Handover. Alexander Nadler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Nadler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741848018
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Chefs. Außerdem müssten wir wissen, zu welchem Zwecke genau die Mädchen benötigt werden, das heißt wir müssten schon etwas mehr über Ihre Werbekampagne wissen. Zum Beispiel um was für ein Produkt es dabei geht, in welchen Medien sie veröffentlicht werden soll et cetera. Verstehen Sie dies bitte nicht als Misstrauen, uns ist nur daran gelegen, das Image der Mädchen und letztendlich des Klubs zu wahren.“

      „Selbstverständlich. Grundsätzlich sehe ich darin kein Problem, ich ... besser gesagt meine Agentur wird Ihnen gegenüber aber sicherlich nicht alle Details offenlegen können, schließlich sind auch wir unseren Kunden gegenüber verpflichtet, und die möchten nicht, dass vorzeitig mehr als unbedingt notwendig durchsickert, das heißt zu weit ins Detail gehende Fragen kann und darf ich Ihnen nicht verraten. Dafür geht es um zu viel Geld. Ich hoffe Sie haben auch für meine Situation Verständnis.“ Wie weit muss er seinem Konterpart entgegen kommen, um ihn nicht von vornherein misstrauisch zu machen beziehungsweise von ihm eine eindeutige Abfuhr zu erhalten? Claude hofft, mit seiner Einschränkung nicht zu weit gegangen zu sein.

      Der Geschäftsführer zeigt sich von Claudes bestimmtem Auftreten indes beeindruckt: „Ja, natürlich verstehe ich auch Ihren Standpunkt. Es geht auch gar nicht darum, dass Sie uns alles bis ins Detail darlegen, wichtig für uns ist, dass wir davon ausgehen können, dass unsere Angestellten nicht für irgendwelche dubiose Zwecke missbraucht werden. Sie verstehen, was ich meine. Viele kommen mit ganz falschen, um nicht zu sagen aberwitzigen Vorstellungen hierher, schauen sich die Shows an und meinen, dass es hier genauso gehandhabt wird wie an vielen anderen Orten ringsum. Ich denke, Sie wissen, was ich meine.“

      Mit einem vielsagenden Nicken gibt Claude zu erkennen, dass er sein Gegenüber verstanden hat: „Keine Angst, darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.“ Um den Anschein zu erwecken, als ob er jedes Wort sorgfältig auswähle, um nicht zu viel zu verraten, legt Claude eine kurze Pause ein. „So viel darf ich Ihnen sicherlich jetzt schon sagen: Es geht um eine Kampagne für ein ganz neues Kosmetiksortiment einer der Größen der Modewelt. Sie sehen, völlig harmlos.“

      „Hm...“, Uhl scheint die Story zu schlucken, „…wenn es darum geht, so denke ich, da ließe sich eventuell etwas machen. Ich will Ihnen noch keine Zusage geben, dies kann ich auch gar nicht, doch könnte ich mir vorstellen, dass sich da Möglichkeiten ergeben. Am besten Sie reden einmal mit dem Besitzer persönlich.“ Claude jubiliert innerlich. „Er ist allerdings für ein paar Tage nicht da. Verbleiben wir doch so: Sobald er zurück ist, spreche ich mit ihm über Ihr Anliegen und gebe Ihnen dann Bescheid.“

      „Das wäre prima.“

      „Okay, dann verbleiben wir so. Müsste ich nur noch wissen, wo und wie ich Sie erreichen kann, Herr Trotter. Haben Sie vielleicht eine Visitenkarte?“

      Da er keine auf seinen falschen Namen lautende Karte besitzt, flüchtet sich Claude, indem er vortäuscht ergebnislos in seinen Jackentaschen danach zu suchen, in eine Ausrede: „Tut mir leid, die muss ich in meiner anderen Jacke haben.“ Seine Brieftasche aus der Jackeninnentasche ziehend, setzt er sein Spielchen noch ein wenig fort: „Oder vielleicht hier drin.“ Er schaut in den einzelnen Fächern nach. „Nein, doch nicht. Muss ich wohl doch in der anderen Jacke vergessen haben.“

      „Macht nichts. Schreiben Sie mir Ihre Rufnummer einfach auf.“ Uhl reicht ihm einen kleinen Notizblock und einen vergoldeten Kugelschreiber.

      Da Claude in diesem Augenblick weder die Nummer des Hotels noch die von Philipps Wohnung angeben will, sieht er sich erneut zu einer Ausflucht gezwungen: „Ich kann Ihnen die Rufnummer meines Hotels geben, doch muss ich morgen, spätestens aber übermorgen nach München, und anschließend noch nach Hamburg. Wie wäre es, wenn ich mich in ein paar Tagen bei Ihnen wieder melde. Wenn Sie mir sagen können, wann Ihr Chef ungefähr zurück sein wird, dann kann ich Sie anrufen, oder ich komme ganz einfach wieder vorbei, sobald ich zurück bin in Frankfurt.“ Ob der andere Verdacht schöpft?

