wie möglich an das seine heran und taxierte ihn mit ihren nachtschwarzen Augen. »Ob das klar ist, habe ich dich gefragt?«

      Viel mehr als untertänig zustimmen und hoffen, dass sich das Blatt irgendwann wenden würde, konnte Darius in diesem Moment nicht. Alles andere wäre töricht und das wusste er auch, doch sein Leben unter den Großen Brüdern hatte ihn geprägt. Falsch angebrachte Tapferkeit im Angesicht der Gefahr und der unbedingte Wille, sich von niemandem etwas gefallen zu lassen, setzten sich über sein logisches Denken und den gesunden Selbsterhaltungstrieb hinweg. Für die Dauer eines Lidschlages erkannte er die Dummheit, die er zu begehen vorhatte, doch es war bereits zu spät. Ein kurzer, schaumig-wässriger Speichelstrahl verließ, mit Druck zwischen den Vorderzähnen hervorgepresst, seinen Mund.

      Perplex ließ ihn die Albin los und wich einen Schritt zurück. Sie mochte mit vielem gerechnet haben: Angst, Versprechungen, Schweigen, womöglich sogar mit verbaler Aufsässigkeit. Doch keinesfalls mit einer solch menschlichen Art ihres Gefangenen, seinen Unwillen zum Ausdruck zu bringen.

      Langsam fuhr sie sich mit dem Zeigefinger über die Lippen und betrachtete den feucht glänzenden Film darauf. Dann wechselte ihr Blick scheinbar wieder zu Darius – obwohl sich bei Alben natürlich nie so genau sagen ließ, wohin sie gerade blickten. Den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst und mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck stand sie einige Atemzüge lang da und schien über das soeben Geschehene nachzudenken. Darius erwiderte ihren Blick. Zwanghaft bemüht, nicht wegzusehen oder sich seine Angst anmerken zu lassen, schaute er zu ihr auf.

      Diesmal sah er den Angriff zwar kommen, doch ausweichen konnte der Iatas trotzdem nicht. In einer steil aufwärtsführenden Halbkreisbewegung kam der Fuß der Frau herangeflogen und traf ihn so wuchtig im Gesicht, dass er mitsamt dem Stuhl umkippte. Zwar hatte Darius noch reflexartig den Kopf zu drehen und die Arme zum Schutz hochzureißen versucht, doch die Fesseln waren unnachgiebig geblieben. Für einen Moment wurde er wieder bewusstlos. Aber der dauerte nicht lange an. Sein Verstand war kaum weggetreten, als ihn zwei Hände unsanft am Kragen packten.

      »Tu das nie wieder, hast du verstanden?«

      Zuerst schien die Albin ihn bloß zu schütteln, so als wolle sie verhindern, dass sein Geist vor ihr ins Reich der Ohnmacht floh. Doch dann versuchte sie ihn mit aller Macht an seinem Obergewand wieder in die Höhe zu zerren. Das war vom Kampf gegen Loës allerdings bereits derart in Fetzen gerissen, dass es dem Gewicht des jungen Mannes und dem des schweren Holzstuhles nicht standhielt. Mit einem kurzen Reißen ging der Stoff vollständig entzwei und Darius fiel erneut schmerzlich auf den Boden. Sein Hinterkopf fühlte sich an, als wäre er eine weiche Frucht, in die immer wieder jemand seine Finger drücken würde, um zu testen, ob sie reif war.

      Die Albin, die es nicht geschafft hatte, ihren Gefangenen wieder aufzusetzen und bloß noch den Fetzen seines Hemdes in Händen hielt, schien dies in ihrer Rage für einen weiteren Versuch der Auflehnung zu halten, obwohl Darius nichts dafürkonnte. Mit gefletschten Zähnen packte sie ihn erneut, diesmal am Hals.

      »Ob du mich verstanden hast, will ich wissen, du elende Made?«, kreischte sie weiter. Darius, dem die Frau nun unglaubliche Angst einjagte, bereute inzwischen, was er getan hatte und wollte ihr zustimmen. Niemals hätte er geglaubt, irgendwann einmal so den Schwanz einzuziehen. Doch hatte er im Moment eine andere Wahl? Mehr als ein Röcheln brachte er allerdings nicht hervor und die Hände der Albin drückten so unnachgiebig auf seinen Hals, dass es ihm selbst ohne die Fesseln unmöglich gewesen wäre, mit dem Kopf zu nickten.

