„Es wird ziemlich heiß heute werden. Habt ihr heute irgendwas Bestimmtes geplant?“, wollte er wissen.
„Nein, heute ist nur Faulenzen und am Strand liegen angesagt. Eigentlich ist die nächsten Tage auch nichts anderes geplant. Nur meine Eltern machen morgen einen Tagesausflug nach Old San Juan und in den Regenwald.“
„Und du und deine Schwester, ihr fahrt nicht mit? Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen. Es ist wunderschön dort.“
„Ja, kann sein, dass es schön ist. Aber ich finde es hier auch sehr schön und muss gar nicht weg. Außerdem ist es ihr Tag. Meine Eltern haben morgen ihren fünfundzwanzigsten Hochzeitstag, und da haben sie etwas ganz Besonderes geplant. Die ganze Reise ist eigentlich etwas ganz Besonderes und sozusagen ihre Hochzeitsreise. Als sie geheiratet haben, konnten sie sich eine Hochzeitsreise nicht leisten. Sie haben es immer wieder aufgeschoben, und nun zu ihrer silbernen Hochzeit haben sie es endlich wahr gemacht und es mal so richtig krachen lassen. Es war schon immer ein großer Wunsch von meiner Mutter, einmal in ihrem Leben Urlaub auf einer karibischen Insel zu machen. Mein Vater hat ihr nun diesen Traum erfüllt.“
„Eine schöne Geschichte. Sie scheinen sich auch immer noch sehr zu lieben, so wie es aussieht“, sagte Marcos und sah zu ihren Eltern hinüber, die es sich gerade auf ihren Liegen unter dem großen Sonnenschirm bequem machten und miteinander lachten. Julia folgte seinem Blick und musste lächeln. Ja, es stimmte, ihre Eltern waren ein tolles Paar. Sie sahen beide noch für ihr Alter ziemlich gut aus und sie waren nach all den Jahren auch noch immer ziemlich glücklich miteinander.
„Ja, das stimmt. Sie passen gut zusammen.“
„Was machst du morgen Abend?“, fragte er plötzlich ganz unvermittelt und riss Julia aus ihren Gedanken.
„Äh… ich weiß nicht.“
„Hast du vielleicht Lust mit mir etwas trinken zu gehen. Ich kenne eine ganz nette Bar hier in der Nähe. Es kommen dort kaum Touristen hin, weil sie für Touristen nicht so bekannt ist, aber es ist sehr nett dort. Was sagst du?“
„Ja, warum nicht? Gern.“
„Schön. Wollen wir uns hier am Strand nach meinem Feierabend treffen um neunzehn Uhr?“
„Okay, ich werde kommen.“
„Dann bis morgen Abend. Ich freue mich.“
Julia nickte und musste noch einmal tief durchatmen, ehe sie zu ihren Eltern hinüberging. Sie wollte auf keinen Fall, dass die beiden ihren aufgewühlten Zustand miterlebten. Doch dafür war es eigentlich schon zu spät. Denn ihre Mutter hatte ihre große Tochter schon die ganze Zeit aus den Augenwinkeln mit einem Lächeln beobachtet.
Als Julia am nächsten Abend zum verabredeten Treffpunkt kam, war Marcos bereits da und wartete auf sie. Sie sah gehetzt auf ihre Armbanduhr, sie war spät dran.
„Tut mir leid, ich bin zu spät“, sagte sie.
Er zuckte mit der Schulter und grinste.
