Fate of Whisky. Joachim Koller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Koller
Издательство: Bookwire
Серия: Lost Tales
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750218000
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      Für Niko endete der Traum an dieser Stelle. Bislang war der Abend damals genauso verlaufen. Jetzt aber änderte sich sein Traum, denn kaum hatte er die Tür geschlossen, verschwand der Boden unter seinen Füßen und er stürzte ins Bodenlose. Das Schwarz um ihn herum verschwand und Niko befand sich wieder in der Luft, auf dem Sturz nach unten, ohne Fallschirm. Panisch sah er sich um, konnte aber weder Julia noch Alison entdecken. Rasend schnell kam der Boden näher, er wusste, dass ihn dieses Mal niemand retten würde. Die Bäume kamen ihm entgegen, bogen sich zur Seite und ließen ihn auf den harten Boden blicken, wo spitz aufgerichtete Steine ihm entgegenleuchteten. Ohne abzubremsen und laut schreiend krachte er in den Boden. Er sah seinen Körper, der wie eine überreife Melone explodierte.

      »Niko! Niko!«

      Heftiges Rütteln weckte ihn aus seinem Alptraum. Niko wollte aufspringen, spürte seine schmerzenden Beine und dann, dass Alison ihn festhielt.

      »Ganz ruhig, es ist alles okay«, redete sie sanft auf ihn ein.

      Erst jetzt bemerkte er, dass er am ganzen Körper zitterte, er war heiser vom Schreien und konnte sich nicht beruhigen.

      Alison nahm ihn fester in den Arm und streichelte seinen Kopf.

      »Ganz ruhig, großer Mann. Es ist alles vorbei. Es war nur ein Traum, du bist hier sicher.«

      Das Bild verschwand nicht vor seinen Augen. Wie er in der Luft auf den Boden blickte, mit der Gewissheit, wie ein Stein aufzuschlagen.

      Niko wollte sich losreißen, doch ihm fehlte die Kraft. So blieb er zitternd in Alisons Armen, nicht fähig zu reden, oder sich von selbst wieder zu beruhigen. Er spürte Alisons Nähe und die zeigte mit der Zeit Wirkung. Irgendwann wurde das Zittern weniger und Niko sank erneut in den Schlaf, dieses Mal ohne Träume.

      Alison erwachte und stellte fest, dass sie alleine im Unterschlupf lag. Der Regen hatte aufgehört, die Sonne war schon seit längerem aufgegangen und ein leichter, kühler Wind fuhr durch den Wald.

      Die Feuerstelle neben dem Zelt war neu aufgebaut worden. Statt der Pyramide vom Vorabend war nun aus dickeren Ästen ein quadratischer Rahmen angelegt. In dessen Mitte lagen kleine Äste, Nadeln und Kienspäne. Ein flacher Stein lehnte an der Feuerstelle.

      Sie stand auf und streckte sich durch. Sie vermutete Niko am Bach und machte sich auf den Weg durch das Moos und kleinere Büsche. Am Ufer des Baches sitzend fand sie Niko, geistesabwesend den Blick auf das Wasser gerichtet. Er bemerkte sie erst, als sie sich neben ihn setzte.

      »Guten Morgen.«

      »Morgen«, antwortete er leise.

      »Wie geht es dir?«

      »Viel besser. Dank dir.«

      »Wirklich?«

      Niko wandte den Kopf zu ihr.

      »Es war keine angenehme Nacht, wie du sicherlich bemerkt hast«, gestand er.

      »Es ist verständlich, nachdem was du gestern erlebt hast.«

      »Keine Sorge, dafür wird jemand bezahlen.« Niko klang entschlossen.

      »Wer ist Julia?«, wollte Alison nach einer kurzen Schweigepause wissen. Niko zog die Augenbrauen überrascht hoch.

      »Du hast ihren Namen geschrien, mehrmals.«

      »Eine Jugendliebe. Ich muss in letzter Zeit viel an sie denken«, erklärte er ihr.

      »Wieso gerade jetzt?«

      »Weil sie aus Schottland kam.«

      »Erzählst du mir mehr?«, fragte Alison.

      »Beim Frühstück«, antwortete Niko und deutete auf drei Fische, die er frisch aus dem Wasser geangelt hatte.

      Alison war von Nikos Kochkünsten überrascht. Fachmännisch zerlegte er den Fisch auf dem flachen Stein und reichte ihr einen Trinkbecher mit eiskaltem Wasser. Schnell war das Feuer entfacht und Niko platzierte den Stein samt Fischfilets über die Flammen. Vorsichtig kostete sie ein Stück.