      Mit jedem Herzschlag, der verging und in dem er der Albin nicht antwortete, schien diese wütender zu werden und ihn noch fester zu würgen, was zur Folge hatte, dass Darius erst recht nicht dazu in der Lage war, einen Ton von sich zu geben. Es schien kein Ausweg aus dieser Misere zu existieren, und obschon er immer ehrgeizig und optimistisch gewesen war, begann der Kämpfer in ihm sich nun langsam aufzugeben. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen auf und ab. Das Gesicht der Frau, die sich zu ihm hinabgebeugt hatte, blickte ihm hassverzerrt entgegen. Die langen, schwarzen Haare, welche ihr über die spitzen Ohren gerutscht waren und ihr Antlitz schleierartig verdeckten, würden wohl das Letzte sein, das er jemals zu Gesicht bekam.

      Erst kurz bevor er das Bewusstsein verlor, so schien es, ließ sie wieder von ihm ab. Keuchend schnappte Darius nach Luft. Beim Öffnen seines Mundes liefen ihm einige Fäden blutigen Speichels von den Lippen hinab in den Schoß. Als er den Blick hob, stellte er fest, dass er wieder aufrecht saß. Kraftlos hing sein Kopf in den Lederriemen und er vermochte nicht zu sagen, wie er wieder in diese Position gekommen war. Noch immer blickte die Albin auf ihn herab, ihr Gesicht schien zu Eis erstarrt und ließ auch nichts von dessen Kälte missen. Offenbar hatte es sie einiges an Überwindung gekostet, von ihm abzulassen.

      Darius kam inzwischen langsam wieder zu Atem und genoss die feuchte, modrige Luft, die seine Lungen durchströmte. Die schwarzen Punkte vor seinen Augen waren verschwunden, doch die Schmerzen schienen dafür umso stärker in den Vordergrund zu treten. Das Schlimme daran war jedoch, dass er die Qualen noch nicht einmal abschwächen konnte, indem er sich die Hände auf Gesicht oder Hals drückte. Ein weiterer Schwall Blut lief ihm übers Kinn, und als er sich mit der Zunge durch den Mund fuhr, spürte er, dass der Stiefelabsatz der Frau ein fingerdickes Loch in seine Wange geschlagen hatte.

      »So, du bist also ein ganz Harter«, wieder ertönte die Stimme der Albin, diesmal jedoch beherrscht und sachlich, beinahe schon anerkennend, über die zweifellos mutige Tat ihres Gefangenen. Den Schock über seine unerwartete Gegenwehr schien sie inzwischen überwunden zu haben. Doch wie sich im nächsten Augenblick zeigte, war ihr Zorn keinesfalls verraucht. Beiläufig blickte sie sich im Raum um, in dem sich, soweit Darius erkennen konnte, außer ihr selbst nur noch Therry und er aufhielten.

      »Schmerzen scheinen dir ja nicht allzu viel auszumachen.« Demonstrativ drehte sie ihren Kopf suchend in alle Richtungen, bis ihre nachtschwarzen Augen schließlich wie zufällig auf Therry verharrten und gefährlich zu glänzen begannen.

      »Was ... was hast du vor?« Darius’ Stimme klang ungewöhnlich hoch und in diesem Moment hatte er genauso viel Angst wie zuvor, als die Albin ihn beinahe erwürgt hatte. Allerdings fürchtete er sich nicht um sein Wohl, sondern um das von Therry, die ihm noch immer bewusstlos gegenübersaß.

      »Sieh genau hin, dann wirst du es sehen.« Mädchenhaft lächelte sie ihm entgegen, doch unter der falsch aufgesetzten Freundlichkeit, das konnte Darius spüren, brodelte es gewaltig.

      »Wenn du sie anrührst, dann ...«, aber weiter kam er nicht. Urplötzlich verschlug es ihm die Sprache, als die Faust der Albin hart auf Therrys Jochbein traf.

      »Was wolltest du sagen?« Wieder erhob sie die Faust und schlug erbarmungslos zu. »Wolltest du mir etwa drohen?« Diesmal rammte sie Therry das Knie gegen die Brust. Dabei musste sie die Lehne das Stuhles festhalten, damit dieser nicht ebenfalls umkippte. Da ihr Opfer nicht nur gefesselt, sondern auch nach wie vor ohnmächtig war und die Angriffe deshalb nicht spüren konnte, war es eindeutig, auf wen selbige eigentlich abzielten.

      Und es funktionierte. Stumme Tränen rannen Darius übers Gesicht, da er gezwungen war, mit anzusehen, wie seine beste Freundin vor ihm zu Tode geprügelt wurde. Er wagte allerdings kein weiteres Mal das Wort zu ergreifen, um die wahnsinnige Foltermeisterin nicht noch weiter in die Raserei zu treiben. Dabei hätte er in diesem Moment einfach alles gesagt, was sie hören wollte. Kein Bitten und kein Flehen wäre ihm zu entwürdigend gewesen, Hauptsache, sie würde aufhören, Therry so zu quälen.

      Seine eigenen Verletzungen, obschon sie beinahe ebenso lebensbedrohlich waren, spürte er in diesem Moment nicht mehr. Jeder Gedanke in seinem Kopf drehte