Sarah Boils Bluterbe. Nicole Laue`. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Laue`
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261509
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mich zum Essen ein.“

      Ich hörte aufmerksam zu. Meine Mutter hatte um meinen Vater immer ein großes Geheimnis gemacht. Jedes Mal, wenn ich sie nach ihm gefragt hatte, glänzten ihre Augen und ihre Stimme versagte. Ich dachte immer, auf Grund des Unfalls säße der Schmerz zu tief, irgendwann als ich alt genug war, um zu verstehen, fragte ich nicht mehr. Heute war der Moment der Wahrheit und ich verschlang mit den Ohren jedes ihrer Worte. Saugte es regelrecht in mich auf. Die Laute ihrer Worte klangen unerwartet euphorisch, fast schon eine Spur zu hektisch.

      „Und dann verliebten wir uns. Wir konnten beide nichts dagegen tun. Wenn er mich ansah, dann gab es nur noch ihn und mich. Er war so unglaublich attraktiv. Was seine strahlende Schönheit ausmachte, waren seine markanten Gesichtszüge und seine blauen, wunderschönen Augen. Du hast deine übrigens von ihm geerbt.“

      Ich lächelte. Ja. Ich hatte ihn im Traum gesehen, er war wirklich ansehnlich. Mein Vater! Und ich sagte: „Ja, er war attraktiv und groß und schlank. Und sein Gesicht sieht aus, wie gemalt.“

      „Woher weißt du das? Ich habe dir nie von ihm erzählt?“

      Die Stimme meiner Mutter wurde plötzlich unruhig und hart. Die vorhergegangene Sanftheit war von einem Moment auf den anderen verschwunden.

      „Ich habe ihn gesehen, in meinem Traum…“ flüsterte ich.

      „ Oh mein Gott, dann ist es also doch geschehen. Dein Vater hat mich vor diesem Tag gewarnt. Sarah, ich muss dir etwas erzählen und es wird nicht leicht für dich sein. Doch du musst mir jetzt ganz genau zuhören.“

      Ihre Stimme zitterte. Gleichzeitig bäumte sich in mir ein Gefühl von Machtlosigkeit auf.

      „Mom…“ was ist hier los? Was geschieht mit mir?“ fragte ich verzweifelt.

      Bedacht fuhr sie fort: „Dein Vater und ich, wie erkläre ich dir das jetzt? Am besten einfach gerade heraus. Als dein Vater und ich uns näher kamen, fand ich schnell heraus, dass er anders war, als alle Männer, die mir je begegnet sind. In einer stillen Stunde, bevor wir uns allerdings zu nah kamen, gestand er mir, dass er viele hundert Jahre alt sei. Einen `Wärter der Stadt` nannte er sich. Er erzählte mir, dass all die Geschichten über Vampire und Mythen einen realen Ursprung hätten. Und dass er noch einer der wenigen Vampire sei, die es auf Erden gebe. Vor vielen hundert Jahren gab es unzählige dämonische Wesen hier auf unserem Planeten, doch die rumänischen Hexen hatten das Tor in die leere Dimension gefunden, es geöffnet und die meisten Vampire dorthin verbannt. Nur wenigen ist es gelungen, ihrem magischen Ritual zu entkommen. Darunter war auch dein Vater.“

      „Ich träume das Ganze doch gerade, oder?“

      Das alles war nicht real. Konnte nicht real sein. Ich verwechselte die Realität mit meinen Träumen. Ich hatte zu viele Filme gesehen, zu viele Bücher gelesen. Mein Geist schien dem nicht mehr gewachsen zu sein und vermischte Traum und Realität zu einem kranken Hirngespinst. Die Stimme meiner Mutter klang jedoch ziemlich lebendig.

      „Nein, es tut mir leid, das alles ist kein böser Traum, eher ein realer Albtraum. Ich weiß, es ist alles sehr schwer für dich. Du hättest dich besser ins Auto gesetzt und wärst zu mir gekommen.“

      Ich schloss die Augen und sagte leise: „Nein, das hätte nichts geändert….“

      „Lass mich dir noch den Rest erzählen. Die letzten Nachtjäger, die nicht verbannt werden konnten, da die Macht der Hexen nur begrenzt war, flohen und versteckten sich, soweit es ihnen möglich war, und beendeten die Jagd nach menschlichem Blut. Um ihre Spezies zu schützen, ernährten sie sich von dem Tag an ausschließlich von Wild aus den Wäldern, von Ratten aus der Kanalisation oder sie stahlen das Vieh der Bauern. Im Laufe der Jahrhunderte schien sich ihre DNA auf seltsame Weise zu verändern. Sie passten sich den Umständen an, vertrugen bis zu einem gewissen Maße Sonnenlicht. Konnten sogar normale Nahrung zu sich nehmen. Die Evolution schien ihres dazuzutun. So kehrten sie zurück unter die menschliche Bevölkerung und fielen nicht mehr auf. Sie sahen menschlich aus, sie bewegten sich wie Menschen und lebten wie ganz normale Menschen. Ihr Wesen hatte sich jedoch nie verändert. Sie waren und sind Vampire, Gestalten der Nacht. Blutsauger und Bestien.“

      Geschockt und immer noch ungläubig hatte ich ihre Worte vernommen. Ich konnte jedoch kein Wort von dem, was sie erzählte, glauben.