      Zum Glück offensichtlich nicht. „Wann mein Chef zurück ist, kann ich Ihnen leider nicht genau sagen, vermutlich Mitte nächster Woche. Aber wie gesagt, genau kann ich Ihnen das nicht sagen.“

      „Prima, das würde passen, eher bin ich höchstwahrscheinlich eh nicht zurück.“

      „Dann verbleiben wir so. Hier haben Sie meine Visitenkarte. Rufen Sie mich an, sobald Sie wieder in Frankfurt sind.“

      „Mach ich.“ Claude atmet auf, der brenzligen Situation so glimpflich entronnen zu sein. „Dann möchte ich mich zunächst bei Ihnen bedanken. Und vielleicht ... vielleicht wird es ja was mit dem Geschäft.“ Ein kurzer Händedruck, dann verschwindet der Geschäftsführer in Richtung Bühne, Claude hingegen orientiert sich Richtung Ausgang, wo er sich im Foyer noch einmal jede Einzelheit einprägt, um die gedanklich gespeicherten Informationen zu Hause ein weiteres Mal mit den Fotos seines Bruders zu vergleichen.

      Kurz nach halb zwei zeigt seine Uhr, als er den Klub verlässt und von der merklich abgekühlten Frühlingsnacht empfangen wird, durch die noch immer zahlreiche Nachtschwärmer geistern. Zeit für ihn, Bilanz zu ziehen. Ist auch noch kein ganz konkretes Ergebnis vorweisbar, so fällt sie eigentlich gar nicht so schlecht aus, denn immerhin hat er die Fährte zu einigen der auf Philipps Aufnahmen Abgebildeten aufnehmen sowie den ein oder anderen möglicherweise recht brauchbaren Kontakt herstellen können. Als oberstes Gebot erscheint es ihm im Zusammenhang mit seinem Kurzresümee, möglichst rasch das Personenprofil des von ihm gespielten Daniel Trotter klar zu umreißen, um seine Recherchen nicht womöglich durch Widersprüchlichkeiten oder Ungereimtheiten unnötigerweise zu gefährden. Denn dass er bei seinen weiteren Nachforschungen noch auf Kontrahenten stoßen werde, die ihm genauer auf den Zahn fühlen werden, dessen ist er sich ganz sicher.

      Obwohl der lange Tag seinen Tribut zu fordern beginnt, die körperliche Mattigkeit allmählich auch den Geist, die Aufmerksamkeit zu umnebeln anfängt, will Claude die Zeit und Gelegenheit nutzen und zumindest noch in einem oder zwei Lokalen vorbeischauen. Zeit zum Ausruhen hat er notfalls tagsüber genug.

      Eine knappe Stunde später ist er zwar nicht schlauer als vorher, neue Erkenntnisse Fehlanzeige, dafür kann er die beiden von ihm aufgesuchten Lokale guten Gewissens von seiner imaginären Checkliste streichen, was ja immerhin auch schon einen gewissen Erfolg darstellt. Trunken torkeln ein paar Gestalten an ihm vorbei, die zu tief ins Glas geschaut haben, sich nur mühsam auf den Beinen haltend. An eine Straßenlaterne gelehnt, entleert sich einer, just in dem Moment, als Claude an ihm vorbeikommt, mit schweren Würgegeräuschen seines Mageninhaltes, eine süßlich-saure Geruchswolke verbreitend. Während sich zwei andere junge Burschen über den Sich-Erbrechenden lustig machen, winkt Claude einem vorbeifahrenden Taxi, dessen Fahrer ihn aber offensichtlich nicht bemerkt hat, setzt es seinen Weg doch unbeirrt fort. Um besser gesehen zu werden, tritt Claude daher auf die Fahrbahn vor und hat Glück, denn keine dreißig Sekunden später rollt das nächste Taxi heran, das, seinem Winken folgend, unmittelbar vor ihm an den Straßenrand heranfährt. Abgeschlafft und geistig nicht mehr aufnahmefähig, lässt sich Claude in den Fond des Wagens sinken, murmelt sein Fahrziel, sieht nach dem Anfahren die Neonlichter des Viertels immer verschwommener vorbeigleiten und registriert nur noch im Unterbewusstsein, wie das Umfeld beim Verlassen der Amüsiermeile plötzlich dunkler wird. Viel hätte nicht gefehlt und ihm wären die Augen zugefallen, der forsche Schwenk in die Hoteleinfahrt lässt ihn jedoch zumindest wieder soweit munter werden, dass er den Fahrer bezahlen kann und anschließend bei einigermaßen klarem Verstand bis in sein Zimmer gelangt, wo er sich im Handumdrehen entkleidet, sich trotz aller Mattigkeit flugs die Zähne putzt und etwas frisch macht, ehe er ins Bett sinkt, das ihn mit wohliger Wärme empfängt und ihn in ein Netz wirrer Träume spinnt, die ihn mehrmals kurzfristig aus dem Schlaf hochschrecken lassen, an die er sich am Morgen jedoch nicht mehr erinnern wird.

      Freitag, 25. April 1997, 21:25 Uhr

      Zwei Lokale hat Claude an diesem regenverhangenen Abend bereits hinter sich, als der Himmel plötzlich seine Schleusen öffnet und ihn so zwingt, sich vor den herabstürzenden Wassermassen ins nächstbeste zu flüchten. In Windeseile bilden sich auf dem Gehsteig kleine Pfützen, die schon