Sarah Boils Bluterbe. Nicole Laue`. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Laue`
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261509
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können, ohne dass ihm mein schlechtes Gewissen aufgefallen wäre. Aber was für eine Wahl hatte ich? Wie hätte ich ihm erklären sollen, dass ich mich mitten in der Nacht mit einem Vampir unter der Erde herum trieb und dort ein paar Menschen mit weiteren Vampiren ihre Rituale abhielten, um Tieren die Köpfe abzuschlagen? Er hätte sofort meine Mutter informiert und dann wäre die Bombe geplatzt. Nein, da war diese kleine, fast schon unschuldige Lüge sinnvoll.

      Oh ich hasse mich dafür.

      Martin wirkte kurz irritiert, schien meinen Worten jedoch Glauben zu schenken. Er zog mich zu sich, gab mir einen flüchtigen Kuss und vergrub dann seinen Kopf auf meinem Brustkorb.

      „Du bist einfach eine gute Seele, mein Schatz.“

      Ich schluckte. Ja, ich war die gute Fee und um mich herum lungerte ein braver Kobold, der natürlich nur Gutes im Schilde führte. Zum Glück schlief er sofort wieder ein und ich atmete erleichtert auf. Ich schloss langsam die Augen. Ich war müde und fertig. Alles was ich jetzt brauchte, war Schlaf und davon eine ganze Menge. Der Ton des Weckers, schlug am nächsten Morgen wie ein Bombenanschlag in meine Gehirnwindungen ein,. Es war viel zu früh. Ich war noch müde und mein Körper fühlte sich wie ein schlaffer, vergessener Sack an, der gefüllt mit zermatschten Lebkuchen war und irgendwo im Keller einer alten Bäckerei vergessen vor sich hin moderte. Kaffeeduft drang in meine Nase. War Martin schon aufgestanden? Ich hatte ihn gar nicht gehört. Mit einem unüberhörbaren Stoß, atmete ich aus. Er saß neben mir am Bett und reicht mir eine große Tasse.

      „Hast du gut geschlafen, meine kleine Retterin?“

      Ich nickte. Martin strich mir wie einem Dackel übers Haar und sagte:„Schatz, ich muss früher los. Ich muss die Ware beim Händler noch holen. Ich liebe dich, bis später.“

      Ich hasse diese dämliche Streichelei über das Köpfchen!

      Es ist genauso ekelhaft, wie das ständige Getätschel irgendwelcher Tanten, die mir über den Kopf streicheln und sagen, ich wäre ja so was von groß und erwachsen geworden. Ich stellte den Kaffee auf den kleinen Nachttisch neben mir, reckte und streckte mich und starrte an die Decke. Die Haustüre fiel in Schloss und Martin hatte das Haus verlassen. Ich war allein. Wieder allein mit all meinen Gedanken. Ich ließ Revue passieren, was die letzte Nacht geschehen war, lag eine Weile still da und tat nichts. Rein gar nichts. Immer wieder rollten die vielen Bilder wie eine drehende Spindel vor mir ab. Der Vorgang wiederholte sich etappenweise, es kamen neue Momentaufnahmen hinzu, wechselnd veränderten sie sich in Form und Farbe. Lionel, Vampire, meine Mutter, mein Vater, das Erdloch, Fledermäuse, Kelche und Kerzen.

HILFE!

      Kapitel 6

      Gegen zehn Uhr stand ich endlich in meinem Sportstudio auf dem Laufband und powerte mich aus. Hier konnte ich die Welt um mich herum für eine kurze Weile vergessen. Aus den großen, alten, schwarzen Boxen drang laute Pop- Musik. Der Bass vibrierte regelrecht in meiner Brust.

      An der Wand, genau gegenüber, hing ein großer Bildschirm und lieferte ständig wechselnde Bilder von verschiedenen, wunderschönen Stränden dieser Erde. Der blaue Himmel, die Wellen des Meeres, die Sonne und die unzähligen wunderschönen Buchten mit ihren seichten Stränden entfachten ein unbefriedigendes Fernweh in meiner Seele. Wie gern wäre ich jetzt in diesem Augenblick an einem dieser Flecken Erde, wie sehr wünschte ich, der gestrige Tag hätte einfach nicht existiert. Ich sehnte mich nach diesem `Heileweltgefühl`. Nach taufrischen Wiesen, dem Geruch der Sorglosigkeit und den Stimmen spielender Kinder. Mir war immer noch nicht klar, ob ich mir das alles einbildete, oder ob ich wirklich ein Erlebnis der dritten Art hatte. Meine Gedanken waren verwirrt und mein eigenes Leben entfremdete sich mir von Stunde zu Stunde. Eine mir bekannte und vertraute Stimme riss mich abrupt aus meinen wirren Gedankengängen: „Hey, Sarah, dein Laufprogramm ist schon lange abgelaufen. Pennst du? Du solltest jetzt mal an die Geräte.“

