„Steingartengasse, mal sehen, die ist hier, aber in welcher Richtung stehen wir denn?“ Verena blies hörbar die Luft zwischen den Lippen durch. Kaspar bellte auf und versuchte über ihren Schoß an das Fenster zu gelangen. „Sag mal, bist du übergeschnappt, was soll denn das?“, rief sie ihm mit strenger Stimme zu. Doch nach einem Blick durchs Fenster war alles klar. In voller Montur lachte Georg durch die Scheibe. Kaspar stellte seine Pfote auf den Fensteröffner und leise surrend öffnete sich diese. „Na, dass nenne ich doch wirklich passend. Ein Polizist als Freund und Helfer, wenn sich Frau in der Stadt verirrt hat und ein ungehorsamer Hund, der nicht auf seinen Platz bleiben kann.“ Kaspar winselte beleidigt über den strengen Ton, trat jedoch vorsichtshalber den Rückweg an als ihn Verena mit starrem Blick fixierte.
„Sei nicht so streng, obwohl ich aus beruflicher Sicht verpflichtet bin, dich über Beförderungsrichtlinien bei Tieren hinzuweisen“, versuchte Georg ernst zu bleiben.
Verena schenkte ihm ein sarkastisches Blend-da-med Lächeln. „Ach ja?“ Hinter Georg tauchte ein zweiter Polizist auf, der sie hinter seinen dunklen Sonnenbrillen musterte.
„Das ist mein Kollege Philipp Kuhnt und wir wollten fragen, ob wir dir irgendwie behilflich sein können. Wir folgen dir schon seit gut fünfzehn Minuten quer durch die Stadt bzw. im Kreis.“ Diesen Philipp konnte Verena schwer einschätzen und es lag sicherlich nicht an der Sonnenbrille, hinter der sie seine Augen nicht sehen konnte.
„Kuhnt? Woher …“
„Du hast seinen Vater gestern kennen gelernt. Du weißt schon, ich war gestern mit ihm im Dienst.“
„Paul. Sie sind Pauls Sohn?“ Verena konnte nicht mehr verblüfft sein. Vater und Sohn waren wie Tag und Nacht und zwar nicht nur äußerlich. In Pauls Gegenwart hatte sie sich entspannt und angenehm gefühlt, bei Philipp hatte sie eher das Gefühl abschätzend betrachtet zu werden, obwohl sie das ja gar nicht sehen konnte.
„Guten Tag, Frau Ritter. Ich habe schon einiges über sie gehört.“ Philipp Kuhnt entblößte ein strahlendes Lächeln und schüttelte ihre Hand.
„Dass kann ich mir denken“, murmelte Verena als Antwort.
„Also, wo willst du hin?“, brachte Georg die Situation wieder auf den Punkt.
„Ich wollte zu diesem Elektrofachhandel Kiesleitner in der Burggrabengasse, doch durch die Umleitung, die endlos weit zurück liegt, bin ich – nun – kurz gesagt, ich habe mich verfahren.“
„Ich sag’s ja, Frauen“, kommentierte Philipp Kuhnt ironisch. „Ohne Männer sind sie hoffnungslos verloren.“
„Mit ihnen sind wir nicht wesentlich besser dran“, konterte Verena mit herausforderndem Augenaufschlag. „Aber möglicherweise ist mir eure Hilfe sogar ein Essen wert, doch ich komme auch ohne euch an mein Ziel, früher oder später.“
Georg bemerkte die unterschwellige Kriegsstimmung zwischen den beiden, Philipps lässige Art gegenüber Frauen war schon öfters ein Anstoß für Probleme gewesen. Gerade bei einer Frau wie Verena, die ihre Selbstständigkeit entschieden verteidigte, waren Philipps Machoallüren eine Kampferklärung.
„Ein Angebot, dass wir sicherlich nicht ausschlagen werden, nicht wahr Philipp? Fahr einfach hinter uns nach.“ Und mit einem Augenzwinkern ließ Georg seinen Worten Taten folgen.
Und tatsächlich, nach knapp fünf Minuten parkten sie vor dem gesuchten Laden. Verena schnappte sich ihre Liste und stopfte sie unachtsam in ihre Jackentasche. „So weit vom Ziel war ich ja gar nicht mehr entfernt, aber trotzdem, danke.“ Verenas Stimme überließ nicht den geringsten Zweifel, dass sie auch alleine zu Recht gekommen wäre. Georg konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Philipp hingegen setzte bereits zu einem nächsten Angriff an. „Was macht eine Frau in einen Elektrofachhandel? Glühbirnen hätten sie auch in Großkirchen bekommen und dazu ohne Schwierigkeiten einen Mann, der ihnen beim Auswechseln behilflich ist.“ Philipps Machogehabe stieß bei Verena sauer auf, doch sie fand den Kerl nicht wert, sich ihm gegenüber beweisen zu müssen.
