Arschbombenalarm. Lisa Sturm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisa Sturm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742709004
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und an der frischen Luft. Nach dieser Feststellung atmete sie tief durch und spürte, wie ein paar Tränen in ihr hochstiegen. Sie versuchte dagegen anzukämpfen und sprang schnell unter die Dusche. Endlich so was Ähnliches wie eine Abkühlung. Sie duschte lange und ausgiebig und als sie aus der Dusche trat, wurde sie erneut beinahe von der Hitze erschlagen. Das durfte doch einfach nicht wahr sein. Sie blickte in den Spiegel und begutachtete ihre weiblichen Problemzonen, während dem sie ihre langen dunkelblonden Haare trocken rubbelte. Ihre türkisgrünen Augen schimmerten traurig. Nur in ein Handtuch eingewickelt setzte sie sich dann aufs Sofa und versuchte positive Gedanken zu sammeln. Doch alles was ihr immer wieder durch den Kopf ging war „es ist so heiss“ und „ich bin so allein“.

      Als Bern immer näher kam, musste sie sich entscheiden in welche Richtung es weitergehen sollte. Thun/Spiez? Die Gegend sei angeblich sehr schön. Langsam begann sie sich zu entspannen und war überglücklich, dass ihr Auto eine Klimaanlage besass. Somit konnte sie schon mal ein bisschen abkühlen.

      Vor zwei Monaten war ihre Welt noch in Ordnung gewesen. Sie und Loris waren seit knapp einem Jahr glücklich verliebt und sie verbrachten jede freie Minute zusammen. Zumindest jede freie Minute, die Loris zur Verfügung hatte. Denn obwohl er arbeitssuchend war, hatte er immer irgendwas zu tun und war viel unterwegs. Samira hätte gerne mehr Zeit mit ihm verbracht, doch das ging nun mal leider nicht. Aber im grossen Ganzen war das auch gut so, denn somit hatte sie viel Zeit für sich selbst, was ihr auch sehr wichtig war und sie konnte ihre beste Freundin Jana auch jederzeit sehen. Jana war ebenfalls 35 Jahre alt und seit 15 Jahren glücklich mit ihrem Stefan liiert. Die beiden wohnten schon beinahe seit dem Anfang ihrer Beziehung in Zürich Seefeld. Sie arbeitete als Dentalassistentin und verdrehte noch heute mit ihren langen schwarzen Haaren und strahlend grünen Augen den Männern regelmässig den Kopf. Samira war sich sicher, dass sobald sie und Loris einmal zusammenziehen, sie sich automatisch auch öfters sehen würden. Wenn er bei ihr war, war alles perfekt. Ihr Herz schlug jedes Mal höher, sobald es an der Türe klingelte und er draussen stand. Ihre Begrüssungen und Verabschiedungen waren immer sehr herzlich und er sprach schon früh in der Beziehung davon, dass er sie einmal heiraten und Kinder mit ihr haben möchte.

      Als sie sich das zweitletzte Mal gesehen hatten, waren sie bei Samira zu Hause und kochten gemeinsam. Gemütlich sassen sie danach bei Kerzenschein am Tisch und schwebten auf rosa Wolken. „Ich liebe dich so sehr“, flüsterte sie damals leise und er schaute sie glücklich an und flötete: „Ich bin so froh, dass wir uns begegnet sind“. Er nahm sie fest in den Arm bevor sie übereinander herfielen. Es war eine wunderschöne und romantische Nacht und am nächsten Morgen verabschiedete er sich mit einem langem Kuss und dem Versprechen, dass sie sich am übernächsten Tag wieder sehen und er sich sehr darauf freue.

      Am übernächsten Tag hatte sie bereits alles für ein gemütliches Abendessen eingekauft. Der Tisch war gedeckt, die Kerzenständer durften natürlich nicht fehlen und im Ofen brutzelte bereits ein leckeres Stück Fleisch, als er an der Türe klingelte. Wie immer machte ihr Herz einen grossen Hüpfer und sie sprintete vor lauter Vorfreude schnell zum Eingang. Sie lächelte, als sie die Türe öffnete: „Hey, wie geht’s? Hattest du einen guten Tag?“ Er schaute sie ernst an und schüttelte den Kopf. Oje, irgendwas schien wohl bei ihm heute nicht gut gelaufen zu sein. Doch er blieb ruhig, sagte kein Wort mehr und hatte noch immer diesen ernsten Blick aufgesetzt. Panik kam in ihr hoch. „Was ist los?“ Mit grossen ängstlichen Augen blickte sie ihn an. War er krank? Fühlte er sich nicht gut? Warum hatte er sich dann den ganzen Tag über nicht gemeldet? Wenn er ihr geschrieben hätte, dass es ihm nicht gut gehe, dann hätte sie das Essen doch verschoben. Er setzte sich kommentarlos aufs Sofa und sie gesellte sich zu ihm. „Was ist denn jetzt?“ Er blickte ernst und mit fast schon böser Miene auf den Boden und es dauerte mehrere Minuten, bis er endlich etwas sagte. „Schau, ich habe mir ein paar Gedanken gemacht und bin zum Schluss gekommen, dass für mich diese Beziehung so nicht mehr funktioniert. Ich liebe dich nicht und möchte das Ganze hiermit beenden“. Stille. ‚Das muss ein Traum sein‘, ging es Samira durch den Kopf. Leider hatte sie sehr oft ziemlich lebhafte Träume und verfügte aber glücklicherweise über das Talent, bei bösen Träumen noch im Traum festzustellen, dass es nur ein Traum war. Damit konnte sie ihr Aufwachen beeinflussen. Sie wusste also, dass sie sich jetzt nur vom Sofa erheben musste und sich innerlich dazu aufzurufen aufzuwachen, dann war dieser Albtraum beendet. Also sprang sie hoch und versuchte zu erwachen. Doch nichts passierte. Im Gegenteil. Sie stand auf dem Parkettboden und es fühlte sich an, als würde ihr jemand den Boden unter den Füssen wegziehen. ‚Das ist gar kein Traum‘, raunte es ihr durch den Kopf. „Aber das kann doch nicht sein, verdammt nochmal“, schrie sie jetzt quer durch die Wohnung. Er sass seelenruhig an der gleichen Stelle wie zuvor und zuckte nur mit den Schultern. „Ich muss jetzt los“. Herzlos stand er auf. Sie versuchte ihn aufzuhalten, hielt ihn am Arm fest, doch er riss sich los, drehte sich noch ein letztes Mal um und sagte: „Sorry“. Dann ging er zur Türe raus und sie hatte ihn nie mehr gesehen oder gehört.

