Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525793
Скачать книгу

      Bei jedem Atemzug schien es, als würde sich eine Klinge Stück für Stück in sein Inneres bohren. Mit aller Kraft, die Darius in der Lage war aufzubringen, versuchte er sich zu fokussieren. Auch wenn er nichts sehen konnte und alles in ihm danach schrie, durch Tod oder Bewusstlosigkeit den Qualen zu entrinnen, so gelang es ihm doch, sich wenigstens soweit zu konzentrieren, dass er seine Atmung verlangsamen konnte.

      Gleichmäßig und so flach wie möglich wölbte und senkte er seine Brust. Tatsächlich wurden die Schmerzen nach dem ersten Aufflammen etwas weniger intensiv, auch wenn sie noch immer vorhanden waren. Immerhin erlaubte dieser Zustand es dem jungen Iatas erneut den Versuch zu starten, seine Augen zu öffnen.

      Ein hektisches, unkontrolliertes Zucken huschte ihm über die Lider, doch das erwartete Brennen hinter seiner Stirn fiel bei Weitem nicht mehr so schlimm aus wie beim ersten Mal. Anscheinend wurde sein Erwachen auch noch von jemand anderem wahrgenommen, denn schon ertönte eine liebliche Stimme neben ihm, die er aber nur wie durch eine dichte Wolldecke hindurch wahrnahm.

      »Na endlich kommst du wieder zu dir.«

      Leise flüsternd, fast schon zärtlich, hauchte eine Frau die Worte an sein Ohr und zum ersten Mal gelang es Darius, die Augen einen Spaltbreit zu öffnen. Sehen konnte er trotzdem so gut wie nichts. Schwärze breitete sich vor ihm aus, die aber immerhin von dem indirekten Schein einer hinter ihm brennenden Fackel spärlich erleuchtet wurde.

      Wie selbstverständlich wollte er den Kopf drehen, um die Frau, die er neben sich vermutete, anzublicken. Halb hoffte er, dass es Therry war, die an seinem Bett stand, doch irgendetwas in seinem Innersten sagte ihm, dass es sich um jemand anders handelte. Soweit beisammen, dass er Stimmen voneinander unterscheiden konnte, war Darius noch nicht, aber das Vertrauen, welches ihn jedes Mal durchströmte, wenn seine Freundin ihn ansprach, ließ sich ganz eindeutig missen.

      Allerdings kam er ohnehin nicht dazu, sein Haupt zur Seite zu wenden, denn wie auch zuvor schon seine Hand, gehorchte es ihm einfach nicht. Doch nun, wo er die Augen geöffnet hatte, war er wenigstens in der Lage, den Grund dafür festzustellen. An sich herabblickend, bemerkte der Iatas, dass er nicht, wie bisher angenommen, auf dem Rücken lag. Breite, braune Lederriemen, die er im Zwielicht mehr erahnen und auf leichten Druck seiner Gliedmaßen hin spüren konnte, hielten ihn an einem hölzernen Stuhl fixiert.

      »Was zum ...« Er wollte protestieren, doch seine Stimme versagte schon nach der Hälfte des Satzes. Kratzig und tonlos traten ihm die Worte über die Lippen und so langsam kehrte ein Hauch seiner Erinnerung zurück. Die Schlacht gegen die Zwerge, seine Verwandlung, der Kampf mit Loës. Skal! Dumpf klang das letzte Wort in seiner Erinnerung nach und mit dem sonst so Zuversicht spendenden Namen seines Meisters verband er auf einmal nur noch eine negative Empfindung, die er im Moment nicht so recht einzuordnen vermochte. Darius blieb allerdings auch kaum die Zeit, sich länger darüber Gedanken zu machen, da sein brummender Schädel plötzlich mit einer neuen Aufgabe konfrontiert wurde.

      Lautlos, wie ein Schatten, der sich in seiner Schwärze noch von der ohnehin bereits vorherrschenden Dunkelheit abhob, schob sich auf einmal ein Gesicht vor das seine. Schwarze Haare umflossen das Antlitz der Frau, die ihm so nahe war, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Ihre Züge nahm Darius nur verschwommen wahr. Das Einzige, was er deutlich erkennen konnte, waren die markanten, mandelförmigen Augen. Dunkel wie die See bei Nacht blickten sie direkt in die seinen und schienen dabei bis ins Innerste seiner Seele vordringen zu wollen. Doch so unvermittelt, wie die Fremde in sein Sichtfeld getreten war, so plötzlich entfernte sie sich auch wieder von ihm. Mit einer Armlänge Abstand verharrte sie vor dem gefesselten Krieger und blickte abschätzig auf ihn herab.

      »Und du sollst Gott Loës beinahe besiegt haben?« Ihre Stimme hatte nichts Weiches und Mitfühlendes mehr. Sie warf lediglich in kaltem Tonfall eine Frage in den Raum. »Für mich bist du nur ein ganz gewöhnlicher Mensch, der zu meinem Leidwesen das Glück hat, mit unserem Volk verwandt zu sein.« Ein kurzes Schweigen trat ein und Darius, der nun zunehmend Einzelheiten erkannte, blickte verwirrt zu ihr auf.