„Du bist da, also ist doch alles gut. Was habt ihr Deutschen nur immer mit eurer Pünktlichkeit.“
„Keine Ahnung. Ehrlich.“ Auch Julia grinste. „Ich hatte etwas Schwierigkeiten, meine Schwester davon abzuhalten, mitzukommen.“
„Hast du ihr erzählt, dass wir beide was trinken gehen?“
„Nein, nicht wirklich. Aber sie hat irgendetwas vermutet.“
„Ist sie denn jetzt allein?“
„Ja, meine Eltern sind erst gegen dreiundzwanzig Uhr zurück und bis dahin sollte ich auch wieder zurück sein.“
„Kein Problem, das schaffen wir. Es ist nicht sehr weit. Ein kleines Stück der Promenade entlang und dann sind wir auch schon fast da.“
Sie gingen nebeneinander auf der belebten Promenade, Marcos unterhielt sie währenddessen mit lustigen Anekdoten über seine Landsleute. Dann zog er sie in eine kleine Nebenstraße. Zwei- oder dreimal bogen sie noch ab und schon standen sie vor einer kleinen heimeligen Bar direkt am Strand. Sie setzten sich an einem kleinen Tisch und bestellten sich Pina Colada. Den ganzen Abend blieben sie dort und unterhielten sich angeregt. Marcos war sehr interessiert und wollte von ihr alles wissen, wie das Leben in Deutschland war und wie es dort aussah. Sie erzählte ihm auch von ihren Freunden, nur Michael ließ sie aus. Sie selbst verschwendete schon überhaupt keinen Gedanken mehr an ihn. Es machte Spaß mit Marcos. Er war ein guter Zuhörer, und er war außerdem ein echter Spaßvogel und sie hatten ein Menge Spaß. Julia hatte lange nicht mehr so viel gelacht. Aber er hatte auch eine ernste Seite. Im Grunde war er so ganz anders als ihre Freunde zu Hause, und er war vor allem so ganz anders als die Jungs, mit denen sie ansonsten zu tun hatte. Er wirkte viel reifer und älter. Das machte ihn für Julia noch interessanter, und außerdem sah er wahnsinnig gut aus. Seine braunen Augen strahlten so viel Wärme aus und sie hatte das Gefühl, sich in ihnen zu verlieren. Gegen zweiundzwanzig Uhr brachen sie dann langsam auf. Diesmal gingen sie am Strand zurück zum Hotel. Der Abend war noch immer sehr warm, und doch hatte sie ein wenig Gänsehaut. Sie vermutete jedoch, dass es eher daran lag, dass er so dicht neben ihr ging und sich ihre Arme beinahe berührten.
„Ist dir kalt?“, fragte er und berührte mit seiner Hand leicht ihre Hand. Sie schüttelte den Kopf und blieb stehen.
„Bist du sicher?“
„Ja“, sagte sie und sah ihn an. Ihre Augen trafen sich und für einen Augenblick schien die Welt stehen zu bleiben. Dann neigte Marcos ihr seinen Kopf entgegen und gab ihr einen kleinen schüchternen Kuss auf die Lippen. Julia schloss für einen Augenblick die Augen, doch der Kuss war so schnell vorbei, viel zu schnell für ihren Geschmack. Sie öffnete die Augen wieder und sah ihn unsicher an. Er lächelte schüchtern und sie sehnte sich noch einmal seine Lippen auf den ihren zu spüren. Doch er machte keine weiteren Anstalten in diese Richtung. Was war mit ihm los? Die Jungs die sie kannte waren nicht so schüchtern. Er hatte doch sicher schon einmal eine Frau geküsst. Julia selbst war zwar auch nicht gerade erfahren in solchen Sachen, aber geküsst hatte sie schon, mehrere Male. Schüchtern machte sie einen kleinen Schritt näher auf ihn zu und küsste ihn noch einmal vorsichtig auf die Lippen und dann endlich schlang er die Arme um ihre Hüften und küsste sie richtig. Als ihre Zungen sich berührten, begann ihr Herz wie verrückt zu schlagen. Julia konnte ihr Glück kaum fassen. Dieser Wahnsinnstyp küsste sie wirklich, und es war das Schönste, was sie je erlebt hatte. So war sie bisher noch nie geküsst worden. Sie konnte sich nicht erinnern, wie lange sie dort am Strand standen und sich küssten, doch irgendwann setzen sie ihren Weg fort und dann hatte er ihre Hand gegriffen und sie waren schweigend und Händchen haltend zum Hotel zurück geschlendert. Viel zu schnell waren sie zurück, und sie wäre gerne noch ein Stück weiter mit ihm gegangen. Am Strand vor dem Aufgang zum Hotel blieben sie stehen.
„Ich werde dich besser hier verabschieden, es ist besser wenn man uns im Hotel nicht zusammen sieht.“
„Oh.“ Sie wusste nichts darauf zu sagen.
„Tut mir leid. Es ist nur so, dass wir vom Personal uns nicht mit Gästen einlassen dürfen.“
„Warum nicht?“
„Keine Ahnung. Aber ich könnte in echten Schwierigkeiten kommen und meinen Job verlieren und meine Familie würde wahrscheinlich auch mächtig Ärger bekommen. Normalerweise gehe ich den Gästen auch aus dem Weg, aber bei dir ist mir das nicht gelungen. Schon als ich dich am ersten Tag gesehen habe, war mir klar, dass ich dich unbedingt kennenlernen muss.“
„Okay und was jetzt?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich würde dich gerne wiedersehen. Ich meine, natürlich sehen wir uns hier im Hotel, aber ich meine was anderes.“
„Du meinst also, dass wir uns heimlich treffen und es niemanden sagen?“
Er nickte zerknirscht.
„Gut. Ich kann Geheimnisse für mich behalten. Aber ich warne dich, meine Schwester passt auf wie ein Luchs.“
„Dann erzähl