Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1. Hannes Wildecker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hannes Wildecker
Издательство: Bookwire
Серия: Tatort Hunsrück
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750209398
Скачать книгу
Wie sieht’s aus?“

      Sie hatte Gehweiler nicht kommen hören und erschrak. „Du kannst mir behilflich sein. Sieh bitte mal im System nach, ob diese Person unter der angegebenen Adresse existiert. Und noch was: versuche herauszufinden, ob unter diesen Personalien irgendwelche Erkenntnisse vorliegen, laufende Verfahren, Vorstrafen oder Ähnliches. Du kennst dich hier besser aus. Ich werde dich begleiten.“

      Auf dem Monitor wechselten die Seiten, bis Gehweiler endlich in dem Bereich angekommen war, wo er die vermuteten Personalien des Festgenommenen eingab.

      Er nickte und zeigte mit dem Finger auf die Monitorfläche. „Köhler wohnt in Trier, so wie er es angegeben hat.“

      „Dann stimmen also auch die restlichen Personalien?“

      „Ja, offensichtlich. Josef Köhler, geboren am 15.3. 1992 in Hermeskeil …“

      „In Hermeskeil?

      „Hm.“

      „Ist ja seltsam. Köhler wurde vor 19 Jahren in Hermeskeil geboren, wohnt jetzt in Trier und wurde in einem leerstehenden Haus in Hermeskeil festgenommen. Dafür muss es doch einen Grund geben. Er wird uns einiges zu erklären haben, da bin ich mir sicher.“

      Gehweiler blätterte in den Seiten des polizeilichen Systems weiter, bis er schließlich in den Eingabebereich gelangte.

      „Dann wollen wir mal sehen“, sagte er vor sich hin und gab Namen und Geburtstag in die entsprechende Rubrik ein. Er schüttelte den Kopf. „Nichts.“

      „Das heißt, er ist strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten“, stellte Leni nüchtern fest und ließ sich auf einen Stuhl neben dem Gehweilers fallen. „Ich frage mich, warum er uns nicht sagt, was er dort oben wollte. Warum hat er so lange gezögert, seine Identität preiszugeben?“

      „Versuch es herauszufinden.“

      „Druck mir bitte alles aus, auch wenn es nur scheinbar uninteressante Erkenntnisse sind.“

      „Kurze Zeit später hielt sie die ausgedruckten Seiten in der Hand. „Köhler, Peter, geboren am 15.3. 1992 in Hermeskeil, wohnhaft in Trier, Treverer Platz 54“, sagte Leni vor sich hin und betrachtete gedankenverloren die Blätter in ihrer Hand. „Wer wohnt noch alles in dem Haus? Sieh bitte nach.“

      Kurz darauf hielt sie den Ausdruck in Händen, der ihr außer der Wohnung Köhlers noch drei Familien offerierte. Der Name Köhler tauchte dabei nicht mehr auf.

      „Ist das alles?“ Gehweiler riss sie aus ihren Gedanken.

      „Ja, das ist alles … nein, noch etwas. Ich brauche alle Einwohner in Trier mit dem Namen Köhler.“

      „Alle?“ Gehweiler schaute ungläubig drein.

      „Nein, nicht alle. Nur die Köhler, die sich mit ‚ö‘ schreiben. Die mit ‚oe‘ kannst du außer Acht lassen.“

      Leni erhob sich. „Bringst du mir die Sachen nach unten? Ja, und noch eins. Ich brauche auch die Köhlers hier aus Hermeskeil. Wenn es denn welche gibt.“

      Im Weggehen drehte sich Leni noch einmal zu Gehweiler um, der in seine Arbeit mit dem Computer vertieft war.

      „Harry … du hast etwas gut bei mir. Ein Feierabendbier.“

      „Gehweiler sah auf. Ein Bier? Also drei müssten da schon drin sein.“

      „Sie haben hier in Hermeskeil gewohnt. Warum haben Sie nichts davon erwähnt?“ Leni legte den Ausdruck des Computers mit den Meldedaten vor Köhler auf den Tisch.

      „Sie haben nicht danach gefragt“, war die schnippische Antwort.

      „Sie sind sogar in Hermeskeil geboren. Ein waschechter Hermeskeiler also. In Trier wohnen Sie erst seit“ … Leni drehte das Blatt Papier zu sich herum … „seit 2 Jahren. Warum sind Sie weggezogen?“

      „Das ist meine Sache“, kam die wiederum kurze Antwort.

