„Ist es nicht wunderschön? Es gibt nichts, was großartiger ist, nicht wahr?“
Ich sehe zu ihm rüber und bin überrascht, mit welcher Bewunderung er zu den Himmelsgestirnen aufsieht. Er scheint es tatsächlich ernst zu meinen. Was soll an ein paar glühenden Steinbrocken so faszinierend sein? Ich wende meinen Blick von ihm ab und starre nochmals zum Himmel empor. Zugegebenermaßen habe ich mir den ihn nie sonderlich betrachtet, doch je länger ich nach oben schaue, desto mehr kann ich seine Begeisterung verstehen. Ein überwältigendes Sternenmeer scheint sich ins endlose Dunkelblau zu erstrecken und inmitten des leuchtenden Meeres erhebt sich der runde Vollmond, heller und strahlender als alle Sterne zusammen. Minuten vergehen in denen wir schweigend nebeneinander sitzen und das Schauspiel der Natur bewundern. Eine innere Ruhe befällt mich, ungewohnt und mir völlig unbekannt. Irgendetwas stimmt hier nicht, doch ich komme nicht dahinter, was es ist.
„Weißt du, es ist doch schade, dass keiner mehr ein Auge für die Schönheit hat, die uns umgibt. Alle sind immer im Stress oder ganz und gar mit sich selbst beschäftigt“, unterbricht er mit nachdenklicher Stimme die Stille und ich schaue zu ihm rüber. Er hat den Blick nicht abgewendet und sein gesamter Körper ist entspannt. In seinen Augen spiegelt sich ein verträumter Glanz wider und sein Gesicht wird von dem zarten Schein des Mondes benetzt, als würde dieser den jungen Mann zärtlich streicheln. Ich weiß nicht warum, doch ich kann den Blick einfach nicht von ihm abwenden, auch nicht, als seine Hand anfängt, sanft über mein Fell zu streicheln und mich im Nacken zu kraulen. Unglaublich behutsam und zart …
Ich schließe kurz die Augen, doch schon im nächsten Moment reiße ich sie wieder auf, um ihn anzusehen. Ich darf mich nicht gehenlassen! Dann könnte ich genauso gut anfangen zu schnurren! Nie und nimmer!
„Wahrscheinlich hältst du mich für total bescheuert und womöglich hast du recht.“
Ein leicht melancholisches Grinsen huscht über sein Gesicht und ich kann eine tiefe Traurigkeit in seinen Augen erkennen.
„Manchmal … manchmal denke ich, dass ich irgendwie nicht dazu passe, dass ich komplett unterschiedlich bin. Verstehst du, was ich meine? Ah, eher nicht!“
Er lacht verlegen auf, bevor er vorsichtig mit den Unterlagen in der Hand aufsteht und sich streckt, wobei sein T-Shirt ein Stück nach oben rutscht und ein Stück seiner weißen Haut preisgibt, welche verführerisch im silbernen Mondlicht glänzt. Ich lecke mir unbewusst über die Lippen und mein Blick haftet an seinem versteckt knackigen Hintern, als er zurück in die Wohnung geht. Ein prickelnder Hitzeschwall durchströmt meinen Körper und lässt mich kurz erschauern. Verwirrt von meinen eigenen Reaktionen folge ich ihm hinein. Er hat gerade eine Kerze angezündet, welche er vorsorglich auf einen Unterteller oben auf der Wohnzimmeranrichte hinstellt. Als er sieht, dass ich reingekommen bin, lächelt er mir sanftmütig zu und schließt die Balkontür. Die Fenster lässt er wieder sperrangelweit offenstehen. Das sollte er sich echt abgewöhnen. Ohne dass er es andeuten muss, springe ich auf die braune Couch und schaue ihn auffordernd an. Verdutzt blickt er zurück, dann beginnt er herzlich zu lachen.
„Du kennst mich aber gut!“
Lächelnd lässt er sich neben mir nieder und beginnt erneut, über mein Fell zu streicheln. Genüsslich strecke ich mich seinen zärtlichen Händen entgegen und schalte alle Gedanken aus. Ich weiß, dass es nicht richtig sein kann, was ich tue, doch der Wunsch, von ihm berührt zu werden, wandelt sich zu einem berauschenden Drang, reißend wie ein Fluss. Im Moment möchte ich nicht denken und mich einfach nur dem seltenen und fremden Moment der Geborgenheit hingeben.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, hebt er mich auf seinen Schoß. Mir entfährt ein kurzes, empörtes Murren, ein letzter Versuch meines verbliebenen Ichs sich zu wehren, doch vergebens. Ich lasse es geschehen und lege mich schließlich hin. Während ich seiner beruhigenden Stimme lausche und mein müder Körper von seinen warmen Händen gestreichelt wird, schließe ich langsam meine Augen und ergebe mich den Wogen der Dunkelheit, bis ich nichts mehr höre und sehe.