„Eine Glühbirne? Wo habe ich diesen Ausdruck nur gehört? Ah, jetzt weiß ich es. Sind das nicht die diese Leuchten, die nicht das halten, was sie auf der Verpackung versprechen?“
Verena fühlte, wie sich Philipps Spott in Ärger umschwang, obwohl es ihm äußerlich nicht anzumerken war.
„Warum suchst du uns nicht einstweilen einen Tisch in der Pizzeria, während ich Verena bei ihrem Einkauf unterstütze?“ Der unterschwellige Ton in Georgs Stimme enthielt eine Warnung, sich zu benehmen und nicht lächerlich zu machen. „Klar, kein Problem.“
Georgs Kollege drehte ihnen den Rücken und hielt direkt auf die Pizzeria auf der anderen Straßenseite zu. Verena wusste, dass sie sich genau so daneben benahm wie dieser Philipp Kuhnt, doch was sollte es, sie mussten ja nicht gut Freund sein.
„Schwer vorstellbar, dass das Pauls Sohn ist. Bist du dir da wirklich hundertprozentig sicher?“, murmelte Verena halblaut.
„Zugegeben, er ist ein kleiner Angeber, aber sonst ist er ein guter Partner. Jeder hat eben seine Fehler“, versuchte Georg die Wogen zu glätten.
„Gibt es eventuell noch mehr frauenfeindliche Männer in der Gegend, die eine selbständige Frau einen Kilometer gegen den Wind nicht riechen können, von denen ich wissen sollte?“ Verenas Frage und ihr resignierter Gesichtsausdruck brachte Georg zum Lachen.
„Findest du nicht, dass du gerade etwas übertreibst? Karl und Philipp erwecken vielleicht auf den ersten Blick diesen Eindruck, doch du kannst mir glauben, du irrst dich.“
Verena sah jedoch zweifelnd ob seiner Aussage auf die andere Straßenseite. Georg verschwand gut gelaunt im Laden und Verena beeilte sich ihm zu folgen.
Suchend kramte sie in ihren Taschen nach der Liste. „Also, ich hoffe, sie können mich in den einen oder anderen beraten. Die Sache ist ein wenig kompliziert.“ Zuerst erweckte der Verkäufer eher den Eindruck, dass er sicherlich mit den Belangen einer Frau in dieser Angelegenheit bestens zu Recht kommen würde, doch bald musste er feststellen, dass sein Wissen durchaus gefordert wurde.
„Und was messen sie mit diesem Gerät?“, wollte er wissen.
„Energien. Das Problem ist, dass es bis jetzt eine Spannung von etwa 30 Volt standgehalten hat, dass bis jetzt auch vollkommen gereicht hat, doch die Begebenheiten haben sich verändert. Beim letzten Einsatz hat es die überhöhte Spannung nicht mehr ausgehalten und ist verschmorrt. Deshalb möchte ich es jetzt gleich stärker absichern“, erklärte Verena.
Eine gute halbe Stunde wurde beratschlagt, diskutiert und Materialien aus dem Lager geholt. Sicherungen, Überspannungsschutz, Kabeln, Stecker, Hülsen sammelte sich in der kurzen Zeit zu einem ganz ordentlichen Haufen zusammen.
Georg half Verena schließlich den Einkauf zum Wagen zu bringen. „Du möchtest das Gerät, das in deiner Küche liegt wieder in Schwung bringen?“ Verena sah kurz fragend hoch.
„Ich habe es gestern gesehen, während du unter der Dusche warst.“ Georg fühlte sich verlegen, er wollte sicherlich nicht, dass Verena dachte, er hätte ohne ihr Wissen in ihrem Leben herum geschnüffelt.
„Ich kenne mich mit solchen Sachen ganz gut aus. Ich würde dir gerne helfen.“ Lässig lehnte Verena sich an ihren Wagen.
„Machst du mir dieses Angebot, weil ich eine Frau bin?“
„Nein, das ist sicherlich nicht der Grund. Ich hätte es jeden Freund angeboten.“ Georgs prompte Antwort klang ehrlich.
„Dann bin ich froh über deine Hilfe. Ich muss zugeben, dass Technik nicht gerade meine starke Seite ist. Heute Abend fange ich an.“
„Dann