      Der Oberkörper der Frau wurde von einem zerschlissenen Kettenhemd umhüllt, bei dem am Hals einige Glieder fehlten. Direkt unter der aufgerissenen Stelle kam ein Verband aus weißem Stoff zum Vorschein. Auch wenn alle Alben für ihn mehr oder weniger gleich aussahen, so hatte diese doch etwas an sich, das sie von der übrigen Masse der Schwarzaugen abhob. Es waren weniger ihre weiblichen Züge, die mit Abstand die Schönsten waren, die Darius je gesehen hatte, als vielmehr eine Aura von Überlegenheit, die sie zu umgeben schien.

      »Du bist sogar noch schlimmer als ein einfacher Mensch«, sprach sie angewidert weiter. »Deine Rasse mag minderwertig und dumm sein, doch genau wie der Käfer, der sein Leben lang am Boden kriecht, wissen die meisten von euch immerhin, wo ihr Platz ist. Du aber glaubst auf frevlerische Art und Weise einem Alben gleichgestellt zu sein.« Ihre Stimme war zu einem katzengleichen Fauchen geworden, während sie ihn aus zusammengekniffenen Augen heraus ansah. Darius war drauf und dran, ihr an den Kopf zu werfen, dass er nichts für seine Abstammung konnte und sich nie damit rühmen würde, zur Hälfte ein Alb zu sein, doch er hielt es für besser, zu schweigen und sich seine Kräfte einzuteilen.

      Suchend ließ er den Blick weiter durch den Raum wandern. Dunkle, fein bearbeitete und glatt geschliffene Steine, die sich in schmalen Fugen aneinander drückten, bildeten die Wand hinter der Frau. Ein Blick nach links oder rechts war ihm weiterhin nicht möglich, da sowohl um seinen Hals als auch um seine Stirn Bänder geschnallt waren, die ihn dazu zwangen geradeaus zu sehen.

      Als Darius schließlich die Augen so weit wie möglich nach unten richtete, konnte er gerade noch auf seine eigenen Hände schauen, von denen die Haut in langen, weißlichen Lappen herabhing und das nackte Fleisch offenbarte. Seine Handgelenke waren straff auf die Armlehnen des Stuhles gefesselt worden, und obwohl sein Blick nicht bis zu den Füßen reichte, spürte er auf leichten Druck hin, dass auch sie angebunden waren.

      »In meinen Augen seid ihr beide nichts als Missgeburten.« Wieder hatte die Albin in abwertender Weise die Stimme erhoben. Gleichzeitig stemmte sie wütend die Fäuste in die Hüften. Um die Rechte trug sie einen weiteren Verband. Ihrem Tonfall ließ sich nicht entnehmen, ob sie eine Antwort von Darius erwartete oder überhaupt Wert darauf legte, dass er ihr zuhörte. Umso erstaunter schien sie, als dieser plötzlich den Blick hob und seinerseits das Wort ergriff.

      »Therry ist auch hier?« Seine Stimme war noch immer kraftlos und leise, doch die Albin schien ihn genau zu verstehen, denn plötzlich verzog sich ihr Mund zu einem breiten Lächeln. Anstatt zu antworten, verschwand sie seitlich aus Darius’ Blickfeld. Schon wollte er ihr hinterherrufen, aber zum einen wäre seine Stimme dafür kaum kräftig genug gewesen, zum anderen spürte er, dass sie noch immer in seiner Nähe war und sich keinesfalls von ihm abgewandt hatte.

      Unvermittelt packten zwei Hände von hinten die Lehne seines Stuhles und zerrten ihn grob herum. Für einen Moment fürchtete Darius umzufallen und sein Herz machte vor Schreck einen gewaltigen Sprung. Doch schon einen Moment später standen die vier Beine wieder sicher auf dem Boden. Allerdings sorge das, was er nun erblickte, keinesfalls dafür, dass sein Pulsschlag sich abschwächte.

      Auf dieselbe Weise gefesselt wie er und mindestens genauso elend zugerichtet, sah er sich plötzlich Therry gegenübersitzen. Ihre Augen waren geschlossen und die Verletzungen notdürftig verbunden. Jemand hatte ihr ein sackartiges Gewand über die Schultern gelegt, um behelfsmäßig ihre Blöße zu bedecken, da die Kleidung der jungen Frau, genau wie seine eigene, vom Kampf gegen Loës beinahe vollständig zerrissen oder verbrannt war.

      »Kein schöner Anblick, oder?« Die Albin, die Darius soeben herumgedreht hatte, tauchte wieder in seinem Blickfeld auf. Und schlimmer noch, ihre Finger fuhren an dem zerbeulten Gesicht der Iatas entlang. Geistesabwesend glitten sie über den Verband, welcher um Therrys Schädel gewickelt und von Blut durchtränkt war. Innerlich schien sie an einem vollkommen anderen Ort zu sein.

      »Lass sie los!«, zischte Darius. Seine Stimme wurde mit jedem Male, dass er sie gebrauchte, klarer und durchdringender, was auch der Albin auffiel. Die schien durch sein beherztes Aufbegehren aus ihrer Traumwelt gerissen und starrte nun wieder hasserfüllt zu ihm herüber. Schon wollte Darius erneut den Mund öffnen, um ihr etwas entgegenzuwerfen, doch schneller