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Wird unter Einbezug der o.g. Determinanten ein aus Betriebsratssicht annehmbares Volumen des auszugleichenden wirtschaftlichen Nachteils berechnet, stellt sich hieran anschließend die Frage nach dem Verteilungsschlüssel für diese Summe.
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Gestaltungsvarianten der Verteilung von möglichen Sozialplanvolumina sind dabei vielfältig, sie können und sollen auch fallspezifisch Anwendung finden. Damit soll auch gewährleistet werden, dass den Gegebenheiten des Einzelfalls ganz im Sinne des Gesetzgebers Rechnung getragen wird.
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So werden die klassischen Abfindungssummen bei Arbeitsplatzverlust meist mittels des sog. Faktor- oder dem Divisorverfahrens ermittelt. Das Faktorverfahren setzt dabei auf die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit, multipliziert mit dem Bruttomonatsentgelt und einem variablen Faktor (Betriebszugehörigkeit in Jahren * Bruttomonatsentgelt * Faktor). Das Divisorverfahren berücksichtigt zusätzlich noch das Lebensalter und als weiteren Faktor und teilt das Ganze dann entsprechend durch eine Variable – den Divisor ((Betriebszugehörigkeit in Jahren * Lebensalter in Jahren * Bruttomonatsentgelt)/Divisor). Dem Betriebsrat muss bei der Auswahl eines dieser Verfahren natürlich klar sein, dass bei Wahl des Divisorverfahrens junge, noch nicht lange im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tendenziell benachteiligt werden. Eine Zwischenlösung bietet natürlich auch die prinzipielle Anwendung des Faktorverfahrens, wobei die Höhe der Faktoren nach Altersgruppen in Abhängigkeit von den Arbeitsmarktrisiken der jeweiligen Alterskohorte gestaffelt sein kann.
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Als Ausgleich einer möglichen doppelten Benachteiligung von jüngeren Beschäftigten (durch kürzere Betriebszugehörigkeit und geringeres Lebensalter) sind Grund- oder Sockelbeträge als Pauschalzahlungen denkbar, die unabhängig von der persönlichen Lebenssituation zusätzlich zur Formelabfindung ausgezahlt werden.
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Vergleichbare Wirkung hat die Vereinbarung von Mindestabfindungen zur Sicherstellung des Grundsatzes der substanziellen Minderung des wirtschaftlichen Nachteils.
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Innerhalb der Formelabfindung ist insbesondere die Frage nach der Bemessungsgrundlage für das zugrunde gelegte Entgelt zu berücksichtigen. Die Betriebsparteien können hierbei vom Einbezug sämtlicher auch variabler Bestandteile und Sonderzahlungen bis hin zur Betrachtung des reinen Grundentgeltes ohne Zulagen oder Sonderzahlungen alle Varianten vereinbaren. Dies relativiert dann dementsprechend auch die auszuhandelnden Höhen von Faktoren bzw. Divisoren.
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Als weitere übliche Variante der Beachtung individueller Nachteilsmerkmale hat sich die Berücksichtigung von Sozialzuschlägen etabliert, die insbesondere für vorhandene Unterhaltsverpflichtungen sowie etwaige Schwerbehinderungen meist Ausgleichszahlungen in Form von Pauschalbeträgen je Unterhaltsverpflichtung vorsieht. Hier besteht auch die Möglichkeit der weiteren Vornahme von Zahlungen bei etwaig vorliegenden sozialen Härten, bspw. für den Fall, dass aufgrund einer Betriebsänderung beide Lebenspartner einer Familie ihren Arbeitsplatz verlieren.
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Zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten zur Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls können für Menschen aufgrund ihrer persönlichen Situation oder des Lebensalters auch als eine Pauschale für Arbeitsmarktrisiken dargestellt werden.
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Für mögliche nicht absehbare soziale Härtefälle besteht die Möglichkeit der zusätzlichen Vereinbarung eines entsprechenden Topfes mit einem fixen Volumen. Hier sollte die Verfügungshoheit mindestens paritätisch zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber geregelt sein. Häufig wird die Verwaltung solcher Härtefonds auch ganz in die Hand von Betriebsräten gelegt. Mit dieser Verantwortung muss der Betriebsrat jedoch professionell umgehen, d.h. das Gremium sollte klar und transparent über die Verwendung von Mitteln informieren (natürlich unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Grundlagen) und über die Grundsätze der Mittelverwendung innerhalb des Betriebsrats auch weitgehende Einigung erzielen.
