„Hab ich es doch gewusst.“
„Was hast du gewusst?“, fragte Julia mit warnendem Ton.
„Na, das ihr beiden zusammen seid. Ich bin gespannt, was unsere Eltern dazu sagen.“
„Ich warne dich! Halt die Klappe, nur ein einziges Mal in deinem Leben.“
„Warum?“
„Weil ich darum bitte. Marcos könnte richtig Ärger bekommen, wenn das hier herauskommt. Also bitte bitte, sag niemanden etwas.“
Claudia schien zu überlegen, doch erst als Marcos die Bitte wiederholte, lenkte sie doch ein.
„Na, gut. Aber von jetzt an will ich, dass du mich nicht mehr für Dumm verkaufst. Ich habe von Anfang an gewusst, dass da mehr ist und ich will, dass du mir alle Einzelheiten berichtest.“
„Uff, na gut, wenn es sein muss“, lenkte Julia schließlich ein. Sie würde ihrer Schwester mit Sicherheit nicht in alle Details einweihen, aber etwas würde sie ihr schon sagen können. Vielleicht war es sogar ganz gut, mit jemanden darüber reden zu können. Über die unbekannten und völlig neuen Gefühle, über das Glück das sie empfand und vielleicht auch über ihre Ängste. Denn ob sie wollte oder nicht, in nicht einmal mehr zwei Wochen würde sie abreisen müssen, und was das in ihr ausrichten würde, wusste sie nicht. Sie wollte auch jetzt noch nicht darüber nachdenken.
Claudia hielt ihr Wort und verriet nichts. Am Abend als sie bereits in ihren Betten lagen, musste Julia ihr dann erzählen, wie das mit Marcos passiert war. Sie hatte recht behalten, es hatte gut getan mit jemanden darüber zu reden, und abgesehen von den Schwierigkeiten die die Schwestern zur Zeit hatten, war Claudia eine gute Zuhörerin.
Doch auch wenn Claudia ihren Mund hielt, blieb die heimliche Liebelei nicht für alle verborgen. Sie hatte ständig das Gefühl, dass auch seine Eltern ihr immer wieder besorgte Blicke zuwarfen. Sie waren immer freundlich zu ihr und grüßten sie herzlich, aber Julia wurde das Gefühl nicht los, dass sie mehr über sie und Marcos wussten.
Auch seine Schwester Lucia lernte sie kennen, und ihr brauchten die beiden auch nichts vorzumachen. Lucia hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihrem zwei Jahre älteren Bruder und somit war das Versteckspiel ihr gegenüber völlig zwecklos. Lucia machte keinen Hehl daraus, dass sie das Verhältnis der beiden nicht guthieß. Sie befürchtete, dass das Geturtel der beiden irgendwann auffliegen und ihre gesamte Familie in Schwierigkeiten bringen würde. Sie erinnerte ihren Bruder auch in Julias Beisein an das Verbot, mit Hotelgästen anzubändeln. Dennoch war Lucia sehr herzlich zu ihr, und Julia mochte sie, trotz ihrer offenen Worte. Lucia sagte immer was sie dachte, was nicht unbedingt eine schlechte Eigenschaft war, fand Julia. Lucia war zwar zudem um einiges verrückter als ihr Bruder, doch die offene und herzliche Art seiner Schwester gefiel ihr.
Letztendlich war wichtig, dass niemand vom Hotelpersonal, und ganz besonders der Hoteldirektor, nichts von ihrer Beziehung wussten. Dass ihre Eltern etwas ahnten, war Julia klar. Schließlich traf sie sich jeden Abend mit ihm und sie suchten immer wieder Blickkontakt, wenn sie sich im Hotel begegneten. Ihre Eltern waren schließlich nicht blöd, und gerade ihre Mutter war sehr aufmerksam. Bisher hatte sie jedoch nichts gesagt und nur still in sich hineingelächelt, doch gegen Ende der Woche suchte sie das Gespräch mit Julia. Sie kam in ihr Zimmer als Julia sich gerade umzog und für den Abend mit Marcos zurechtmachte. Sie setzte sich auf das Bett und sah Julia eine Weile lächelnd zu, wie diese diverse Klamotten aus ihren Schrank riss, anzog und schließlich doch wieder in den Schrank stopfte. Julia wünschte sie hätte mehr schöne Sachen mitgenommen, statt ihren kurzen Shorts und T-Shirts. Sie hatte nur ein einziges Sommerkleid dabei, und das hatte sie schon zweimal getragen.
„Du siehst wunderschön aus, und er wird das auch so finden, egal war du anhast“, sagte ihre Mutter schließlich. Julia drehte sich zu ihrer Mutter um und wollte erst protestieren und sagen, dass sie sich nicht für ihn schön machte. Doch wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Sie seufzte und setzte sich neben ihre Mutter aufs Bett.