      »No Bad«, meinte sie und fuhr im unverständlichen Dialekt fort, bis Niko die Hand hob.

      »Du kannst mit mir englisch reden, aber bitte kein schottisch.«

      »Ich habe nur gemeint, etwas Salz und Gewürze wären gut.«

      »Die habe ich leider nicht im Gepäck.«

      Auf Alisons Nachfragen erzählte Niko von den Anfängen der Beziehung mit Julia, wie er es bislang in den Träumen wieder erlebt hatte.

      »... Ab diesem Zeitpunkt galten wir als das Traumpaar der Schule. Romeo und Julia haben sie uns genannt.«

      »Das ist aber süß.«

      »Wir waren jung, fünfzehn, sechszehn Jahre alt, und es war für uns beide die erste große Liebe. Da war noch vieles einfacher.«

      Nach dem Frühstück wurde die Unterkunft abgebaut. Alles, was sie tragen konnten, wurde mitgenommen, um keinen Müll zu hinterlassen. Dabei fiel Alison auf, dass der Fallschirm weiter zerlegt worden war. Niko reichte ihr ein zusammengerolltes Bündel.

      »Ich habe aus dem Schirm einen Regenschutz geschnitten. Wir werden es brauchen.«

      »Aus dem Fallschirm?«

      »Das Material für Fallschirme ist nicht nur äußerst leicht, sondern auch dichtgewebt. Es soll ja möglichst luftundurchlässig sein. Deswegen ist es auch feuchtigkeitsabweisend.«

      Alison warf sich den Umhang über den Kopf. Die Kapuze war ihr viel zu groß, doch sie schützte sie vor dem wieder einsetzenden Regen.

      »Und du bist dir sicher, dass wir nur dem Bach folgen müssen?«

      »Es ist der einzige Anhaltspunkt«, Niko deutete auf den Kompass, der auf seinem Messer montiert war, »Wir werden nicht im Kreis gehen und müssen hoffen, dass der Fluss zu einer Straße oder einem Dorf führt.«

      Da Alison keinen besseren Vorschlag anzubieten hatte, stimmte sie zu und folgte ihm. Ihre improvisierten Regenüberzüge schützten sie zwar vor dem Regen, der durch den dichten Wald hinabtropfte, dem eisigen Wind hatten sie nichts entgegenzusetzen. Um sich von den immer steifer werdenden Fingern und den wieder aufkommenden Schmerzen abzulenken, fragte Niko nach Alisons bisherigem Lebenslauf.

      »Ich bin einen Großteil meiner Kindheit und Jugend bei meinem Onkel aufgewachsen. Mein Vater war so sehr mit seinen Geschäften beschäftigt, vor allem, nachdem meine Mutter überraschend starb. Im Schloss wurde ich meistens von einem Kindermädchen betreut. Die hieß übrigens auch Julia, wenn ich mich richtig erinnere. Bei meinem Onkel in Edinburgh sind die Schulen einfach besser gewesen, als auf dem Land und ein Privatlehrer kam nicht in Frage. Ich wollte ja auch unter Gleichaltrigen sein. Da mich Edelsteine schon immer faszinierten, war bald klar, dass ich ins Familienunternehmen einsteige.

      Inzwischen bin ich für die Akquirierung neuer Händler zuständig. Dazu kann ich viel reisen, verdiene nicht schlecht und sehe viel von Europa. Außerdem kann mein Vater sich so auf seine neuen Aufgaben konzentrieren.«

      »Was ist mit diesem anderen Clan?«, wollte Niko wissen.

      »Die Remingtons? Heutzutage sollten diese Clandifferenzen kein Thema mehr sein, aber wie du selbst mitbekommen hast ...«

      »Differenzen? Alles nur wegen einer Geschichte um eine Höhle.«

      »Eine Höhle in der Gold und Edelsteine wachsen, angeblich.«

      »Natürlich. Eine schöne Fantasie«, meinte Niko herablassend.

      »Für mich schon. Aber sag das nicht meinem Vater. Er nimmt das Clanwesen sehr ernst. Er ist ja auch das Oberhaupt. Keiner widerspricht ihm, was er sagt, wird befolgt.«

      »Das kommt mir bekannt vor«, fiel Niko ein.

      Um die Zeit im Wald zu überbrücken und sich vom Nieselregen abzulenken, fragte Alison erneut nach Nikos Jugendliebe.

      »Was willst du wissen?«

      »Egal, erzähl mir etwas, was mich von der Kälte ablenkt.«

      Nach kurzem Überlegen begann Niko zu erzählen.

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