Handover. Alexander Nadler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Nadler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741848018
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Nachforschungen auf. Stumm, aber mit anteilnehmender Mimik folgt sie seinen Ausführungen.

      „Äußerst merkwürdig das Ganze“, resümiert sie am Ende seiner Darlegungen. „Und Sie glauben wirklich, die Lösung hier in der Szene zu finden?“

      „Ja, zumindest spricht einiges dafür, finden Sie nicht auch? Denken Sie nur an die Fotos.“

      „Stimmt. Möglicherweise haben Sie recht. Doch sollte dies tatsächlich der Fall sein, so kann ich Ihnen nur raten, vorsichtig zu sein, jedweden Verdacht zu vermeiden. Gewisse Herren reagieren recht allergisch und nicht gerade zimperlich, wenn man ihnen zu nahe kommt, zu sehr in ihren Machenschaften herumstöbert.“

      „Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?“, lässt ihn ihr sorgenvoller Unterton nachhaken.

      Ihr reflexartiger flüchtiger Kontrollblick ins Rund bestätigt ihm, noch ehe sie dies verbal tut, die Richtigkeit seiner Annahme. „In gewisser Weise ja.“

      „Inwiefern?“ Vor eventuellen Einschüchterungsversuchen hat er zwar keine Angst, ist sich vielmehr bewusst, dass er im Laufe seiner Nachforschungen jederzeit damit rechnen muss, doch ist es für ihn wichtig zu wissen, in welcher Form diese möglicherweise erfolgen könnten, um ihnen gegebenenfalls vorbeugen, zumindest aber um sie besser parieren zu können.

      „Och ... wenn ich mal zu viele Fragen gestellt oder in meinen Artikeln Eins und Eins zusammengezählt, das heißt Mutmaßungen angestellt habe, die den einen oder anderen ins Zwielicht rückten, dann ließ man mich meist umgehend wissen, dass ich derlei Spekulationen gefälligst unterlassen solle, sonst müsste ich damit rechnen, wegen Verleumdung verklagt zu werden. Und da es sich, dies gebe ich zu, zumeist nur um Schlussfolgerungen, nicht hingegen um beweiskräftige Fakten handelte, habe ich die Angelegenheiten dann auch nicht weiter in der Öffentlichkeit breitgetreten, schließlich möchte ich mich noch ein Weilchen meiner Gesundheit erfreuen.“ Ihr süffisanter Zynismus gibt unmissverständlich zu verstehen, dass sie weit mehr weiß als sie sagt, sich zu sagen getraut.

      „Hat man Ihnen denn mit Gewaltanwendung gedroht?“, lässt Claude nicht locker.

      Obgleich sie spürt, in Claude einen Verbündeten gefunden zu haben, hält sie sich bei der Wahl ihrer Worte weiterhin bedeckt: „Wissen Sie, es gibt verschiedene Arten der Gewaltandrohung, physische ebenso wie psychische, und darüber hinaus noch eine ganze Reihe weiterer mehr oder weniger subtiler Methoden, anderen das Leben zur Hölle zu machen.“

      „Und auf welche Art und Weise hat man Sie unter Druck gesetzt?“, versucht er sie - ihre ausweichende Antwort ignorierend - aus der Reserve zu locken.

      „Darüber möchte ich nicht sprechen. Bitte seien Sie mir deswegen nicht böse, zumal es Ihnen in Ihrem Fall auch nicht weiterhelfen würde“, beendet sie diesen Teil des Gespräches ziemlich brüsk.

      So sehr ihn ihre beinahe barsche Reaktion irritiert, akzeptiert er sie dennoch, hat er doch offensichtlich an einer wunden Stelle gerührt, so dass jegliches weiteres diesbezügliches Insistieren seinerseits sie nur gegen ihn aufbringen kann. „Nein, nein, schon gut, in Ordnung“, schwenkt er daher leicht verunsichert und orientierungslos auf eine neue Frageschiene ein, „aber vielleicht können Sie mir dennoch bei der Aufklärung meines Falles weiterhelfen, mir ein paar Tipps oder Auskünfte geben, zum Beispiel darüber, was Sie meinem Bruder alles gesagt haben.“

      Sein Blick muss ärgerlicher und enttäuschter aussehen als er dies eigentlich beabsichtigt oder verspürt, jedenfalls bemüht sie sich schleunigst, Claudes Gunst wiederzugewinnen: „Selbstverständlich möchte ich Ihnen weiterhelfen, gar keine Frage.“ Für drei, vier Sekunden geht sie mental in sich, sammelt offensichtlich ihre Gedanken, ordnet ihre Erinnerungen. „Ich kann mich zwar nicht mehr an alles erinnern, worüber ich mit Ihrem Bruder gesprochen habe, zentrales Thema war jedoch die Frage, ob - und wenn ja, welche - Verbindungen zwischen der hiesigen Unterwelt und politischen Kreisen bestehen. Bei unseren Gesprächen hat mir Philipp dann unter anderem eben jene Bilder vorgelegt, mit denen Sie, meiner Meinung nach, gegenwärtig recht leichtsinnig hausieren gehen.“

      „Warum leichtsinnig?“ Ihr Tadel mischt einen Schuss Gereiztheit in seine Stimmlage.

