Seelenecho. Michaela Hössinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Hössinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650706
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weißt du schon wo sie wohnt?“

      „Nein, meine Quelle ist gerade auf Tahiti. Toll, dass du daran gedacht hast.“ Verenas Laune besserte sich sofort, endlich konnte sie sich wieder mit dem Geheimnis beschäftigen und dabei viel versprechende Fortschritte erwarten.

      „Hast du etwas dagegen, wenn ich mitfahre? Ich habe Livi schon lange nicht mehr gesehen und vielleicht kann ich zwischen euch beiden sozusagen eine erste Brücke schlagen.“ Karla zwinkerte vergnügt mit den Augen.

      „Klar doch. Meinst du, sie ist Nachmittag zu Hause?“

      „Ein Versuch ist es wert.“

      „Gut, dann ruf ich dich später an, doch jetzt muss ich los. Denn die nette Frau Berger haut es mir jedes Mal auf die Schüssel, wenn ich auch nur fünf Minuten zu spät komme.“

      „Ja, die Haushälterin von Stegersbach führt ein strenges Reglement, pass auf, dass du dich nicht mit ihr verfeindest.“

      „Werde ich nicht. Bis später.“ Und sie musste sich jetzt wirklich beeilen, wenn sie nicht erneut zu spät kommen wollte.

      Inzwischen kannte sie sich im Schloss schon gut aus und die Gräfin hatte zum Unmut der Haushälterin ihr den ungehinderten Zugang zu sämtlichen Räumen gewährt. So offen wie die Gräfin war, so verschlossen war Frau Berger und auch die Tochter Lydia war ein harter Brocken. Jeden Versuch sie zu einem Gespräch zu bewegen, hatte sie vehement bereits am Telefon abgeblockt.

      Verena war gerade auf dem Weg in die Burgkapelle um eine Aufzeichnung der Burgchronik nachzuvollziehen. Vieles hatte sich im Laufe der Jahre zwar verändert, doch ohne Schwierigkeiten hatte sie bis jetzt eine Menge von Einzelheiten auf Stegersbach wieder gefunden.

      Dieser Schutzgeist, Graf Gabriel de Maurión, füllte viele Seiten in den privaten Aufzeichnungen der Gräfin und gespannt fragte sich Verena, ob sie ihn wohl einmal selbst zu Gesicht bekam.

      Ob das gut oder schlecht war, war anderseits wieder fraglich. Oft erschien er als Warnung vor Gefahr und das war für viele ein schlechtes Omen. Es war schon seltsam wie abergläubig Menschen sein konnten.

      Die Burgkapelle gehörte zu den ältesten Teilen des Schlosses und es herrschte eine angenehme Aura. Selbst im Sommer war es durch die dicken Steinmauern immer kühl und die Sonne tauchte die Statue des Engels Gabriels in weiches Licht. Selbst der Name war passend für den Schutzgeist, der Erzengel war der Beschützer der Frauen und Kinder, oder einfacher gesagt der Schwächeren in der Gesellschaft. Verena erstaunte es oft, wie viele Kleinigkeiten sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügten.

      Die Statue war aus weißem Marmor und wie es die Legende überlieferte, befand sich zwischen den Beinen ein dunkler Fleck, wie getrocknetes Blut. Vorsichtig rubbelte Verena über die Stelle, doch dieser Fleck war wie ein Teil des Steins. Sie stellte sich vor wie der Graf einst vor diesem Bildnis gekniet hatte, seinen Schwur ­leistete. Sie schloss die Augen und versuchte die Aura in sich wirken zu lassen, sah bildlich wie der Graf seine blutende Hand auf den weißen Marmor legte. Ein kraftvoller Schwur, der seine Antwort war auf die Unmenschlichkeit der Zeit, der Zorn über die Hilflosigkeit, seine Ohnmacht verfluchte, die ihm die Rangordnung aufzwang. Wie von selbst ballte sich Verenas Hand im Zorn zu einer Faust und unvorbereitet überschwemmte sie die Kraft dieses Eides.

