Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525793
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Pracht rot eingefärbt, sodass sie nun im kalten Schein der Sonne unwirklich glitzerte. Achtlos lag das blutbesudelte Schwert neben ihm auf dem Boden.

      »... Es hätte nie so weit kommen dürfen ...«

      »Noch nicht ganz.« Bevor Skal vollständig in Selbstmitleid und den Vorwürfen wegen dem, was er falsch gemacht hatte, versinken konnte, riss ihn die Stimme von jenem Cedryk, der neben ihm stand, wieder zurück ins Hier und Jetzt.

      »Was meinst du?«, fragte der Angesprochene, den Blick noch immer halb in Richtung Tal gewandt.

      »Ich kenne den Rest der Geschichte eben noch nicht ganz«, entgegnete der junge Krieger mit lauernder Stimme und deutete dabei auf seine eigene Leiche. »Dafür hast du ja gesorgt. Also, erzähl mir, was danach geschehen ist. Die Legende von einem schwarzen Zauberstein, der im Inneren von Baknakaï versteckt sein soll, ist mir bekannt und offenbar entspricht es auch der Wahrheit, dass man mit seiner Hilfe den Dunklen Gott herbeirufen kann. Doch wieso hast du dich von Loës abgewandt, nachdem Pahrafin und Saparin ihn wiedererweckt haben?«

      Cedryks Stimme war jetzt fast schon fordernd. Begierig ging er einen Schritt auf seinen alten Meister zu. Der war vollkommen perplex, weil er sich nicht erklären konnte, woher sein Gegenüber diese Informationen bezog. Weder hatte er ihm den Namen des zweiten Albenbruders genannt, noch konnte Cedryk ahnen, was sich nach seinem eigenen Tod zugetragen hatte.

      »Woher weißt du, dass ich mich dereinst gegen Loës gestellt ...?«

      »Meine Frage, Skal, beantworte meine Frage!«, unterbrach der Jüngling ihn hart. Seine Stimme wurde zunehmend fordernder und er verharrte nur noch eine Handspanne von seinem Gegenüber entfernt. Die Resignation, mit der er Skals Rede zuvor gelauscht hatte, war dringlichster Begierde gewichen.

      »Ich ... äh ... ich habe mich von Loës abgewandt, das stimmt«, kam der Iatas-Meister der Aufforderung nach einer Erklärung stockend nach. »Ich habe mich gegen den Albengott gewandt und wollte ihn aufhalten, weil ich der Meinung war, mich in ihm getäuscht zu haben. Nachdem du und ich miteinander gekämpft haben, wollten Pahrafin und Saparin mich auf dem Gipfel dieses Berges töten.« Ohne hinzusehen, deutete Skal auf die Felswand des Karakjerras, die sein vergangenes Ich gerade im Begriff war, unter Mühen hinaufzusteigen.

      »Es war einzig einem Zufall zu verdanken, dass ich überlebt habe, denn Saparins Messer ist in dem Anhänger stecken geblieben, den ich nach deinem Tod als Erinnerung an mich genommen hatte. Die Verletzungen, welche du mir während unseres Kampfes zugefügt hast, waren zu schwer, als dass ich gegen die Albenbrüder hätte bestehen können, deshalb habe ich mich tot gestellt.

      Nach dem Angriff jener beiden Kreaturen, denen ich genug vertraut hatte, um selbst dich umzubringen, fühlte ich mich aufs Schändlichste hintergangen und ausgenutzt. Da kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass das, was ich getan habe, womöglich falsch war. Wenn die zwei bereits so grausam und hinterhältig waren, wie würde dann erst ihr Gott sein?«

      »Du hattest die Gelegenheit, Loës zu töten, warum hast du es nicht getan?«, unterbrach Cedryk ihn erneut grob. Es machte auf Skal den Anschein, als ob sein einstiger Schüler ihn nun endlich an die Stelle seiner Erzählung gebracht hatte, an der er ihn die ganze Zeit über haben wollte. Noch immer konnte er sich nur die Frage stellen, woher er dieses Wissen bezog. Kaum jemand, noch nicht einmal Darius und Therry wussten, dass er Irys im Albewald-Tempel hinterrücks den Kopf abgeschlagen hatte, als diese den Dunklen Herrscher im Schlaf ermorden wollte.

      »Wie gesagt, mir kam der Gedanke, dass es womöglich ein Fehler war, Loës aus seinem Gefängnis befreit zu haben. Dennoch habe ich weiter an der Sache festgehalten. Auf keinen Fall wollte ich, dass er stirbt und mit ihm das wohl einzige Wesen, welches in der Lage war, den von Kriegen zerrütteten Menschenreichen aus ihrem Elend zu verhelfen. Aber ich musste auch verhindern, dass das Böse die Welt beherrscht. Ich wollte nicht, dass die albische Grausamkeit und Willkür Epsor in ihre Knechtschaft ziehen. Aus diesem Grund war ich in den letzten Wochen stets hin- und hergerissen, ob ich mit der Wiedererweckung von Loës nun das Richtige getan habe oder aber, ob ich allein schuld daran bin, dass die Welt endgültig im Chaos versinkt.«

      »Deshalb hast du versucht, Loës zu bekämpfen, obwohl du insgeheim hofftest, er würde die Macht erlangen, nicht wahr?« Auf Cedryks Gesicht zeichnete sich ein wissendes Lächeln ab.

