Arschbombenalarm. Lisa Sturm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisa Sturm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742709004
Скачать книгу
die…was?“, kicherte Yanick. „Auf die Bergluft“, wiederholte Samira ein wenig lauter und ein paar Leute an ihrem Tisch erhoben ebenfalls die Gläser oder Flaschen und riefen im Chor: „Auf die Bergluft“.

      Ein paar Biere später war Samira schon ein bisschen lockerer drauf und vergass ihre Unsicherheiten und ihr Selbstbewusstsein war auf dem durchschnittlichen Level angelangt. Sie war gerade dabei Yanick zu erzählen, dass sie in Zürich lebte und der Hitze entkommen wollte. „Du kannst dir das ja überhaupt gar nicht vorstellen, wie heiss es in meiner Wohnung ist und egal was man macht, es kühlt nicht ab“. Sie atmete einmal ganz tief durch. „Aber jetzt bin ich ja hier und konnte endlich ein bisschen runterfahren“. Sie lächelte Yanick glücklich an. „Runterfahren? Reicht dir das denn schon als Abkühlung, wie es jetzt gerade ist?“ Er blickte ihr keck ins Gesicht. „Warum? Meinst du, es wird morgen Abend noch kühler?“ „Das wohl nicht aber wenn ICH mich mal so richtig abkühlen möchte, ich wüsste schon, was ich dann machen würde“. Er blickte sie frech und verschwörerisch an und sie fühlte von Kopf bis Fuss einen wohligen Schauer. Nach einem kurzen Moment der Stille fragte sie: „Und wie? Was machst du um dich abzukühlen?“ „Es gibt hier in der Nähe einen kleinen Bergsee. Eigentlich ist es ein Moorsee mit einigen Metern Tiefe, wodurch er auch im Sommer eher kühle Temperaturen hat. Es gibt nichts Schöneres als an einem Samstagmorgen in aller Frühe eine Runde in dem See zu baden. Wenn man dann nicht abkühlt, weiss ich also auch nicht“. „Wie warm oder kalt ist denn dieser See?“ „Ach, so was zwischen 10-15 Grad würde ich sagen. Am Morgen wohl so um die 12 Grad oder so?“ „Und wie früh am Morgen schwimmst du denn da so?“ „Weiss nicht, meistens so um fünf oder sechs Uhr“. Samira nahm einen Schluck Bier und dachte nach. Wer um Himmels Willen stand freiwillig an einem Samstagmorgen so früh auf? Oder veräppelte er sie wieder? War das wieder einer dieser Momente, wo sie nicht merkte, dass man sie an der Nase rumführte? Loris würde bestimmt schon wieder den Kopf schütteln. „Und? Wie sieht es aus?“, Yanick stupfte sie mit dem Arm und holte sie aus ihren Träumen zurück. „Wie sieht was aus?“ „Kommst du morgen mit? Treffpunkt fünf Uhr hier vor dem Eingang?“ Er wollte also tatsächlich mit ihr in diesem Moorsee baden gehen? Und das in aller Herrgottsfrühe? Sie war ja wohl nicht wahnsinnig. Andererseits, eine bessere Möglichkeit abzukühlen gab es bestimmt nicht. Und natürlich wollte sie Zeit mit ihm verbringen, aber fünf Uhr morgens? „OK. Sagen wir Treffpunkt sechs Uhr vor dem Eingang“, versuchte sie ihn runterzuhandeln. „Letztes Angebot: 5.30 Uhr…zum ersten, zum zweiten, zum dritten“. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Verkauft an die hübsche Dame aus Zürich“. Samira lachte und ihr Herz schlug bis zum Hals. Er fand sie hübsch? Obwohl sie hier völlig verschwitzt, in ihrem Wohlfühlpullover, mit den Schminküberresten des Tages, ungekämmt und abgekämpft dasass? Loris war immer der Meinung, dass sie sich mehr schminken müsste und viel stylischer anziehen sollte. Ihre natürliche Art gefiel ihm eigentlich gar nicht. Sie versuchte sich oft für ihn zu verstellen. Manchmal kaufte sie Kleider, die ihm bestimmt gefielen und sie schminkte sich so stark, dass er es sicher schön fand. Oftmals stand sie völlig verzweifelt in irgendeinem Geschäft, weil sie genau die Kleidungsstücke nicht fand, die er ihr beschrieben hatte und von denen er fand, dass sie diese doch so unbedingt mal anziehen sollte. Manchmal war sie den Tränen nahe und sich überhaupt nicht bewusst, wie sehr sie sich selbst für ihn aufgegeben hatte. Und jetzt sass sie da. Einfach so, wie sie war und hatte gerade ein simples Kompliment bekommen, dass in ihr eine richtige Hitze auslöste. ‚Ich wollte mich doch abkühlen‘, dachte sie. Während Yanick nochmals kurz zum Grill zurückging, nahm sie ihr Handy aus der Hosentasche und schrieb Jana eine SMS:

       Bin in den Bergen am abkühlen…und habe den Mann meines Lebens kennengelernt. <3 Mehr wenn ich zurück bin. Guk. Samira. PS: Willst du meine Trauzeugin sein? ;-)

      Janas Antwort kam umgehend:

       Ich glaube, du hast zu viel Hitze abgekriegt. Kühl mal schön ab und melde dich dann wieder.

