– bereits ergebniswirksam gebildete Rückstellungen für einen Sozialplan/für Restrukturierungsmaßnahmen.
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Die obige Aufzählung ist nicht abschließend – insbesondere interessant ist bei Unternehmen in Konzernzusammenhängen auch die Frage nach bestehenden Ergebnisabführungs- oder Cashpool-Verträgen, die ggf. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Gesamtkontext einer Unternehmensgruppe besser erscheinen lassen als bei reinem Blick auf die einzelne juristische Person.
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Zwar ist die Gerichtsbarkeit hinsichtlich der Frage der Möglichkeit eines Berechnungsdurchgriffs auf Konzernvermögen bzw. Vermögen von herrschenden Gesellschaften nicht eindeutig, in jüngerer Vergangenheit sogar zunehmend restriktiv. Ein Durchgriff kann sicher nicht generalisierend bejaht werden, da klarer Bezugspunkt des Gesetzes das Unternehmen ist. Jedoch kann insbesondere vor dem Hintergrund des Wortlautes des § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG davon ausgegangen werden, dass keine Fortbestandsgefährdung eines Unternehmens vorliegt, wenn eine entsprechende Verlustübernahme durch eine Muttergesellschaft bzw. die Möglichkeit, Liquidität durch die Inanspruchnahme von konzerneigenen Cashpool-Mitteln in Anspruch zu nehmen, vorhanden ist. Eine Fortbestandsgefährdung des Unternehmens durch Illiquidität bzw. Überschuldung kann bei Vorliegen solcher gesellschaftsrechtlichen Verträge bzw. Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden.15
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In der Realität werden gerade bei Sozialplänen in konzernzugehörigen Unternehmen oftmals De-facto-Obergrenzen durch Konzernspitzen vorgegeben. Dies erfolgt, damit die Preise bei möglichen zukünftigen Sozialplänen in anderen Konzernunternehmen „nicht verdorben“ werden – sprich, damit nicht jeder Sozialplan von Mal zu Mal für ein Unternehmen teurer wird. Diese strategische Betrachtungsweise mag aus Sicht der Konzernspitzen nachvollziehbar sein, für die von einer Betriebsänderung betroffenen Beschäftigten spielen solche Überlegungen jedoch keine Rolle und können dementsprechend auch nicht für einen Betriebsrat handlungsleitend sein. Nichtsdestotrotz kommt es hierüber nicht selten zu ernsthaften Meinungsverschiedenheiten in den Beratungen über die Ausstattung des Sozialplanes. Letztlich kann jedoch auch in dieser Situation auf das Gesetz und die dort niedergelegten Grundsätze mit den Maßstäben des § 112 BetrVG verwiesen werden. Die substanzielle Milderung wirtschaftlicher Nachteile kann demzufolge nicht durch eine starre Direktive von oben definiert werden, sondern ist in jedem Fall von den Gegebenheiten des Einzelfalls und den vorliegenden bzw. zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteilen zu bestimmen. Sowohl Wortlaut, Historie, Sinn und Zweck als auch Zusammenhang der Sozialplannorm mit den übrigen Vorschriften des BetrVG lassen keinen anderen Schluss zu.
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Als pragmatischer Hinweis für Betriebsräte sei an dieser Stelle jedoch auf alternative Möglichkeiten der Ausgestaltung von Sozialplanvolumina jenseits der klassischen Elemente hingewiesen. So bestehen auch Möglichkeiten, „politische Konzernvorgaben“ wie Faktoren, Divisoren oder Maximalabfindungen einzuhalten und dennoch substanziell bestehende wirtschaftliche Nachteile auszugleichen. Hier bedarf es ein wenig Kreativität, z.B. im Hinblick auf Definitionen von Betriebszugehörigkeit oder auf das als Bemessungsgrundlage dienende Bruttomonatsentgelt. Gleichzeitig kann mit Fix- oder Sockelbeträgen gearbeitet werden und es können Sozial- oder andere Zuschläge vereinbart werden, die nicht unter Maximalbeträge fallen und die unter Rn. 124 näher beleuchtet werden.
