Sarah Boils Bluterbe. Nicole Laue`. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Laue`
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261509
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wieder sinken.

      „Lionel“, sagte ich leise und zaghaft. Was immer geschehen würde, da ich nun seinen Namen rief, es war mir auf eine unbeschreiblich kalte Weise gleich. Ich wartete, sah mich suchend um. Doch es passierte überhaupt nichts. Hatte er nicht gesagt, ich könne ihn rufen? Weit und breit war niemand zu sehen. Ein wenig erleichtert und doch enttäuscht rief ich diesmal laut. Und noch einmal so laut, dass man mich bis nach München hätte hören müssen. Nichts geschah. Wie gut, dass mich hier niemand sieht....meine Güte, ich bin wirklich verrückt. Stehe in einem dunklen Waldstück und brüll mir die Seele nach einem Vampir aus dem Leib…Irgendwann holen die mich ab und zwängen mich in eine dieser weißen und sehr schicken `HAB-MICH-LIEB-JACKEN`, die auf dem Rücken zugebunden werden. Langsam wich der innere Schmerz und all die Traurigkeit und verwandelte sich in hoch schäumende Wut. Ich verzog den Mundwinkel, zuckte mit den Schultern und beschloss, langsam nach Hause zu laufen.

      Über die Mülheimer Brücke, einer der sieben Rheinbrücken Kölns, donnerte die Straßenbahn. Ich hatte kein Geld mit, also brauchte ich gar nicht erst Richtung Haltestelle zu laufen. Ich ging den Hügel hoch zurück zum Weg. Ein Mann kam mir entgegen. Einer der letzten Spaziergänger. Von weitem konnte ich seine Konturen erkennen. Er blieb plötzlich stehen, lehnte sich an einen Baumstamm. Eine Flamme loderte auf und er schien sich eine Zigarette anzuzünden. Sein Gesicht war mir zugewandt. Mir war nicht wohl dabei. Warum ging er nicht weiter? Wartete er auf mich? Ich sah mich um, ob es Fußgänger gab, die ich zur Not um Hilfe bitte konnte. Doch ich war immer noch allein. Mutterseelenallein. Die Dunkelheit kam mir plötzlich schwärzer vor, denn je. Ich hatte in diesem Augenblick keine andere Wahl. Es gab nur diesen einen Weg nach Hause. Die andere Richtung führte lediglich ans Flussufer zurück. Also einmal tief durchatmen, alle negativen Gedanken beiseite und los laufen. Wenn ich ihn erst einmal passiert hatte, dann war ich am Zug. Meine Kondition war durchs Training weitaus besser als vermutlich seine. Ich würde ihm davonlaufen, das war für mich keine Frage. Ich kam immer näher, regungslos lehnte er immer noch an der gleichen Stelle. Je mehr ich mich der fremden Gestalt näherte, desto bekannter kamen mir seine markanten Gesichtszüge vor, doch die Dunkelheit legte sanfte Schatten über ihn, sodass ich zweifelte. War das etwa Mr. Nadelstreifenanzug? Hatte er mich gehört?

      Ich bilde mir das ein, es ist nicht real. Niemand ist hier, das sind nur meine Ängste…vermutlich steht dort auch niemand.

      Ich war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt, als ich spürte, wie jede Kraft aus meinem Körper wich. Meine Beine wurden schwer und unbeweglich. Dieses miese Gefühl, ich würde auf einer Stelle laufen, überkam mich und ich fluchte in mich hinein.

      Verdammter Mist, ich träumte doch gar nicht. Das kann alles nicht mehr wahr sein.

      Ich starrte in die Dunkelheit. „Was soll das?“ rief ich zaghaft und zwang mich, weiter auf ihn zuzugehen. Bis ich abrupt stehen bleiben musste, weil meine Füße am Boden festklebten. Ich ruckelte noch einmal hin und her und harrte dann regungslos aus.

      So ungefähr fühlt sich also Leichenstarre an. Großartig!

      Ich machte noch einen zaghaften Versuch meine Arme anzuheben, doch sie waren steif und unbeweglich. Uns trennten nur noch wenige Meter voneinander. Der Nadelstreifenanzug, der dieses Mal eine dunkle Jeans und ein schwarzes Hemd zu tragen schien, pustete in kleinen runden Kreisen den Rauch seiner Zigarette in die Luft.

      Zwischen Angst und Neugier rief ich ihm zu: „Lass doch einfach den Blödsinn und lass uns reden.“

      „Du hast mich gerufen, Sarah. Nun. Da bin ich. Inklusive einer kleinen Demonstration meiner Macht. Wir wollen doch nicht, dass du an meiner Existenz zweifelst!“

      Sein siegessicheres Grinsen brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.

