Sarah Boils Bluterbe. Nicole Laue`. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Laue`
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261509
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Sarah, jetzt habe ich aber Angst.“

      „Ich weiß nicht, wie du das anstellst, aber bleib gefälligst aus meinen Gedanken. du verdammter Mistkerl.“

      Er blieb abrupt stehen. Ohne seine Geschwindigkeit mit dem bloßen Auge erfassen zu können, stand er im Bruchteil einer viertel Sekunde ganz dicht vor mir. Es war mir ein Rätsel welche Fähigkeiten in diesem Wesen schlummerten und woher sie kamen. Seine starren Blicke ruhten auf meinem Mund. Dann zischte er durch die Zähne: „Verdammter Mistkerl? Eindeutig ja! Ich bin verdammt! Aber Mistkerl, das kannst du nicht beurteilen. Du hast ja keine Ahnung, wer und was ich bin.“

      Doch, du bist mein Hirngespinst und irgendwann werde ich dich mit therapeutischer Hilfe auch wieder los. Und wenn ich eine Kiste Psychopharmaka in mich hinein zwingen muss.

      Er tippte mit seinem fast schon filigranen Finger an meine Stirn.

      „Wach auf, kleine Sarah, alles was du hier erlebst, ist Realität. Du kannst nicht mehr aussteigen. Du kannst davor flüchten, aber es wird dich einholen, wo immer du bist, wo immer du dich versteckst. Du bist mitten im Spiel und es gibt keinen Weg für dich hinaus.“

      Doch, in einer Gummizelle, wenn ich dort einmal drin bin, komme ich so schnell nicht wieder raus.

      „Du begreifst es einfach nicht,“ er schüttelte den Kopf, wandte sich mit diesen Worte ab, ging den Weg weiter und rief: „Komm einfach mit, wir haben keine Zeit für deine Paranoia.“

      „Wohin?“ rief ich ihm nach und blieb trotzig wie ein kleines Kind, die Hände in die Hüften gestemmt, stehen. Er wandte sich ein letztes Mal um: „Ich zeige dir die Antworten auf all deine Fragen.“

      Ich dachte über seine Worte nach. Wägte ab, ob ich ihm wirklich folgen sollte. Wenn ich hier und jetzt doch unter Paranoia litt, dann war es auch nicht weiter tragisch, ihm zu folgen. Dann war es nicht im Geringsten gefährlich. Wenn ich ihm allerdings glauben konnte und er existierte nicht nur in meiner Fantasie, dann musste ich heraus finden, was er von mir wollte. Und natürlich wer und vor allem was ich jetzt war. Also gab es nur ein klares `Ja`.

      Wir erreichten alsbald die kleinen Parkbuchten am Niehler Hafen. Lionel ging auf einen alten Mercedes zu und schloss ihn auf. Er nickte mir stumm zu und deutete auf die Beifahrertüre.

      Oh Gott, soll ich jetzt wirklich in diesen Wagen steigen?

      Doch welche Wahl hatte ich? Ich versuchte in seinem Gesicht zu lesen, doch es war starr. Regungslos und ernst. Mir blieb keine andere Wahl, als mich zusammenzureißen und mich in diesen Wagen zu setzen. Der Innenraum war gepflegt, jedoch stieß mir ein seltsamer Geruch von Rost in die Nase. Die Polster waren penibel sauber und das Armaturenbrett auf Hochglanz poliert. Während der Fahrt sprach keiner von uns beiden ein Wort. Es dauerte nicht lange, da bog der alte Mercedes in eine kleine Seitenstraße und parkte gleich in der ersten, freien Parktasche, die an einen mir unbekannten Stadtpark grenzte. Die Dunkelheit verschlang meine Sicht und ich musste mir eingestehen, dass ich mich unwohl und zugleich auf seltsame Weise in Lionels Nähe sicher fühlte. Er stieg aus und ich tat das Gleiche. Vor mir lag eine große Wiese, rechts ging ein kleiner Weg entlang, er führte mitten in die Dunkelheit und in die Schatten der vor mir stehenden Bäume hinein.

      „Wir müssen ein paar Schritte gehen.“

      Seine Stimme klang bestimmt und ernst. Schweigend lief ich neben ihm hier und blickte mich um. Wir näherten uns einer alten, halbrunden Festung und ich konnte trotz der Dunkelheit die Schießscharten in der Wehrmauer recht gut erkennen. Es musste ein alter Teil der Stadtmauer von Köln sein. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich fröstelte. Alles wirkte in der Nacht unheimlich und beängstigend. Dazu kam, dass ich mit einem wildfremden Mann in einen Park einmarschierte, der mir nie zuvor aufgefallen war.

      Ich bin ja nicht bei Trost, was treibe ich hier eigentlich? Und wo bin ich?