      „Gut, das reicht“, schaltete sich Overbeck ein. „Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie in dem Haus am Rande der Stadt gesucht haben. Ich gebe Ihnen eine mögliche Antwort: Der Täter kehrt in vielen Fällen zum Tatort zurück. Also, was wollten Sie dort?“

      Köhler schwieg.

      „Dass Sie einen Einbruch begangen haben, das dürfte Ihnen wohl klar sein. Einbruchsdiebstahl ist ein Vergehen, das nicht unerheblich bestraft wird.“

      „Ich habe nichts gestohlen.“

      „Dann bleibt immer noch ein versuchter Einbruchsdiebstahl. Auch damit geht man nicht straflos aus.“

      „Beweisen Sie mir das. Ich habe das Fenster eingeschlagen. Na und? Sachbeschädigung, ja, dazu stehe ich. Mehr können Sie mir nicht beweisen.“

      „Herr Köhler“, Overbeck zog den Namen bedächtig in die Länge und ging mit ausgebreiteten Armen im Raum umher. „Herr Köhler“, wiederholte er. „Uns geht es nicht darum, einen Einbruch oder seinen Versuch, oder Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung aufzuklären. Meine Kollegin und ich sind von der Mordkommission und Sie sitzen hier vor uns, weil wir Sie verdächtigen, einen, ja vielleicht zwei Morde begangen zu haben. Was zählt da schon ein Einbruch.“

      Overbecks Worte schienen auf fruchtbaren Boden zu fallen. Kein Aufbrausen, wie die beiden Kriminalisten es erwartet hatten, kam als Reaktion auf die Anschuldigung. Köhler lehnte sich zurück und schien in sich zusammenzusacken.

      „Ich habe weder einen Mord noch einen Einbruch begangen“, sagte er leise.

      „Dann sagen Sie uns, was Sie dort wollten.“ Overbeck war an den Tisch herangetreten und stellte die Frage ebenso leise und wartete mit vorgeneigtem Oberkörper gespannt auf die Antwort. Ich habe ihn soweit, dachte er. Jetzt wird er es auskotzen.

      „Ich wollte mir den Ort ansehen, wo der Mord geschah“, sagte er schließlich.

      „Der Mord?“ Overbeck schüttelte den Kopf. „Die Morde! Zwei Morde. An der gleichen Stelle. Warum wollten Sie sich den Ort ansehen? Hat Sie Ihr Gewissen dorthin getrieben?“

      „Verdammt noch mal, hören Sie mir eigentlich zu?“, schrie Köhler und neigte sich ebenfalls nach vorne, so, dass sein Gesicht das von Overbeck fast berührte. „Ich habe niemanden ermordet. Ich hatte einen Grund, dort zu sein. Einen persönlichen.“

      Overbeck lehnte sich zurück und nahm damit die Spannung aus der Situation. Köhler hielt in seiner Stellung inne.

      „Erzählen Sie uns Ihre Version“, ließ sich nun auch Leni vernehmen, die die letzten Minuten geschwiegen hatte. Er sieht nicht wie ein Mörder aus und seine Argumente müssen einen anderen Hintergrund haben, dachte sie bei sich. „Was Sie uns auch erzählen, wir werden es überprüfen, ob zu Ihrem Nachteil oder zu Ihren Gunsten. Darin besteht unsere Arbeit. Also, kommen Sie.“

      Es schien, als überlege Köhler. Schließlich sagte er: „Wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, werden Sie mir ebenso wenig glauben.“

      „Versuchen Sie es.“

      „Er war mein Vater.“

      Es war auf einmal sehr still in dem Vernehmungsraum, der eigentlich geprägt war von robuster Kommunikation. Leni sah Overbeck an, dann wandte sie sich wieder an Köhler und fragte bewusst leise, als habe sie Angst, er könne sich wieder dazu entschließen, seine Aussage zu verweigern.

      „Ihr Vater? Wer war Ihr Vater?“

      Köhler sah unter sich und auf einmal kam es Leni so vor, als habe sie einen zerbrechlichen jungen Menschen vor sich.

      „Ich habe mir geschworen, nie mehr im Leben über meinen Vater zu sprechen. Ich hatte ihn aus meinem Leben, aus meinem Gedächtnis gestrichen. Doch als er dann tot war …“

      „Ihr Vater?“, Leni zeigte sich irritiert und Overbeck sah ein, dass er sich nun zurückhalten musste. Hier war weibliches Fingerspitzengefühl mehr gefragt, das sah er ein. Sein Interesse aber wuchs. „Ihr Name