      „Überlegen Sie doch einmal. Wie Sie selbst sagten, spricht vieles dafür, dass es sich bei den abgebildeten Personen, zumindest zum Teil, um ... na sagen wir, nicht gerade immer sich ganz an den Gesetzen Orientierende handelt, denen demzufolge kaum daran gelegen sein dürfte, dass ihre unsauberen Machenschaften ans Tageslicht kommen. So, diejenigen, die den wahren Charakter dieser Personen kennen, werden sich, aus Furcht vor möglichen Repressalien, in aller Regel hüten, Ihnen weiterhelfende Auskünfte zu erteilen, und allen anderen dürften die von Ihnen Gesuchten wahrscheinlich ohnehin unbekannt sein. Die Chance, dass Sie so wirklich auf brauchbare Informationen stoßen, ist meines Erachtens nach somit äußerst gering, meinen Sie nicht auch? Eher müssen Sie, wenn Sie an den Falschen geraten, selbst noch damit rechnen, unliebsame Bekanntschaften zu machen.“

      „Ich weiß, was Sie meinen“, kann er nicht umhin, ihren Überlegungen zuzustimmen, „doch fiel mir keine Alternative zu meiner bisherigen Vorgehensweise ein, und so ganz ohne Erfolg ist sie ja auch nicht geblieben, einige recht vielversprechende Hinweise habe ich immerhin schon erhalten, oder meinen Sie nicht. Und verprügelt worden bin ich auch noch nicht“, macht er sich, Eva-Maries Schwarzmalerei verdrängend, mit einem Lächeln selbst Mut.

      „Nehmen Sie das nicht zu leicht“, warnt ihn diese mit eindringlicher Stimme, „bisher mögen Sie Glück gehabt haben, verschont geblieben sein, das kann sich allerdings jeden Augenblick ändern. Und wer sagt ihnen, dass Ihnen die erhaltenen Informationen wirklich weiterhelfen? Nicht, dass ich Ihnen Angst machen will, doch sollten Sie vorsichtiger vorgehen. Denken Sie an Ihren Bruder! Sollte sein Schicksal tatsächlich irgendwie mit dem hiesigen Milieu zu tun haben, so sollte Ihnen dies Warnung genug sein!“

      Claude spürt, dass seine Gesprächspartnerin recht hat, ihre Worte logisch sind, dennoch sträubt sich jede Faser seines Geistes, sich aus Angstgefühlen vor körperlichen oder sonst wie gearteten Schmerzen aus der Verantwortung zu stehlen, seine Nachforschungen einzustellen. Noch mehr Vorsicht, genauere Risikoabwägung ja, Kapitulation, Rückzug hingegen nie! „Was schlagen Sie also vor?“, ist er bereit, Eva-Marie in seine weitere Planung mit einzubeziehen.

      „Wenn ich ein Patentrezept parat hätte, würde ich es Ihnen gerne verraten, doch leider gibt es keines. Meiner Meinung nach sollten Sie allerdings keine Alleingänge unternehmen, setzen Sie die Polizei von ihren Informationen in Kenntnis ... für den Fall, dass Ihnen etwas zustößt. Außerdem kann ich Ihnen ja einmal zur Lektüre geben, was ich im Laufe der Jahre über die hiesige Szene zusammengetragen habe.“

      „Das wäre prima“, nimmt Claude ihr Angebot freudig an, erfüllt von der Hoffnung, dadurch anschließend etwas klarer zu sehen, die Strukturen des Milieus besser zu durchschauen. „Können Sie sich noch erinnern, worüber genau mein Bruder mit Ihnen gesprochen hat, an Einzelheiten, auf die es ihm besonders ankam?“, schließt er den Gesprächsbogen.

      „Wie ich Ihnen schon sagte, interessierte er sich, soweit ich dies herausfiltern konnte, vor allem für die Machtverteilung innerhalb der lokalen Unterwelt, aber auch deren Betätigung außerhalb Frankfurts sowie eventuell bestehende Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität und Politik. Nach Letzterem hat er zwar nie konkret gefragt, zwischen den Zeilen konnte man die nicht ausgesprochenen Fragen dennoch ziemlich klar herauslesen. Auffällig war jedenfalls, dass er seine Fragen sorgsam abwog und formulierte. Ob aus Misstrauen oder purer Vorsicht, kann ich nicht sagen.“

      „Schien er Ihnen verängstigt, vor irgendetwas oder irgendjemandem Angst zu haben?“

      Für einige Sekunden überlegt sie, ihn sich vor das geistige Auge rufend: „Nein, eigentlich nicht.“

      „Und hatten Sie das Gefühl, ihm mit Ihren Informationen weitergeholfen zu haben?“

      Wieder lässt die Antwort einige Momente auf sich warten: „Schwer zu sagen. Wissen Sie, er verstand es geschickt seine