und sie hatte sich oft geärgert, warum sie gerade an dem Tag nicht mehr Bilder von ihm geschossen hatte. Damals hatte sie natürlich noch keine Digitalkamera besessen, und mit dem Fotografieren war man deshalb sparsamer gewesen, aber trotzdem hatte sie sich oft darüber geärgert. Aber immerhin gab es ein Foto, nur wo verdammt noch mal war es abgeblieben? Sie dachte scharf nach, und dann fiel ihr die kleine Pappschachtel wieder ein, wo sie ihre losen Fotos aus Schul- und Studentenzeiten aufbewahrte. Vielleicht war es dort drin. Sie wühlte weiter in dem Schrank herum und fand die Schachtel schließlich. Sie durchsuchte die Schachtel und beachtete die Fotos gar nicht weiter. Sie hielt nur Ausschau nach diesem einem Foto, und dann hielt sie es tatsächlich in ihren Händen und atmete erleichtert aus. Das Foto war an den Seiten schon sehr abgegriffen, und Julia erinnerte sich, das Bild anfangs ständig mit sich herumgeschleppt zu haben, bis sie schließlich beschlossen hatte, dieses Kapitel abzuschließen und das Foto aus ihrer Brieftasche zu entfernen. Mit zitternden Fingern strich sie das Foto glatt, stopfte die restlichen Bilder zurück in die Schachtel und schloss die Schranktür. Dann ging sie zurück zum Sofa und schaute sich das Bild erneut an. Auf dem Foto hielten sie einander im Arm und hatte die Köpfe aneinandergelegt. Beide lächelten sie glücklich in die Kamera. Und genau das, war sie auch gewesen, dachte Julia. Ein zaghaftes Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie dieses Foto ansah. Sie waren beide noch so jung gewesen, und es bestand kein Zweifel. Der Mann, den sie heute am Bahnhof gesehen hatte, hatte sich verändert, er war älter geworden und sah kräftiger und muskulöser aus als der Jüngling auf dem Foto, doch trotzdem war sie sich ziemlich sicher, genau diesen Mann heute gesehen zu haben.
Irgendwann legte sie das Foto wieder zurück in ihre Brieftasche und schlurfte zurück in ihr Bett, in der Hoffnung, wenigstens noch für ein paar kurze Stunden die Augen zumachen zu können.