      Wie in Trance sah sie auf ihre Faust und meinte eine männliche zu sehen, doch beim nächsten Wimpernschlag war es nur ihre eigene. Langsam öffneten sich ihre Fingern und entspannten sich wieder.

      Nur allmählich wurde sich Verena bewusst, dass sie nicht mehr alleine in der Kapelle war. Eine Frau in ihrem Alter starrte sie mit erschreckt geweiteten Augen an. Angst, es war Angst, die aus ­diesem Gesicht sprach. Die Gestalt straffte sich und ihre Augen nahmen einen rebellischen Glanz an, ihre langen dunkelblonden Haare unterstrichen jedoch noch die alarmierende Blässe.

      „Verena Ritter, nehme ich an. Ich bin..“

      „Lydia Stegersbach. Ich dachte nicht, dass ich ihnen so schnell begegne.“ Verena schnitt ihr absichtlich den Atem ab. Sie hoffte so, etwas von der Abwehr ab­zuschwächen.

      „Ich bin nur deshalb hier, weil ich sie nun bitten möchte, nein, ich verlange es, dass sie endlich mich und meine Mutter in Ruhe lassen mit ihrem Geisterhokuspokus.“ Lydias Stimme hallte kraftvoll durch die Kirche, doch Verena hörte das Zittern darin. Irgendetwas hatte sie verstört und unsicher gemacht. Lydias Blick war unruhig und glitt immer wieder zu der Statue zurück.

      „Ihre Mutter hat nichts dagegen, im Gegenteil sie unterstützt meine Arbeit. Lydia, sie brauchen keine Angst zu haben. Es gibt in Stegersbach nichts, was sie zu fürchten brauchen und mich schon gar nicht.“ Diese direkte Ansprache auf ihr offensicht­liches Problem war zwar ziemlich gewagt.

      „Ich habe keine Angst vor Geistern, falls sie das meinen. Es wäre doch vollkommen un­sinnig sich vor etwas zu ängstigen, dass es gar nicht gibt.“ Lydia legte soviel Selbstsicherheit in ihre Stimme und Verena erkannte, dass sie einander gar nicht so verschieden waren, zumindest in gewisser Weise.

      „Wenn wollen sie überzeugen? Mich? Da werden sie kein Glück haben, Lydia. Geister sind seit meiner Kindheit ein Teil meines Lebens, der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich einen lieben Menschen hatte, der mir gezeigt hat, dass es eine Gabe ist und wie man lernt damit umzugehen. Sie werden nie ihre Ruhe finden, solange sie es verleugnen. Überall fragen sie sich, wann und wo es das nächste mal passieren wird. Sie haben Angst. Wie lange werden sie diese Ungewissheit, die ständige Erwartung der Konfrontation mit der Anderswelt noch aushalten?“ Lydia erstarrte und Verena sah, wie ihre Hände leicht zitterten.

      „Wie sehr sich auch selbst zu überzeugen versuchen, es funktioniert nicht, weil sie wissen, dass es anders ist.“ Verena sah kurz zu der Statue zurück, bevor sie weiter sprach. „Sie haben Gabriel de Maurión gesehen, gerade eben war er hier, nicht wahr?“ Lydia wich einen Schritt zurück, nur zu deutlich sah sie die Szene noch vor sich.

      Sie war entschlossen in die Kapelle eingetreten um Verena ­ihren Standpunkt klar zu machen, doch unerwartet hatte sie mehr vorgefunden als gewollt. Verena kniete an der Statue und wie ein Schatten hatte sie den Grafen neben ihr gesehen, für einen Moment sah es sogar so aus, als umhüllte er regelrecht ihre Gestalt.

      „Vielleicht können sie das mit anderen machen, mit mir aber nicht. Lasst mich in Ruhe.“ Den letzten Satz rief sie kraftvoll in das Kirchenschiff und Verena wusste, dass nicht nur sie gemeint war.

      „Rufen sie mich an, wenn sie es sich doch noch anders überlegen. Ich werde ihnen zuhören und ich versichere ihnen, dass es niemand erfahren wird.“ Lydia nickte kaum merklich und verließ fluchtartig die Kapelle.

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