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Auch Deckelungen der individuellen Abfindungshöhen können durchaus im Sinne des Betriebsrats sein. Diese sollen aus dieser Perspektive jedoch keinesfalls zu einer allgemeinen Kürzung des Abfindungsniveaus führen, sondern lediglich vermeiden, dass durch pauschalisierende Abfindungsberechnungen der wirtschaftliche Nachteil von Einzelnen überkompensiert wird. Hier ist insbesondere an eine Deckelung von Abfindungssummen bei rentennahen Beschäftigten zu denken, denen aufgrund von hohem Lebensalter und damit häufig einhergehend längeren Beschäftigungszeiten nach der klassischen Formelabfindung Abfindungssummen zuständen, die ihren wirtschaftlichen Nachteil bis zum regulären Renteneintritt übertreffen könnten. Weiterhin können mit Maximalbeträgen einzelne Ausreißer nach oben „eingefangen“ werden, die ggf. bereitstehende Sozialplanvolumina über Gebühr belasten würden. Jenseits absoluter Höchstgrenzen bei der Abfindungssumme besteht auch die Möglichkeit zur Kappung des Bruttomonatsentgeltes bei der Abfindungsberechnung ab einem zu definierenden Betrag oder der Festschreibung einer Maximalanzahl von Monatsentgelten als Höchstabfindungsgrenze.
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Neben den üblichen Abfindungsregelungen gilt es darüber hinaus, die Möglichkeit der Verbesserung der Aussichten auf dem Arbeitsmarkt bzw. der Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen und der Einrichtung von Transfergesellschaften oder auch Outplacement-Maßnahmen zu unterstützen.18 Inwiefern hierbei eine Anrechnung auf ein Sozialplanvolumen erfolgen kann, muss im Einzelfall anhand des Niveaus der angebotenen arbeitsmarktrelevanten Maßnahmen bewertet werden. Häufig diskutierte Stellschraube ist dabei die Einbringung von Entgelten aus der individuellen Kündigungsfrist der betroffenen Beschäftigten zur Finanzierung der Transfergesellschaft. Bei einer vollen Einbringung der Kündigungsfristen in die Transfergesellschaft (also dem unmittelbaren Eintritt in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit der Transfergesellschaft im ersten Monat der Kündigungsfrist) finanzieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht selten gemeinsam mit dem Transferkurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit die Transfergesellschaften selbst, weswegen die Kosten der Einrichtung einer Transfergesellschaft nicht zu einem Sozialplanvolumen hinzugerechnet werden können. Nicht zuletzt ist auch zu berücksichtigen, dass Arbeitgeber durch die attraktive Ausgestaltung einer Transfergesellschaft unter Umständen erhebliche Rechtsrisiken einsparen, die anderweitig monetär zu bewerten wären.19
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Bei wirtschaftlichen Nachteilen durch Arbeitsplatz- und Arbeitsortwechsel sind mögliche Ausgleichsmechanismen wie (un-)befristete Zulagen zu einem niedriger dotierten Arbeitsplatz, Fahrtgeldunterstützungen sowie Umzugsbeihilfen oder Beihilfen bei der Etablierung von Zweitwohnungen denkbare und übliche Instrumente.
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Sämtliche hier genannten Gestaltungsvarianten von Ausgleichsmechanismen für wirtschaftliche Nachteile in einem Sozialplan stellen nur eine exemplarische Auswahl der möglichen Instrumente dar. Betriebsräte sind in jedem Einzelfall dazu aufgerufen, betriebsspezifische oder individuelle Nachteile aufzugreifen und ggf. auch mit kreativen Lösungen den gesetzlich benannten Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.
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Letztlich stehen die Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung des Sozialplanes nicht im Fokus dieses Beitrags. Sie ergänzen lediglich die angestellten Ausführungen zum wirtschaftlichen Nachteil um einige einführende, praktische Überlegungen für den konkreten Umgang mit dem so ermittelten Nachteilsvolumen und verschiedenen Ausgleichsmechanismen. Mit den hier dargestellten Ausführungen sollen Betriebsräten in der belastenden Situation einer Betriebsänderung erste, mögliche Orientierungspunkte in der Herangehensweise zum Aufstellen von belastbaren Sozialplanforderungen an die Hand gegeben werden.
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Wichtig erscheint in diesem Kontext noch der abschließende und abrundende Hinweis, dass jeder Versuch einer schematisch starren oder formelhaften Ermittlung des wirtschaftlichen Nachteils