Kapitel 34
Die Wunde im Oberarm Rainer Balthoffs schmerzte höllisch, das Lenken seines Fahrzeuges fiel ihm schwer. Ich brauche Hilfe, darauf waren seine Empfindungen, seine Gefühle abgestimmt. Seine Gedanken überschlugen sich. Erst entschied er sich, in ein Krankenhaus zu fahren, ihnen dort zu sagen, dass eine unbekannte Person ihn angeschossen habe. Doch den Gedanken verwarf er schnell wieder. Man würde ihm nicht glauben, was ihm völlig egal gewesen wäre. Aber man würde die Polizei benachrichtigen, sie würde im Krankenhaus erscheinen, man würde ihn befragen. Man würde seine Person überprüfen und feststellen, dass er kürzlich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Alle Glaubwürdigkeit wäre mit einem Schlag dahin. Der Polizeiapparat würde sich ein weiteres Mal um ihn kümmern und wer weiß, wie das Ganze ausgehen würde.
Nein, den Gedanken verwarf er sofort wieder.
Er könnte in einer Apotheke Verbandsmaterial kaufen und seine Wunde selbst versorgen. Während er seinen blutdurchtränkten Ärmel betrachtete, schüttelte er im Hinblick auf diesen Gedanken seinen Kopf. Nein, auch der Apotheker würde die Polizei einschalten. Ihm musste etwas Anderes einfallen.
Doch plötzlich wusste er, was zu tun war. Er erinnerte sich eines Mitgefangenen. Peter Herbig war sein Name. Im Knast nannten ihn alle nur Pitt. Er und dieser Pitt hatten sich nur kurze Zeit gekannt, denn er wurde ein Jahr vor seiner Entlassung nach Trier verlegt. Balthoff hatte sich vorgenommen, in den letzten Monaten nicht unangenehm aufzufallen, denn er wollte seinen Aufenthalt in seiner Zwangswohnung nicht unnütz verlängern.
Pitt, der wegen Raubes einsaß, hatte nur noch ein halbes Jahr abzusitzen und ihm ging es offensichtlich ebenso. Nur nicht auffallen, die letzten Monate absitzen und dann auf in die Freiheit, die so viel zu bieten hatte.
Balthoff wusste, dass Pitt in Polch wohnte, er hatte ihm davon erzählt. Dreißig Kilometer waren es bis dorthin und Balthoff überlegte, wie er seinen ehemaligen Mitinsassen dort ausfindig machen konnte. Er erinnerte sich an Gespräche mit ihm und versuchte herauszufinden, ob irgendwelche Örtlichkeiten erwähnt wurden. Dann fiel es ihm ein. Pitt hatte einmal eine Parallele gezogen zu der Bank, die er überfallen hatte und der Straße, in der er wohnte und hatte sich darüber amüsiert. Eine Raiffeisenbank hatte er überfallen und seine Wohnung hatte er in der Raiffeisenstraße oder so ähnlich. Auf jeden Fall war es etwas mit Raiffeisen, da war sich Balthoff sicher.
Er schöpfte wieder Hoffnung. Lass ihn zu Hause sein, flehte er, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wen er mit der Erfüllung dieser Hoffnung beauftragte. Seine Schmerzen waren vergessen und Balthoff trat das Gaspedal durch. Eine knappe halbe Stunde später fuhr er in die Ortschaft ein.
Er betrachtete seinen Arm. Das Blut aus der Wunde hatte sich über den gesamten Oberarm verteilt. So konnte er niemanden nach dem Weg fragen. Er tastete mit der gesunden Hand über die Sitzfläche der Rückbank, wobei er das Fahrzeug mit den Knien lenken musste, zu sehr schmerzte der Arm, wenn er die Muskeln zum Lenken anspannen musste. Er fand eine Wolldecke und freute sich insgeheim darüber, dass er vergessen hatte, sie am gestrigen Abend mit in die Wohnung genommen zu haben. Balthoff warf sie über den verletzten Arm. Dann hielt er Ausschau nach irgendwelchen Passanten, die er nach dem Weg befragen konnte.
Eine junge Frau mit einem Kinderwagen wartete am Fußgängerüberweg. Ehe sie ihn passieren konnte, machte er sich durch kurzes Hupen bemerkbar und fragte sie nach der Raiffeisenstraße.
„Sie meinen den Raiffeisenring. Ja, der ist gleich da vorne. Er zieht sich aber, ist eben ein Ring.“
„Kennen Sie die Leute hier?“, fragte er und hoffte, dass es so sei.
„Zu wem wollen Sie denn?“, kam die Gegenfrage.
„Herbig, Peter Herbig. Kennen Sie ihn vielleicht?“
Das Gesicht der jungen Frau war auf einmal wie versteinert. Sie machte Anstalten, den Kinderwagen an seinem Auto vorbeizuschieben. Dann schien sie kurz zu überlegen.
„Fragen Sie im Bierkeller nach. Ist gleich da vorne um die Ecke. Ich würde wetten, dass Sie ihn dort finden. Sind Sie ein Freund von ihm?“ Die Frage hatte etwas Lauerndes, doch sie erhielt keine Antwort.
Balthoff murmelte ein „Danke“ und drehte die Seitenscheibe hoch. Die Frau überquerte kopfschüttelnd die Straße, den Kinderwagen vor sich herschiebend.
Kurz darauf stand Balthoff vor der Kneipe. Einem Jungen, der mit seinem Skateboard vorbeikam, gab er ein paar Euro, damit er in der Gaststätte nach Pitt Herbig fragen sollte. „Wenn er drin ist, soll er bitte sofort zu mir kommen“, sagte er, ehe der Junge in der Kneipe verschwand.
Kurz darauf erschien der Junge wieder und schnappte sein Skateboard. „Er kommt“, rief er und fuhr davon. Kurz darauf stand Pitt Herbig neben seinem Fahrzeug.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.