Skyline Deluxe. Marianne Le Soleil Levant. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marianne Le Soleil Levant
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738047240
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      Hatte Chi noch in ihrem Zimmer gepinkelt, bevor sie zu Thomas gekommen war, meldeten sich jetzt zum Harndrang die Austern.

      Sie wollte bei einer Darmentleerung lieber für sich sein, aber als sie auf der Toilettenschüssel saß, war deutlich, die Austern wollten den Weg aller verzehrten Nahrung gehen und sich zeitnah verab­schieden. Blödsinn das hinauszuzögern. Thomas schlief ja. Nach der Reinigung mit dem vorhandenen Toilettenpapier nahm sie eine tiefere mit ihren feuchten Tüchern vor, die sie zum Abschminken mitgebracht hatte. Und noch mal. Sie dachte an eine Dusche, fürch­tete aber, das würde Thomas wecken. Sie führte noch ein drittes feuchtes Tuch ein. Es war jetzt sauber. Sie dachte an die Länge von Thomas' Penis. Na ja, sie könnte ja duschen. Sie wollte eigentlich den Geruch von ihrem Sex nicht abwaschen. Der Gedanke an sein Sperma, ihrem Schweiß gefiel ihr überraschend gut. Sie wollte ihren After sauber haben.

      Sie nahm die geruchlose Glycerin-Creme, die sie im Supermarkt gekauft hatte und schmierte ihren Darmausgang mit dem Finger gut ein. Es kam wieder diese Art Gedanke auf, der sie fragte, ob sie das ist, die das tut. Sie hatte jetzt diesen Plan. Teil des Experiments. Bisher war sie nicht so. Hatte sie diesen Plan insgeheim schon in dem Supermarkt gefasst, als sie die Creme mitgenommen hatte? Sie war sich nicht sicher. Wozu hätte sie das sonst kaufen sollen? Es war eine spontane Handlung. Sie hatte nicht darüber nachgedacht. Eine Art Reflex vielleicht. Einfach auch irgendetwas kaufen. Was, wenn Thomas sie nicht mit in den Supermarkt genommen hätte? War das schon Teil des Experimentes, als sie in den Aufzug zu ihm gestiegen war? Hatte sie den Entschluss unbewusst gefasst? Auf dem Restaurantboot? Weil der Sex so gut war? Die Creme hatte sie vorher gekauft. Richtig verstehen tat sie das nicht. Das war so was, das ihr eigentlich Angst machte. Sie spürte jetzt keine Angst mehr. Sie steckte sich genussvoll einen Finger mit Gleitcreme in den Arsch. Schließlich konnte sie entscheiden, wie sie wollte. Sie sah sich beim Händewaschen im Spiegel und lächelte. Da war eine neue Chi. Eine Chi. Keine Chiyoko. Etwas Schönes fand sie in ihrem Gesicht. Es gefiel ihr. Sie gefiel sich. Es war nur ein Augenblick. Sie hatte Durst. Sie erinnerte sich an den Honey Lemon Tea im Kühlschrank. Auf leisen Pfoten holte sie den Bademantel vom Schlafzimmerstuhl, stellte die Cremedose auf den Nachttisch und tapste in den Wohnraum. Sie schloss vorsichtig die Tür zum Schlaf­zimmer, knipste das Licht an, zog den Bademantel über, holte eine der Plastikflaschen aus dem Kühlschrank und sah das Sushi. Sie nahm ein Glas und setzte sich an den Esstisch. Deluxe Room. War schon toll. Zwei Balkone, Esstisch, Sofa, Spüle und so viel Platz. Sie trank.

      Chi sah durch das Balkonfenster auf die Myriaden von Lichtern dieser mordsmäßigen Stadt. Hochhäuser, Geschäftsviertel, Hotels, Flachbauten, dreistöckige Mietshäuser, Restaurants, Stadtautobah­nen in drei Ebenen, dazwischen elektrische Schnellbahnzüge auf weiteren Trassen, Taxis, Slums, Klongs, Garküchen, Nebenstraßen, durch die kaum ein Auto passte, welche, durch die keines passte, Motorräder, Menschen, Menschen, Menschen.

      Menschen, die alle ein Leben haben und von ihr und Thomas nichts wussten und sich darum auch nicht kümmerten. Gut, dass Thomas das Sushi gekauft hat. Sie holte eine Packung Maki aus dem Kühl­schrank und begann sie mit den beiliegenden Stäbchen, dem grünen Rettich und der Sojasoße anzurichten. Es war kein Ingwer dabei. Hm. Hätten die Thai sowieso zuhause. Na ja. Ging auch ohne. Sie trank kalten Honey Lemon Tea. Der Bademantel war offen. Chi sah auf ihre Brustwarzen herab. Sie mochte sie jetzt viel lieber als jemals zuvor. Chi aß und trank.