***
Mit großen Schritten sprinte ich die verlassenen Straßen entlang. Es ist später geworden, als ich geplant hatte, doch ich hatte einfach viel zu bequem gelegen und hatte zu gut geschlafen. Als ich erwacht war, hatte ich mich auf seinem Bauch eingerollt vorgefunden. Er selbst war auf dem Rücken liegend eingeschlafen und hatte so friedlich dabei ausgesehen. Unschuldig. Frei.
Ich schüttle beim Rennen den Kopf und konzentriere mich wieder auf das Wesentliche, denn ich muss mich beeilen, um nicht zu spät zu kommen. Moritz ist bestimmt schon da und wartet, um mit seiner gesammelten Beute zu prahlen. Bei dem Gedanken wird mir speiübel. Nicht mehr weit und ich habe das Portal zur Dämonenwelt erreicht. Wie gut, dass es nahe des Dorfes eins gibt, denn meistens sind diese nur bei größeren Städten vorhanden. Vor den eingestürzten Pfeilern der ehemaligen Rheinbrücke bremse ich ab und schaue mich der Regel entsprechend noch einmal um, um sicherzugehen, dass kein ungebetener Zuschauer in der Nähe ist. Natürlich bin ich allein. Mein Blick fällt kurz auf den grünbläulich schimmernden Fluss, der das schönste Bild in der verkommenen Landschaft bildet. Wenigstens ein Stück Natur, welches von den Menschen nicht gänzlich verunreinigt wird. Dann suche ich mir mühevoll meinen Weg durch das kantige Geröll zu einer steinernen Plattform mit eingraviertem Pergament, welches auf dem Boden liegt. Ich muss gestehen, dass es ein sehr gutes Versteck für ein Portal ist, denn hier kommt fast niemand her und selbst wenn, würde sich kein normaler Mensch die Mühe machen, den großen und zirka neun Meter langen Schutthaufen zu beseitigen. Allerdings war es für uns Sammler jedes Mal eine Qual, dieses Tor zum Weltenwechsel zu benutzen. Auch heute wieder bleibe ich unsanft mit meiner rechten Seite an einem der Steinbrocken hängen und schürfe mir die Haut auf. Ein genervtes und schmerzliches Fauchen entweicht meiner Kehle, doch ich beiße die Zähne zusammen und versuche, das sofort aufkommende Brennen zu ignorieren. Schnell krieche ich auf die Plattform und konzentriere mich in Gedanken auf die vertraute Dämonenwelt, bis das Portal schließlich zu leuchten beginnt und ich mich in meiner bekannten Umgebung wiederfinde. Endlich kann ich meine menschliche Form annehmen. In mir keimt der Wunsch auf, mich zu strecken, doch ich brauche mich nicht umzusehen, um zu wissen, dass ich beobachtet werde. Ich spüre den stechenden Blick und verdrehe genervt meine Augen.
„Hast du denn nichts Besseres mit deiner Zeit anzufangen?“, frage ich gereizt, ohne ihn dabei anzusehen und steige eilig die Treppen vom Podest herab, welches prachtvoll in der Mitte des geräumigen Saales liegt wie ein kleiner Altar.
„Skip, mein alter Nichtfreund! Wieso denn so schlecht gelaunt? Sind wir schon wieder etwas zu spät dran?“, erwidert Moritz gehässig und seine hallenden Schritte verraten mir, dass er genau wie ich auf das Ausgangstor zusteuert, das zu den privaten Räumen zu unserem Herrn führt. Ich versuche ihm keinerlei Beachtung zu schenken und setze meinen Weg zielstrebig fort. Wie erwartet stellt er sich direkt vor das geschlossene Tor und grinst mich herausfordernd an.
„Was denn? Du ignorierst mich? Das ist aber sehr unhöflich, wo ich mir doch nur Sorgen um dich mache! Ist wohl heute Nacht nicht so gut gelaufen, wie?“
Sein Grinsen wird noch breiter als es ohnehin schon ist und seine schwarzen Augen blitzen belustigt auf. Abermals verdrehe ich genervt meine Augen und atme laut aus. Wie gerne würde ich ihm jetzt eine verpassen und ihn an seinen schwarzen Locken durch die gesamte Halle zerren.
„Wie unendlich einfühlsam von dir! Wie du schon sagtest – ich bin spät dran, also zur Seite!“, bemerke ich spitz und greife nach seiner Schulter, um ihn aus dem Weg zu schieben, doch er weicht mir geschickt aus.
„Nicht doch! Du kannst ruhig eine kleine Runde mit mir schnacken, denn im Moment ist Donald bei unserem Herrn, um seine mickrige Ausbeute zu übergeben … apropos mickrige Ausbeute“, sein Grinsen scheint nun ganz sein gebräuntes Gesicht zu bedecken und seine übersprudelnde Gehässigkeit springt mir geradezu entgegen. „Ich habe heute drei Leben gesammelt! Er war sehr zufrieden mit mir. Wie