      Samira blickte schmunzelnd aufs Display und sagte leise: „Und genau das habe ich vor“. Yanick kam an den Tisch zurück und blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. „Zeit für die Heia“. „Für die was?“ „Ab ins Bett“, sagte er dann etwas lauter, „schliesslich müssen wir morgen früh raus“. „OK, ok, ich geh ja schon“, Samira erhob sich lachend und ging zum Tannenhof zurück, als sie Yanick noch rufen hörte: „Schlaf gut und träum was Schönes“.

      Lächelnd ging sie die Treppe hoch und öffnete die Türe zu ihrem Zimmer. Sie tänzelte quer durch den ganzen Raum. Vergessen war die Hitze, vergessen war ihre Unsicherheit, vergessen ihr Leben in Zürich. Sie war gerade im Hier und Jetzt sehr glücklich. Sie legte sich die Badehosen und das Badetuch für den nächsten Morgen bereit. Zum Glück hatte sie die Sachen eingepackt. Dann machte sie sich bettfertig und als sie dann so da lag, konnte sie vor lauter Glück nicht gleich einschlafen. In Gedanken stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn sie immer hier leben würde. Gemeinsam mit Yanick. Da fiel ihr auf, dass sie ihn noch gar nicht gefragt hatte, was er arbeitete. Bestimmt etwas Handwerkliches. Vielleicht war er Schreiner oder Zimmermann. Oder er arbeitete als Holzfäller. Oder Bauer? Hm, und was könnte sie hier denn arbeiten? Es sah nicht so aus, als ob es in diesem Kaff viele Bürojobs gab. Gut, sie könnte sich bestimmt etwas in dem nächsten grösseren Ort suchen. Oder sie blieb dann halt einfach zu Hause mit den Kindern, die sie bestimmt noch bekommen werden. Ob sie mit seinem Schreinergehalt überhaupt durchkommen würden? Gut, hier brauchte man ja nicht viel, es würde schon irgendwie gehen. Und wenn er doch Bauer war? Könnte sie es sich tatsächlich vorstellen auf einem Bauernhof mitzuarbeiten? Während dem sie sich die unterschiedlichen Zukunftsvisionen durch den Kopf gehen liess, schlief sie dann doch irgendwann ein.

      Kapitel 3

      Samira wusste zuerst gar nicht mehr wo sie war, als der Wecker klingelte. Sie schaute auf die Uhr. Kurz nach fünf Uhr morgens. „Ich muss wahnsinnig sein“, sagte sie leise zu sich selbst, als sie sich mühsam aus dem Bett quälte. Nachdem sie die Zähne geputzt hatte, zog sie sich direkt die Badeklamotten an und ihre normale Kleidung darüber. Dann schnappte sie sich ihr Handy und schrieb Jana eine SMS:

       So, unterwegs zum Morgenschwimmen mit meinem Traummann. Geniesse deinen Tag. Guk. Samira

      Kurz vor halb machte sie sich auf den Weg zum Treffpunkt. Leise schlich sie die Treppe runter. Es war totenstill und offenbar war noch niemand wach. Als sie nach draussen trat, stand vor dem Eingang ein dunkelblauer Jeep Wrangler aus dem Yanick seinen Kopf rausstreckte und rief: „Guten Morgen, Schlafmütze“. „Ich bin aber pünktlich“, protestierte Samira, während dem sie einstieg. „Dann wollen wir mal los“, Yanick sprühte förmlich vor Energie. Er schien ein richtiger Morgenmensch zu sein. Ganz im Gegensatz zu Samira, die richtig Mühe hatte, die Augen offenzuhalten. „Du kannst schon noch ein bisschen schlafen. Ich wecke dich, wenn wir da sind“, meinte er vorlaut. „Was? Nein, ich bin hellwach“. „Wann beginnt denn dein Tag normalerweise in Zürich?“ „Ach, ich muss einfach spätestens um acht Uhr im Büro sein. Mein Chef ist da ein bisschen eigen und erlaubt mir keine Minute später zu kommen“. Yanick sagte nichts aber Samira konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass er leicht den Kopf schüttelte. „Findest du das seltsam?“, Samira schaute ihn neugierig an. „Nun ja, ich verstehe nicht ganz, warum man so unflexibel sein muss. Aber bei euch Stadtmenschen ist das wohl normal“. „Hey, stell uns jetzt nicht so hin, als wären wir eine seltsame Spezies“, lachte Samira. „Seid ihr das denn nicht?“ Er schenkte ihr ein überaus herzliches Lachen. „Was arbeitest du denn eigentlich?“ Die Frage brannte ihr schon lange auf der Zunge. Zunächst schwieg er einen Moment, bevor er zu erzählen begann. „Ich bin gelernter Zimmermann und habe lange bei einer Zimmerei in Innertkirchen gearbeitet. Ach ja, ich habe die Arbeit mit dem Holz geliebt“, er hielt kurz inne. „Meine Mutter hast du ja bereits kennen gelernt, die Ida. Sie führte denn Tannenhof zusammen mit meinem Vater. Zuvor war die Pension im Besitz meiner Grosseltern. Quasi ein Familienunternehmen. Mein Vater bekam vor etwa 3,5 Jahren Krebs. Ein halbes Jahr später starb er. Es ging alles so schnell….“ Yanick machte eine Pause und Samira hatte einen Kloss im Hals. Hätte sie bloss nicht gefragt. Doch bevor sie