Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erwin Guido Kolbenheyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748521006
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mit vollen Backen kauend, die zwölf, in ihrer Mitte die drei Bürgermeister. Der Ammann Sifried von Auchseßheim, der Barwich, stand daneben, denn er war von Reichs wegen.

      Der König ließ sein linkes funkelndes Auge hin und wider blitzen. Es lag tief und hatte ein sonderbares Leben, weil das rechte nur stumpf seinen Bewegungen folgte. Wußte man, daß es blind war, ertrug man den geschärften Blick unter den Buschbrauen leichter. Ein Neuling wurde befangen. Der König mochte auch sonst von einer sonderlichen Lustigkeit sein, der nicht in allen Lagen zu trauen war. Und hätte es ihm nicht offensichtlich geschmeckt, dem Rate von Werde würde noch bänger geworden sein. Das Häuflein wagte sich gleichwohl, je länger, je ungewisser des Schicksals der Stadt, kaum zu regen. Denn den Magister Reinwardus, als er mit seinem besten Latein beginnen wollte, hatte der König niedergewinkt und damit alles schallende Mundwerk eingestellt. Aber nun schien der letzte Fleischbissen an das Messer gespießt, in Salz und Pfeffer getaucht, auch das letzte Brotstück eingeführt. Der König spreizte die Arme seitwärts auf den Tisch, leckte die Zähne hinter den Lippen, sog und schnalzte noch ein wenig nach. Er sah unter einer gekräuselten Stirn vor sich nieder, als sei er des ersten Wortes nicht schlüssig. Dann blinkte er auf.

      „Weller ist der Boumeister von euch?“

      Herr Sifried von Trugenhoven trat vor. Er war in jungen Jahren bei Hof gewesen und wußte seiner dürftigen Gestalt einen geübten Schwung zu geben.

      „Sifried von Trugenhoven“, erklärte der Barwich, da der König die höfische Verbeugung mit dem Erheben einer Hand bedankt und den Ammann fragend angesehen hatte.

      „Du mogist wohl den Schlüssel han, Trugenhoven?“

      „Üer küniglich Hochwirdigkeit, der Stadtschlüssel … denselbigen hät der Barwich genommen an, derwil Uer Gnaden unser Stadt stürment.“

      „Den gehr ich nüt meh. Du bist der Boumeister, mich dunket, du habest den Schlüssel, den ich will.“

      Die zittrigen Hände des Trugenhoven hasteten unter sein Wams, und er zog an einer langen Kette den Schlüssel hervor, mit dem der „Stein“ zu öffnen war. Im „Stein“ lagen neben den Briefen, dem Salbuch der Stadt und anderem wichtigen Pergament und neben dem Pitschiersiegel leider auch Silbergetriebenes zu festlichem Aufwand, zwei Beutel mit Goldfloren, venezianischen Dukaten und Solidi, ein stattlicher Haufen Mark Silberschmelze für die Münze, eine Masse Messing und, was am wehesten tat, drei Stangen lauteren Goldes. Sifried von Trugenhoven hatte brav zusammengehalten. Der Rat wollte das Rote Tor aufheben und das Kreuzkloster in die Mauern einziehen. Auch das Rathaus mußte neu erstellt werden. Alles war lange vorbedacht. Und wäre der alte Kasten nicht so wackelig gewesen, der König hätte das Stadtregiment anders empfangen. Planen, Bauen! Nun aber hatte der König den Schlüssel.

      Und er winkte nur, gab den Schlüssel einem Ritter, der ihn samt der eingerafften Kette etliche Male auf der flachen Hand tanzen ließ, ehe er ihn in die Tasche schob.

      „Ihr sullt wissen“, sagte der König, strich sich den Bart, merkte die Nässe des Weins, sah seine flache Hand an und wischte sie am Tischlaken trocken, „ich will diese Stadt Werde nicht lossen durchloufen mit dem Schwert schätzende – us Gnad. Allein Gnad ze lossen ohn aller Tugende, das könnte alleinig der allvermügend Gott. Ihr sullet meiner Gnad und großen Milde recht werdin gewahr und billig us euern Pfennigturn ustätigen, darin mein Gnad und Milde gefangen leit. Als hab ich den Schlüssel zuo dem Turn willig von euch empfahen und hofentlich. Doruf ich hoff, er möge gar eben und nicht gering sein, der Wucher in deme Pfennturn der Stadt Werde, und daß es glangt.“

      Das war eine über Erwarten lange Rede und so gepfeffert sie schmeckte, sehr gnädig. Darauf war nichts zu erwidern. Die Ehrsamen verneigten sich tief und hofften das gleiche wie der König, nur bangen Herzens, denn es lag eine schöne Sach in dem „Stein“. Gott helf zu Genügen!

      Der König stand auf.