      „Das ist Fort X. Nachdem die Preußen 1815 Köln übernommen hatten, wurde der gesamte Bau erweitert. Die Umwallung war nötig, sie sorgte dafür, dass keine Kugel mehr durch die Mauern dringen konnten. Das waren noch Zeiten. Die Preußen, ein seltsames Völkchen.“

      „Du sollst es lassen, ich mag es nicht, wenn du meine Gedanken liest. Hör endlich auf damit.“

      „Tut mir leid, dumme Angewohnheit.“

      Ein freches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.

      „Du warst zu der Zeit schon da?“ fragte ich ungläubig und Neugier tat sich in mir auf.

      „Wie alt bist du wirklich?“

      Er ging weiter und lächelte. „Das willst du nicht wirklich wissen.“

      „Doch, das will ich sehr wohl wissen. Wenn ich mir schon einen imaginären Vampir einbilde, dann will ich alles über ihn wissen.“

      Ehe ich mich versah, riss er mich an seine harte Brust und fauchte: „Hör endlich auf damit, ich bin real. So real wie du.“

      Sein Aftershave lag wie eine Meeresbrise in der Luft. Sanft streichelte sie meine Haut. Sein kalter Atem strich über mein Gesicht und betörte meine Sinne. Die Wirkung glich einer Droge. Ich fiel in einen tranceähnlichen Zustand und blieb wie angewurzelt stehen. Seine Augen blitzten ganz kurz goldgelb auf, wandelten sich aber sofort wieder in das helle Blau, dass mich in den Wahnsinn trieb. Ich zweifelte an meinem Verstand. Vielleicht war er wirklich real, wobei ich davon ausgehen musste, denn sonst wäre das Gespräch mit meiner Mutter nicht zustande gekommen. Konnten zwei Menschen die gleichen Gedanken haben und genauso verrückt sein? Nein, das war eigentlich ausgeschlossen. Verwirrt trottete ich neben ihm her und beschloss alles loszulassen. Die Dinge, die geschehen, konnte man nicht aufhalten und manchmal konnte man sie ebenso wenig erklären. Wir erreichten ein altes, großes Eisengitter, an dem ein großes, rostiges Schloss prangte. Durch die Gitterstäbe hindurch, konnte man einen Blick in den großflächigen Innenhof werfen. Alles um mich herum war ungewöhnlich friedlich und still. Meine Schuhe tapsten über den grauen Asphalt. Lionel schlich geräuschlos und leise über den Weg. Seine Füße glitten wie eine Feder kaum wahrnehmbar über den steinigen Boden. Wir hielten uns linksseitig der Festung, passierten das Gemäuer und liefen einen Hügel hinauf. Oben angekommen erschlossen sich vor uns unzählige Rosenbeete, fein säuberlich aneinander gereiht und sehr gepflegt. Im Mondlicht konnte man das Ausmaß ihrer wundervollen und farbigen Blüten nur erahnen.

      Überall rankten Rosen und die Bäume, die an den Seiten des Weges standen, waren ebenso gepflegt wie alles andere, dass ich mit bloßem Auge erkennen konnte. Ein Ort der Stille, ein Ort der vollkommenen Schönheit mitten in einer hektischen Großstadt.

      Dass mir das früher nie aufgefallen war, jammerschade.

      Lionel wandte sich mir zu und trieb zur Eile an. Einen Moment stand er wie erstarrt da, schenkte mir einen seiner seltsam durchdringenden Blicke und wirkte nachdenklich. Im nächsten Augenblick zog er die Augenbrauen hoch und legte dann für den Bruchteil einer Sekunde die Stirn in Falten. Sein blaues Meer ruhte auf meinem Gesicht. Plötzlich hörte ich ganz leise Stimmen und ganz schwache Klänge seltsamer Musik. Hier musste noch jemand sein. Lionel wies mit dem Finger die Böschung ein Stück weiter rechts vor uns hinunter und flüsterte. „Wir sind den Weg doch hochgekommen, links waren diese alten Holztüren im Gemäuer, hast du sie gesehen?“

      Ich nickte und lauschte erneut in die Richtung.

      „ Dort treffen sich die Anhänger der Phintias.“

      Fragend schaute ich ihn an. „Bitte wer?“

      „ Es ist ein lateinischer Begriff und bedeutet, Freund des Dämon. Eine Gruppe menschlicher Spinner, die glauben, sie können eines Tages zu Unseresgleichen werden. Leider darf man ihre Vorstellung nicht unterschätzen. Aber dazu erkläre ich dir später noch etwas. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Einige der Typen da unten drinnen, praktizieren ziemlich alte und gefährliche Rituale. Man weiß nie, wo sie hinführen.