      Ich zeigte ihm meinen verachtungswürdigsten Blick und erwiderte: „ Komm auf den Punkt, was willst du von mir? Was willst du in meinen Träumen? Wie machst du das mit meinem Körper? Und warum kommst du nicht sofort, wenn ich dich schon rufe?“

      Sein Gesicht zeigte keine Regung, außer dem leichten Lächeln, das seine weißen Zähne in der Dunkelheit aufblitzen ließ.

      „Du stellst so viele Fragen, zu viele für den Anfang, findest du nicht auch? Welche soll ich denn nun als erstes beantworten?“

      „Lass den Quatsch und komm zur Sache. Was willst du von mir?“

      Meine eingefrorenen Körperteile lockerten sich langsam und die Anspannung fiel mehr und mehr ab. Einen Moment war ich versucht zu fluchen, weil dieser Mistkerl eine derartige Macht über meinen Körper hatte. Aber was hätte es mir genutzt? Also stellte ich mich aufrecht hin und machte vorsichtig einen langsamen Schritt auf ihn zu. Immer noch in Erwartung, dass ich eine Antwort auf meine Fragen erhielt. Er schenkte mir überlegendes Lächeln und holte mit der Hand aus.

      „Sagen wir mal so, ich denke du hast dich bei deiner Mutter erkundigt. Die gute Christine wird sicher nicht berauscht gewesen sein, als sie hörte, dass es mich noch gibt. Und sicher hat sie dich vor mir gewarnt.“

      Sein Gesicht verzog sich zu einem widerlichen und unheimlichen Grinsen. Er machte mich wütend. Und zwar richtig wütend. Wo war der charmante Mann von heut morgen, oder der aus meinen Träumen? Das erste Mal kam mir der Gedanke, er könne mich hier ungestört aussaugen und niedermetzeln. Ekelhaft. So wollte ich eigentlich die Welt nicht verlassen. Ich hatte nicht mal ein Testament verfasst.

      „Nicht doch, wer wird denn so etwas von mir denken? Wenn ich das wollen würde, dann hätte ich schneller zugeschlagen, als du reagieren könntest.“

      Die Worte schlugen wie scharfe Krallen in meinen Kopf. Wie konnte er wissen, was ich just in diesem Moment gedacht hatte?

      „Wieso…woher..du kannst meine Gedanken lesen? Wie machst du das?“ stammelte ich und blickt ihn ungläubig an.

      Er machte keine Anstalten sich zu bewegen, aber meine Starre hatte sich restlos gelöst und ich schritt langsam auf ihn zu. Er beobachtete jede Geste von mir und sprach mit einem Ton ,der mir überhaupt nicht gefiel.

      „Ich kann es eben und ja, ich lese alle Gedanken, zu denen ich mir Zutritt verschaffe.“

      „Verdammter Hund, meine Gedanken gehen dich einen verdammten Dreck an. Bleib meinem Kopf fern oder ich werde gehen.“

      Mir entfuhr ein wütendes und zugleich beschämtes Keifen.

      „Ok, ok, kein Problem. Ruhig, ganz ruhig kleine Sarah.“

      Ich wollte noch schreien, dass ich nicht seine kleine Sarah bin, doch im nächsten Moment stand er wie ein geölter Blitz neben mir, presste seinen Brustkorb dicht an meinen Rücken, seine linke Hand legte sich um meine Stirn und mit einem Ruck zog er mich zu sich. Die andere Hand strich gemächlich über meinen Hals und drückte leicht gegen meinen Kehlkopf. Dann lockerte sich sein Griff und mit einer behänden Drehung stand er ganz nah vor mir. Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment. Ich schaute in zwei hellblaue, schimmernde Augen. Sein Arm lang um meine Taille. Er hatte mich so eng an sich herangezogen, dass ich seinen Atem nah auf meinen Lippen spürte. Eiskalt, wie die Brise eines Wintersturmes, wehte diese reine und kalte Böe über mein Gesicht. Sein Griff war fest und hart, es schmerzte leicht, aber nicht im geringsten so stark, dass ich hätte aufschreien müssen. Er roch nach gutem und teurem Aftershave. Gaultier! Er benutzte Gaultier. Seine Stimme flüsterte: „Tapferes kleines Mädchen.“

      Ich hätte ihm in diesem Moment am liebsten eine reingehauen.

      „Ich bin nicht deine kleine Sarah und auch nicht das tapfere kleine Mädchen. Du bist echt gestört. Lass mich sofort…!“

      Ich hielt inne, denn mir stockte in diesem Moment der Atem. Mit dem bloßen Auge kaum erkennbar, hatte er seinen Kopf nach hinten gerissen. Aus seinem leicht geöffneten Mund schnellten vier weiße Eckzähne aus seinem Kiefer und blitzten im Mondlicht auf. Seine Augen hatten sich in ein gefährliches und bedrohliches Goldgelb verwandelt. Seine Pupillen waren nicht mehr mit einer runden Iris versehen, sondern hatten