      Thomas erwachte. Auch seine Blase war der Grund. Thomas wollte weiterschlafen. Er war müde und fühlte sich ausgezeichnet in diesem Bett. Er hielt die Augen geschlossen. Er war auch nicht richtig wach. Halbschlaftrance. Seine Blase drückte. Es hatte keinen Sinn, er musste aufstehen. Er wollte nicht aufstehen. Er öffnete die Augen. Er war alleine im Bett. Thomas stutzte. Er sah zum Stuhl. Da war nur ein Bademantel. Er sah zum Fenster hinaus auf Bang­kok. In seinem Kreislaufstadium war er sich einen Moment nicht sicher, ob er nicht alles nur geträumt hatte. Zu schön, um wahr zu sein. Was hatte er heute wirklich gemacht? Seine Blase drückte. Er war doch nicht irre. Thomas setzte sich auf die Bettkante. Zu schnell. Er wurde ein bisschen schwindlig. Er musste pinkeln. Es war ganz still. Sie war nicht da. Er bemerkte den Lichtschimmer unter dem Türrahmen aus dem Wohnzimmer. Hatte er vergessen das auszuschalten. Es war ganz still. Er wollte nicht nach ihr rufen. Thomas tastete im Bett nach Spermaflecken. Bei den Träumen wären da wohl welche zu finden. So oder so. Er roch die Erdbeer­seife. An sich. Er sah auf die Uhr. Halb vier durch. Um die Zeit aus einem Traum erwacht, konnte man sich einiges einbilden. Er wollte nicht aufstehen, um dem Platzen seiner wunderbaren Träume keine Gewissheit zu schenken. Wenn er in der Toilette wäre und keine Anzeichen ihrer Anwesenheit ausmachen könnte, wäre alles nur ein Wunschtraum gewesen und würde bald verblassen. Er war doch nicht irre. Er war auf dem Restaurantboot gewesen. Mit ihr und hatte sie zu ihrer Zimmertür gebracht. War dann allein in sein Zim­mer gegangen. Tja. Plausibel. Hier mit quengelnder Blase sitzen, war jedenfalls nicht die Erfüllung. Er stand auf. Der kräftige Strahl in die Schüssel entspannte ihn auf angenehme Art. Er ging zurück und holte seinen Bademantel. Zog ihn an und band den Gürtel vor dem Spiegel. Ganz schön zerknautscht. Thomas fuhr sich durch die Haare. Er hatte sich die Hände nicht gewaschen. Fiel ihm jetzt ein. Er wusch sich sonst immer die Hände nach der Toilette.

      Die Cremedose auf dem Nachttisch auf ihrer Seite war seinen schlaftrunken halb geschlossenen Augen im Dunkel des Gemachs entgangen. So wie er wegen der Toilettenpriorität übersah, dass der zweite Bademantel des Zimmers nicht im Bad hing. Stutzig machen hätte ihn ihre Kulturtasche sollen. Er achtete nicht darauf. Zu sehr in Gedanken beschäftigt, Traum und Realität zu sondieren. Er wollte in den Wohnbereich. Das Licht ausmachen. Etwas trinken. Die Air Condition machte immer durstig.

      Er versuchte sich an seinen Traum genauer zu erinnern.

      Er versuchte sich an Chi´s Geschmack zu erinnern.

      Alles war ganz wie echt. Er öffnete die Tür und sah sie im offenen Bademantel am Tisch sitzen. Sie sah ihn direkt mit ihren schwarzen Perlenaugen an. Sie wusste ja, dass er wach geworden war und erwartete ihn. Thomas war so überrascht, dass er etwas blöde „Hi“, von sich gab und sie legte den Finger auf den Mund, um zu bedeuten er solle nicht sprechen. Sie sagte aber: „Es gibt Sushi. - We got Sushi.“ Es fiel ihm ein, zu sagen: „Gut dass jemand welches gekauft hat“, erinnerte sich aber an ihren Finger und fand es auch nicht so lustig. Außerdem hatte er ja schon „Hi“, gesagt und soweit seine Hirnleistung wieder zunahm, kam es ihm auch so vor, als rede man besser nicht so viel. Sonst platzte womöglich der Traum. War er vielleicht wieder zurück ins Bett gefallen und hatte das Glück, weiter zu träumen? Ja, er hatte Sushi gekauft und sie zur Zimmertür begleitet. Chi stand auf, drückte sich an ihn und küsste ihn. „Willst du welches?“, fragte sie. Thomas hatte gar keinen großen Appetit, aber Sushi …er hatte Durst. „Erst mal was zu trinken, bitte.“

      Chi setzte sich wieder und goss den Eistee in das Glas. Thomas setzte sich ihr gegenüber, trank zügig und sah sie glückselig an.

      Sie hob ihre kleine Hand und streichelte sein Gesicht noch während er trank. Er füllte das Glas auf und trank wieder. Er merkte erst wie durstig er war. Dieser kalte Honey Lemon Tea war so süffig.

      Thomas sah ihre weißen Brüste durch den offenen Bademantel.

      Chi sagte: „Es macht mich froh, dass ich dir so gefalle.“

      Ihre Augen leuchteten in seine. „Komm mit.“

      Sie stand auf und schlüpfte mit den Füßen in die Zimmerschuhe des Hotels. Sie kam um den Tisch herum, nahm seine Hand und zog ihn zur Balkontüre. Sie öffnete sie, trat hinaus und zog Thomas nach.

      „Ich habe auf die Lichter geschaut. - I saw the lights“, sagte sie.

      Sie machte den Gürtel seines Bademantels auf, kroch hinein und drückte ihre Brüste an ihn.

      „Das ist romantisch. - This is romantic“, und: “Schau! - Look!“

      Dann schwieg sie.

      Auf dem Balkon war es trotz der frühen Morgenstunden wärmer als im Zimmer. Eigentlich sollte man die Air Con ausmachen, wenn man die Fenster öffnete, aber das war ihr gerade egal. Die Stadt sendete noch immer eine Kulisse gedämpften Rauschens herauf. Durchquert von einzelnem Aufheulen eines Kleinmotorrades und stetigen Tupfern