      Ich starrte auf die große weiße Uhr an der Wand. Dr Sekundenzeiger tickte seelenruhig weiter. Sie hatte Recht. Ich hatte die Zeit vergessen und erstaunlicherweise war ich kein bisschen außer Atem. Sandra schlenderte kopfschüttelnd zurück zu ihrer Gruppe, die zusammen mindestens tausend Jahre alt war. Sie trainierte morgens die Altengruppe des St. Georg Stiftes. Die Damen mit ihren Cellulitis-Schenkeln und der schlaff hinabhängenden Haut, bemühten sich tatkräftig, die leichte Eisenstange in die Höhe zu heben und sie über ihrem Kopf kreisen zu lassen. Verwirrt und irritiert begab ich mich an den Bauchtrainer. Meine Gedanken trieben durchs Nirgendwo und versteckten sich in einem Wirrwarr von vielen aufeinanderfolgenden Kindheitserinnerungen und absurden Kombinationen und Vorstellungen, die meinen Vater betrafen. Bizarre Abgründe taten sich auf. Ferngesteuert wechselte ich die Trainingsgeräte und durchlief den Gerätezirkel ohne Mühe. Roland, einer der täglich hier anwesenden Muskelpakete schlenderte irgendwann in meine Richtung. Breitbeinig baute er sich vor mir auf. In seinem Gesicht spiegelte sich Erstaunen und fast schon ein wenig Neid wieder: „ Hey, du hast ja ne ordentliche Wumme heute. Meine Güte, dat habe ich aber auch noch nicht bei `ner Frau gesehen, Wat haste jenommen? Wat zahlste denn dafür? Dat scheint ja ein mega geiles Zeug zu sein.“

      Ich blickte kurz hoch, starrte in ein aufgequollenes Anabolika-Gesicht und ließ die Eisenstange los. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich pausenlos die Expander und Gerätschaften nutze, ohne gleich einen Schwächeanfall zu unterliegen. Alles fühlte sich an diesem Morgen so leicht an. Am Spinat konnte es nicht gelegen haben, ich hatte schon ewig keinen mehr gegessen. Ich nickte ihm nervös zu, sprang plötzlich wie von der Tarantel gestochen auf und lief die Treppen zur Umkleidekabine hinunter. Roland starrte mir verblüfft hinter her.

      „Ehj, dat war doch nit so jemeint.“

      Seine Worte hallten durch die große Halle.

      „Es ist nicht deine Schuld,“ murmelte ich und lief weiter.

      Was geschieht hier eigentlich mit mir?

      Das beklemmende Gefühl wurde immer stärker und ich rang nach Luft. Atme durch, das bildest du dir jetzt alles ein. Du hast über Nacht keine Superkräfte bekommen. Ich musste dringend duschen, ich riss den Spind auf, schlüpfte schnell in meine Klamotten, warf die Sporttasche über meine Schulter, preschte die Treppe hinauf und fuhr schnurstracks heim. Im Treppenhaus angekommen, fischte ich im Briefkasten nach der Post, spurtete die wenigen Stufen hinauf, schloss die Wohnungstüre auf, warf den Stapel Briefe unbeachtet in die Küche und stellte mich erst mal unter die Dusche. Das Wasser tat gut. Es floss warm über meine Haut. All die Gedanken, die meinen Geist lähmten versickerten allmählich im gluckernd im Abfluss. Das leise Prasseln der feinen, kleinen Wasserstrahlen beruhigte mich ein wenig. Doch es war nur von kurzer Dauer. Meine noch aktiven Gehirnzellen ließen sich nur kurz ablenken. Ich schloss die Augen. Mein Gehirn rief erneut die Daten des letzten Tages ab. Doch plötzlich erschien Lionel in seiner ganzen Gestalt vor meinem geistigen Auge. Ein vertrautes und befremdliches Gefühl zu gleich. Wer war er?

      Und vor allem, was wollte er wirklich von mir? Und zu guter Letzt, war er nun Wirklichkeit, oder gehörte ich schnellstens in eine Klinik damit meine neurotische und schizophrene Persönlichkeitsspaltung behandelt wurde? Der Gedanke machte mir Angst. Erschrocken riss ich die Augen auf, stutzte für einen Moment über das Gefühl, das unerwartet durch meinen Körper fuhr und sah mich erschrocken um. Ich fühlte mich auf seltsame Weise beobachtet und zog den Duschvorhang dichter zu. Der nächste Griff galt dem Waschgel. Eingeschäumt, abgeduscht und mich wieder frisch fühlend, schaltete ich endlich das warme Wasser aus. Ich schnappte mir mein Handtuch und wickelte es provisorisch um meinen Brustkorb. Der große Spiegel über dem Waschbecken war beschlagen. Im Badezimmer dampfte es wie in einem türkischen Hamam. Es war mir, als läge der Nebel aus den Träumen der letzten Nacht plötzlich in meiner Wohnung. Und wieder war da dieses seltsame Gefühl, dass ich nicht alleine war. Als wäre jemand ganz nah hinter mir. Spürbar nah! Ich wandte mich blitzschnell um. Doch da war niemand. Kopfschüttelnd griff ich nach einem weiteren Handtuch und wollte gerade über den Spiegel reiben, als sich dort ganz verschwommen und schemenhaft ein Schatten auftat. Ich stolperte erschrocken einen Schritt zurück. Ein Schrei entwich meiner Kehle.

      Was