4. Die individuelle Dimension
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Grundlegender Zweck des Sozialplanes ist ein an den Gegebenheiten des Einzelfalls orientierter Ausgleich bzw. die Milderung wirtschaftlicher Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
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Daher sind die individuell zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile der Beschäftigten letztlich maßgeblicher Bestandteil für die Dimensionierung eines Sozialplanes.
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Die einen Sozialplan determinierenden Variablen sind dementsprechend die einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von einer Betriebsänderung betroffen sind. Hier haben die Betriebsparteien einen klaren Prüfungsauftrag hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile im Einzelfall.
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Insofern sind für die Beschäftigten im Falle von Veränderung oder Verlust ihrer Arbeitsbedingungen oder -plätze die tatsächlichen Nachteile in den Blick zu nehmen.
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Ausgangspunkt ist die wirtschaftliche, materielle Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse vor Umsetzung bzw. Einleitung der betriebsändernden Maßnahmen, d.h. im Einzelnen ist hierbei an nachfolgende Bestandteile zu denken:
– regelmäßig erzieltes Arbeitsentgelt inkl. etwaiger Zulagen/Zuschläge;
– Sonderzahlungen;
– Prämien/Boni;
– Mitarbeiteraktienpakete o.ä. Beteiligungsmöglichkeiten;
– vermögenswirksame Leistungen;
– freiwillige soziale Leistungen;
– betriebliche Altersvorsorge;
– Aufwendungen/Zeit für den Weg zur Arbeit.
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Bei einem ersatzlosen Entfall des Arbeitsverhältnisses sind diese Summen aufzuaddieren und als zunächst bestehender, individueller Nachteil der betroffenen Beschäftigten festzuhalten.
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Bei einer Änderung/Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ist die Differenz zum bisherigen materiellen Entgelt zu bilden und es sind etwaige weitere Belastungen mit in die Rechnung einzubeziehen. Dies könnten etwa weitere Wege zur Arbeit, belastendere Arbeitszeiten oder notwendige, berufsbegleitende Qualifizierungen sein.
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Solchen kumulierten Eurobeträgen können dann mögliche, gesetzliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld I, (vorgezogene) Rentenzahlungen oder Ähnliches entgegengestellt werden.
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Wie bereits oben ausgeführt, können diese Summen auch als erster Orientierungsmaßstab hinsichtlich der Sozialplanhöhe gelten. Hinsichtlich des Volumens gilt es zu verhandeln, über welchen Zeitraum die identifizierten Nachteile auszugleichen sind. Dies ist dann wiederum an den bereits unter Rn. 88 diskutierten regionalen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie an den individuellen Merkmalen der von Nachteilen bedrohten Beschäftigten zu messen.
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Letztere bestehen insbesondere bei Verlust des Arbeitsplatzes in:
– der persönlichen Qualifikation der Betroffenen:– Neben einer betrieblichen oder universitären Erstausbildung zählen hier auch erworbene Zusatzqualifikationen und tatsächlich ausgeführte Tätigkeiten im Betrieb; eine geringere Qualifikation bringt tendenziell einen erhöhten wirtschaftlichen Nachteil mit sich, da die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher schwieriger zu bewerten sind.
– dem Alter der Betroffenen:– Hier geht man davon aus, dass die wirtschaftlichen Nachteile mit dem Lebensalter steigen, da die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt im Hinblick auf eine gleichwertige Tätigkeit mit steigendem Alter sinken; ab einem Alter von ca. 60 Jahren kann jedoch von einem geringer werdenden wirtschaftlichen Nachteil ausgegangen werden, da dann häufig innerhalb eines überschaubaren Zeitraums der wirtschaftliche Nachteil durch Zahlungen aus der Rentenversicherung ausgeglichen werden kann.
– der Beschäftigungsdauer im Betrieb:– Tendenziell korreliert dieses Merkmal positiv mit dem Alter der Betroffenen, dies ist jedoch individuell keineswegs immer der Fall; durch eine langjährige, u.U.