      Eine Welt war für sie zusammengebrochen und eine Mischung aus Wut und Trauer machte sich in ihr breit. Sie nahm das gute Stück Fleisch aus dem Ofen und schmiss es mit voller Wucht von ihrem Balkon. Die Flasche mit dem guten Wein gleich hinterher. Sie hörte wie sie in tausend Scherben zersprang, genau wie ihr Herz. ‚Jetzt bist du wieder alleine‘ ging es ihr durch den Kopf. Wieder Single. Ihr graute es davor, erneut von vorne anzufangen. Sie hatte so lange auf Loris gewartet und jetzt war er einfach weg. Und mit ihren bereits 35 Jahren wurde es bestimmt nicht einfach, nochmals einen brauchbaren Mann zu finden.

      Nach ein paar Tagen stellte sie fest, dass das Schlimmste an der Trennung nicht der Verlust von Loris als Person war sondern, dass sie vielmehr damit zu kämpfen hatte wieder alleine zu sein. Ihr Unterbewusstsein sagte ihr sogar, dass sie mit Loris sowieso keine Zukunft gehabt hätte und dennoch vermisste sie ihn anfänglich sehr. Es war bestimmt besser so. Loris war zwei Jahre jünger als sie und sie fühlte sich schon immer viel erwachsener als er. Auch optisch entsprach er eigentlich nicht dem Typ Mann, der Samira normalerweise gefiel. Er war sehr dünn, fast schon knochig, hatte strohblonde Haare und stahlblaue Augen. Sie hätte einfach gerne gewusst, warum er so plötzlich von einem Tag auf den nächsten alles hingeschmissen hatte, wo doch vermeintlich alles in bester Ordnung gewesen war. Doch sie bekam keine Antworten auf ihre Fragen. Ungefähr einen Monat lang schwankte sie zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt bis sie sich irgendwann sagte, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Also zog sie definitiv einen Schlussstrich und konzentrierte sich auf ihre Zukunft. Jana hatte ihr den Rat gegeben sich fest darauf einzustellen, dass die Zukunft, die vor ihr lag die bestmögliche Zukunft überhaupt sei und auf diese sollte sie sich freuen.

      Das gelang ihr eigentlich sehr gut. Sie verbrachte viel Zeit mit Jana und noch mehr Zeit mit sich selbst, was ihr an den meisten Tagen sehr viel Freude bereitete. Einer der grossen Vorteile am Singleleben war es schliesslich, machen zu können worauf man gerade Lust hatte und niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Aber heute gelang ihr das nicht. Diese nicht enden wollende Hitze und die Aussicht auf ein Wochenende ohne Pläne und ohne Jana brachten langsam aber sicher eine grosse Verzweiflung in ihr hoch. Irgendwann verlor sie den Kampf gegen die Tränen und liess ihnen freien Lauf. Als sie sich beruhigt hatte, ergriff sie die Flucht. Und da war sie nun. Auf der Suche nach einem Ziel.

      Sie fuhr dem Thunersee und Brienzersee entlang und staunte über die schöne Aussicht, das klare blaue Wasser und die Sonne, die auf dem See glitzerte. Sie passierte Meiringen/Hasliberg und folgte wahllos einer Strasse. Diese schlängelte sich in kurviger Strecke immer höher. Der Weg war ihr Ziel und sie fühlte sich frei und ungezwungen. Die Strasse führte durch dichte grüne Wälder, entlang eines relativ breiten Flusses. Wenn sie in Geographie keinen Fensterplatz gehabt hätte, wäre bestimmt auch zu erraten gewesen, wie dieser hiess. Die Bäume wurden weniger und sie sah grosse Berge, der pure Kontrast zu ihrem Leben in der Stadt. Nachdem sie auch noch eine Brücke überquert hatte sowie einer Links- und Rechtskurve gefolgt war, lag ein kleines sympathisches Bergdorf vor ihr. Auf dem Ortsschild konnte sie den Namen ‚Guttannen‘ erkennen und sie wusste insgeheim, dass sie am für sie richtigen Ort angekommen war.

      Sie fühlte sich wie in einen alten Film versetzt. Hier war alles so herrlich ruhig und friedlich. Sie tuckerte auf der Strasse weiter, bis sie eine kleine Pension namens ‚Tannenhof‘