„Meinst du?“
„Natürlich. Als wir hier angekommen sind hattest du diese grässliche kurze Short mit den Löchern auf dem Oberschenkel an und dieses neongelbe T-Shirt und er war trotzdem hingerissen von dir.“
Verdammt, hatte ihre Mutter es etwa auch bemerkt? Julia errötete bei dem Gedanken an ihre erste Begegnung.
„Du magst ihn sehr, oder?“
Julia nickte und wagte nicht ihrer Mutter dabei in die Augen zu sehen.
„Behandelt er dich gut?“
Nun sah sie ihre Mutter an. „Ja, er ist sehr nett. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“
„Na, dann ist es ja gut. Und, küsst er gut?“
„Mama“, sagte sie empört. Verdammt, was würde jetzt kommen, das Aufklärungsgespräch? Nein, das konnte nicht sein. Das hatte sie schon vor einiger Zeit mit ihrer Mutter besprochen und sie war sich sicher, dass ihre Mutter ihr in dieser Hinsicht vertraute. Doch als sie aufblickte und in das grinsende Gesicht ihrer Mutter sah, musste sie auch lächeln. „Ja… ja, er küsst gut.“
„Sieh dich trotzdem vor, Kind. Genieß die Zeit mit ihm, aber verlier dich nicht in ihm. Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst.“
„Nein, das werde ich schon nicht. Ich bin einfach gerne mit ihm zusammen, dass ist alles. Du wirst sehen, wenn wir abreisen, werde ich nicht weinen.“ Mist, was redete sie denn da? Glaubte sie das etwa wirklich, was sie gerade sagte? Egal, sie wollte jetzt nicht länger darüber nachdenken. Sie musste sich beeilen, wenn sie nicht zu spät zu ihrer Verabredung kommen wollte. Sie stand auf, gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange und sagte:
„Mach die keine Sorgen, Mama. Alles wird gut.“
Mit diesen Worten stürmte sie aus dem Zimmer, und ihre Mutter hoffte, dass Julia recht behalten würde. Denn sie selbst glaubte nicht wirklich daran, dass es ihrer Tochter leicht fallen würde, Marcos einfach so Lebewohl zu sagen. Sie war nämlich ihrer Meinung nach auf dem besten Wege, sich in den schönen Puerto Ricaner zu verlieben und Julia hatte keine Ahnung, wie weh es tun würde, wenn man verliebt war und diese Liebe auseinanderbrach. Bisher hatte sie nur von ein oder zwei Jungen gesprochen, die ihr gefielen und mit den sie sich vielleicht auch schon mal geküsst hatte. Aber eine ernste Beziehung hatte es noch nicht in dem Leben ihrer Tochter gegeben, und wirklich verliebt war sie auch noch nie gewesen, da war sich ihre Mutter ziemlich sicher.
Kapitel 5
Ihre letzte Woche auf Puerto Rico brach an und sie mochte gar nicht daran denken, dass sie bald wieder abreisen musste. Sie versuchte jedoch, den Gedanken daran noch immer beiseite zu schieben.
Marcos hatte ihr am Abend zuvor freudestrahlend erzählt, dass er zwei Tage frei haben würde. Was daran so toll sein sollte, wollte ihr jedoch nicht sofort klar sein, denn wenn er nicht im Hotel war, würde sie ihn auch nicht sehen können. Doch ihre Befürchtungen waren völlig unbegründet. Er hatte ihr nun schon so viel über seine Heimat erzählt und nun wollte er die zwei Tage nutzen, um ihr seine Heimat auch zu zeigen. Er war der Meinung, nur das Hotelgelände und die nähere Umgebung würden einfach nicht reichen, ihr die ganze Schönheit der karibischen Insel näher zu bringen. Jetzt galt es nur noch, ihre Eltern zu überzeugen, das sichere Terrain des Touristenviertels verlassen zu dürfen und sich in Obhut von Marcos zu begeben. Erst waren die beiden auch etwas zögerlich mit ihrer Entscheidung, was dieses Thema anging, aber da sich Julia die letzten Wochen immer an alle Abmachungen gehalten hatte und überhaupt ein viel reiferen und vernünftigeren Eindruck machte als noch vor gut zwei Wochen, schenkten sie ihrer Tochter schließlich das Vertrauen und die erhoffte Genehmigung. Julia hatte schon gewusst, dass es sich irgendwann auszahlen würde, wenn sie sich an die Vorschriften ihrer Eltern halten würde. Marcos musste ihnen allerdings versprechen,