      „Mein Vater soll ein Vampir gewesen sein? Das ist doch lächerlich. Warum erzählst du mir so einen Blödsinn?“

      Ihre Stimme klang plötzlich sehr ernst, jegliche warmherzige Gefühlsregung war verschwunden. Dominierend, fast schon eine Spur zu laut, antwortete sie in einem strengen Ton, der mir fremd war: „Es tut mir leid, und ich kann dich verstehen. Aber du musst dich damit abfinden, dass nichts ist, wie es scheint.“

      Ich schluckte: „Das hat Großvater immer gesagt. Wusste er es auch?“

      „Ja, er wusste es. Allerdings erst später, als ich schwanger war. Er erfuhr es durch einen dummen Zufall. Dein Großvater wollte einen alten Wohnzimmerschrank abbauen, dabei ist die vordere Front ins Wanken geraten und auf ihn gefallen. Er wurde regelrecht unter dem schweren Holz begraben. Dein Vater war wie ein Schatten blitzschnell zur Stelle und hat sofort den Schrank gepackt und in die Höhe gehoben. Christopher hatte wahnsinnige Kräfte. Als dein Großvater das bemerkte, mussten wir es ihm erklären. Aber er vertraute deinem Vater. Sarah, dein Vater war anders. Nachdem er mir begegnet war, veränderte sich sein Wesen zunehmend. Er hatte mich, einen Menschen, gegen seine Natur gerettet, irgendwie muss er in dem Moment einen Teil seiner Seele zurück bekommen haben. Wir wussten damals alle nicht, wieso und warum die Dinge so geschehen waren. Wir haben uns einfach damit abgefunden. Ich war jung, ich war verliebt und blind. Ich habe nicht die Gefahr gesehen, die auf mich zukommen könnte. Als ich dann unerwartet schwanger war, konnten wir es anfangs erst gar nicht glauben.“

      „Du hast dich von einem Toten …“ ich sprach nicht weiter. Die Beleidigung, die mir auf der Zunge lag, war aus meinem Empfinden heraus geboren, ich hatte kein Recht, meine Mutter derart zu verletzen. Abgesehen davon, dass ich dabei entstanden war. Also startete ich einen zweiten Versuch. Fast schon leise, ja weinerlich fragte ich; „Du hast ein Kind von einem Toten bekommen, mich, wie geht das? Und wieso bin ich dann ein Mensch? Ich bin doch ein Mensch, oder?“

      Mein Gott, was bin ich denn jetzt?

      Das erste Wort, das mir in den Sinn kam, war:

      Tyrannus rex..ich bin ein Monster!

      Allerdings war dieses Vieh einige Meter groß, also nicht mit mir zu vergleichen und es war ausgestorben. Aber immerhin war es mal ein Jäger gewesen. Genauso wie die angeblichen Vampire.

      Meine abschweifenden und nicht mehr ganz funktionierenden Gedanken wurden von der Ausführung meiner Mutter unterbrochen: „Du bist ein Mensch. Das verdankst du deinem Vater. Eines Nachts, die Wehen setzten gerade ein, da schlug jemand an unsere Türe. Drei seltsame Mönche in schwarzen Kutten tauchten vor unserem Haus auf. Diese hatten über einen ihrer Seher ein Zeichen erhalten. Sie teilten mir mit, mein Kind sei in dieser Vision aufgetaucht und es sei ein Kind des Satans und müsse sterben. Es sei ein Dämon, eine Geburt der Hölle, gezeugt von einem Untoten. Sie seien gekommen um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu erhalten. Sie seien die Wächter zwischen den Welten. Die Wächter Gottes und sie müssten das Böse vernichten. Christopher starrte an diesem Abend die Mönche ungläubig an. Er wollte sie aus dem Haus jagen, doch sie waren durch eine Art Kraftquelle geschützt. Man prallte regelrecht an ihnen ab. So als wäre eine große, gläserne Glocke um ihre Körper gestülpt. Sie waren gekommen, um dich zu töten. Mein eigenes Kind wollte man mir nehmen. Der Schock löste bei mir die Wehen aus. Unter Stöhnen, krampfhafter Gestik wehrte ich ab, dass sie das nicht machen könnten. Christopher habe mir schließlich das Leben gerettet und er habe seine Seele dafür zurückbekommen. Er würde jede Nacht für seine Taten büßen, all die Albträume die ihn plagten, all das Leid, dass er den Menschen angetan hatte. Dass er kein Geschöpft des Bösen war.“

      Sie hielt kurz inne und auch ich spürte, dass ich aufgehört hatte, zu atmen. Dann fuhr sie fort.