      „Ammann, du gohst zu dem Abten uf das Kloster. Die Süllen einen Ufzug oder Prozeß stellen ufs höchst an Gwand, Gerät, daß es wohl seie, und sullen das heilig Kreuzholz mit ihn’n führen. Daß sie gewärtig sein in der kürzesten Frist! Es wird gläut’ mit allen Glocken. Der Abt und der Convent sullen kommen, wenn ich das Gläut befehl ufs würdigest und mit Singen. Gang!“ Sifried von Auchseßheim verschwand. „Der ehrbar Rat sull alsbald zu unserin Stuohl gon, ze obrist uf dem Markt, und unser wartin.“

      Er war ein Herr und stand auf strammen Beinen. Der Rat von Werde, obgleich es ihn durchfahren hatte, als des unschätzbaren Heiltums, das alle Welt begehrte, erwähnt wurde, verzog sich, so eilig es die tiefen Bücklinge zuließen, im innersten Herzenswinkel doch von Hoffnung und Freude durchzittert, daß dem König der „Stein“ fruchtbar genug dünke. Und sie fanden rücklings so treffend aus der Tür, als hätten sie ihre Augen sitzen, wohin der Lichtstrahl des Tages nur selten fällt.

      Der König Albrecht wartete auf die Truhe. Die Pferde standen vor den Ratsstufen. Nach seiner Einkleidung ließ er blasen, ließ sich auf den Zelter heben. Einen prächtigen Mantel hatte man ihm umgeworfen, den breiteten sie über die pralle Kruppe des Pferdes aus, daß Gold, Perlen und Stein im Morgen blinkten. Der König trug aber den Helm, und von den Heiltümern des Reiches führte er nur das Zepter mit. Er hielt es auf seinen Schenkel gepflanzt, es winkte leise bei dem wiegenden Gang des Zelters. Vor ihm die Fahne mit dem Wappen und an der Spitze vier Herolde mit Posaunen. Da wichen die Reisigen ungenötigt, und König Albrecht zog durch die Gasse marktauf.

      Die Fenster waren voll Leute, die Frauen hatten sich in der Eile mit ihrem Besten angetan, sie winkten aus den Fenstern. Nur vom Ried her roch es, und nicht nach Freudenfeuer. Aber der Tag war da, und eine Brandrote wäre nicht mehr zu merken gewesen. Gleichwohl hatten die Männer von Werde auf der Burg und im Ried tapfer zu dämpfen und zu hüten.

      Es war schnell umgekommen, daß der König die Stadt in Gnaden nicht wolle mit dem Schwert durchlaufen lassen. Auch die Kriegsleute hatten es gehört und schlugen, da er durch sie hindurchritt, nicht mit Lanze und Schwert gegen die Schilde. Sie trauten ihm mancherlei Untreue zu. Er hatte vor dem Sturm großes Heil und ein gewaltiges Gut verheißen. Da wollten sie abwarten, wie weit die Gnade um Werde stünde. Oben bei der Kirchhofmauer war der Königsstuhl aufgerichtet: Sie waren gerufen, es stand etwas im Werke. Ein Gemurmel mochte da und dort aufkommen, und wären die Frauen nicht klug gewesen und hätten Korb um Korb aus den Speichern und Rauchfängen, Kanne um Kanne aus den Kellern auf die Gasse geschickt, vielleicht hätte das Säumen auf dem Rathause zu lang gedauert.

      Doch der König ritt langsam durch sie, und er war behelmt. Das hieß Kriegsrecht. Von seinem Mantel funkelte der Zauber, auf seinem Schenkel stand das Zepter, das war geweiht und zuoberst dreifältig zugespitzt. Wehe jedem, auf den das Heiltum des Zepters zürnenderweise gerichtet wurde: die Augen versteinten im lebendigen Angesicht.

      Den Platz um den Stuhl füllten Ritterschaft und Leibwachen, auch der Rat stand dabei. Sie hoben den König von dem Roß, er bestieg das Stuhlgerüst. Still wurde es auf dem Platz. Der König saß aufgereckt und sah weit hinaus, er wartete, bis alles zum Stehen gekommen war. Und es legte sich auf die Herzen.

      Der König winkte dem Herold und ließ ihm von einem der Ministerialen das Blatt reichen. Der Herold trieb das Pferd an die Seite des Gerüstes. Er las weithin schallend:

      „Ehrbar Ritter und Knecht, mein reisigs Volk allegemeine, als wir gesprochen und wir verheißen, ehe dann diese meine Stadt Werde hat das Tor uftan: ihr sullet groß Guet haben von dieser Stadt, uf daß ihr billig entgolten seiet aller Arebeit in diesen vergangenen dreien Wochen, und lot euch gefallin. Dann wir an diese Stadt kommen sind und habent dieselb Burg und Stadt genommen mit Hilf des allmächtigen Gotts. Also stoht unser Muet, ihres besten Guets zu nießen und es nehmen an.

      Doch so euer Muet daruf stoht, dieselb Stadt Werde, so sich gefüeget wohl und nindert wider uns ist gelegen in ungetrüer Huet, ze strafen und ze nöten härter, danne ist geschehn in dieser Nacht uf z’letzt, so tunt wir euch, ehrbar Ritter und Knecht, also ouch dem Volk allinthalbin ze wissende: Fürwar es stoht nach unserm königlichen Muet und Befehl, das obrist Guet dieser Stadt Werde ze gewinnen nicht mit Wüsten, Brennen, Zerbrechen, Vermeilgen, noch einigerlei Schaden zuefügen mit Roub unde Gewalt! – Diese unser Stadt Werde wirft