      Skal, der sich durchschaut fühlte, im gleichen Moment jedoch auch froh darüber war, endlich mit jemandem über das Geheimnis sprechen zu können, das ihn seit geraumer Zeit immer mehr auffraß, nickte zustimmend. Vor allem, da dieser Jemand kein Geringerer war als Cedryk, dessen Vertrauen er so furchtbar missbraucht hatte und der von allen wohl am meisten unter seinen Fehlern gelitten haben musste.

      »Schon verrückt, oder?«, meinte der Iatas-Meister in versöhnlichem Ton und sah seinem früheren Schüler tief in die pferdebraunen Augen. »Ich hatte gedacht, dass ich Loës’ Wege in die richtigen Bahnen lenken könnte, indem ich eine Truppe von Kämpfern aufstelle, die stark genug ist, um ihm die Stirn zu bieten. Mein Ziel war, dass sich der Dunkle Gott stets einer Macht gegenübersehen würde, die der seinen in nichts nachstünde. Eine Art Pendant sozusagen, damit er nicht zu stark wird. Ich wollte den Gott der Alben an der kurzen Leine halten. Du musst wissen, meine neuen Schüler, Darius und Therry, sind ...«

      »Ich weiß, wer deine neuen Schüler sind, Skal! Und ich weiß auch, was sie sind!«, schrie Cedryk. Jedes Verständnis war aus seiner Stimme gewichen. Das Gesicht, das ihm eben noch so gütig, ja fast verzeihend entgegengeblickt hatte, verzog sich mit einem Mal zu einer wütenden Fratze. Eine tiefe Falte zierte seine Stirn, als er fortfuhr. »Du hast recht, es ist verrückt. Du bist verrückt, wenn du glaubst, du könntest einem Gott den Weg aufweisen, den er einzuschlagen hat. Ihn an der kurzen Leine halten, das waren doch deine Worte?«

      »Ich ... Ich meinte, ich wollte nur ...«, begann Skal verwirrt zu stottern. Er kam mit den Gefühlswechseln des Mannes, den er einst näher zu kennen geglaubt hatte als jeden anderen, einfach nicht mehr mit.

      »Eine Frage habe ich noch an dich.« Cedryks Stimme war mit einem Mal wieder vollkommen ruhig, fast ein Flüstern, so als wären die letzten Augenblicke gar nicht geschehen. Doch dafür durchdrangen seine Worte mit einer solch schneidenden Kälte die Luft, dass es Skal einen Schauer über den Rücken jagte. »Wie stehst du jetzt zu dem Albengott? Versuchst du insgeheim noch immer, Loës Steine in den Weg zu legen oder hast du dich nun vollkommen der dunklen Seite verschrieben?«

      Skal hatte befürchtet, dass diese Frage kommen würde und es widerstrebte ihm, sie zu beantworten. Aber wenn irgendjemand die Wahrheit verdient hatte, dann Cedryk. Ein letztes Mal flüchtete er sich mit einem Blick hinüber zur Leiche seines Schülers und ließ die Augen über die trostlose Umgebung des Karaschja-Gebirges schweifen. Das Gesicht des jungen Mannes war, wie man selbst von ihrem Standpunkt aus erkennen konnte, bläulich angelaufen und so starr, dass es einer Totenmaske glich. Sich selbst konnte Skal zwischen all den schroffen Felsen mittlerweile schon gar nicht mehr entdecken.

      Obwohl er kein Wort sagte, konnte er den ungeduldigen Blick seines einstigen Schülers im Nacken spüren und ohne ihn anzusehen antwortete er: »Nein, ich versuche Loës keine Steine mehr in den Weg zu legen. Im Gegenteil. Inzwischen habe ich erkannt, dass er der einzig wahre Weg ist. Ich muss ihm folgen, da es keine Möglichkeit gibt, seiner Macht zu widerstehen. Deshalb habe ich mich ihm gefügt, anstatt einen sinnlosen Kampf auszufechten, an dessen Ende nur mein Tod gestanden hätte. Obwohl ich natürlich immer noch hoffe, dass er unserem Volk den Frieden bringt.«

      »Oh, keine Sorge, das werde ich«, drang es dunkel und rauchig an Skals Ohr.

      »Was?« Verwirrt hob der alte Krieger den Kopf, um seinen vermeintlichen Gesprächspartner fragend anzusehen. Doch das, was er dann erblickte, ließ ihn einen erstickten Schrei ausstoßen. Wie selbstverständlich stand Loës, in einen dunkeln Umhang gehüllt, neben ihm. Genau an der Stelle, wo sich bis gerade eben noch Cedryk befunden hatte. »Aber ... wie ... wie kann das ...« Skal stockte der Atem.

      »Überrascht?« Loës lächelte ihm süffisant entgegen. Seine schwarz glänzenden Augen blieben jedoch freudlos und kalt. Die Spitzen seiner spinnenbeinartigen Finger hatte er sittsam vor seinem Körper aneinandergelegt. Und obwohl es der makaberen Situation