Leo ist verknallt. Sabine-Franziska Weinberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine-Franziska Weinberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783847647706
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Leo noch fieberhaft überlegt, warum Edwin entgegen allen Erwartungen noch in einem Stück existiert und wie sie in Erfahrung bringen könnte, warum das so ist, nimmt der Junge hinter ihr wortlos Platz. Fast glaubt Leo seine Blicke im Nacken zu spüren, als Moritz und seine Freunde Edwin umzingeln und ihn leise fragen leise, ob sich sein Bruder mittlerweile wieder beruhigt habe.

      Leo, die nur eine Bank vor Edwin sitzt, bekommt auf einmal Riesenohren wie ein afrikanischer Elefant und lauscht angestrengt auf die Fragen der Buben hinter ihr und noch mehr auf Edwins Antworten. Obwohl nur leise gemurmelt wird, glaubt sie zu verstehen, dass es gestern Abend eine unglaubliche Verwechslung im Haus Nr. 8 gegeben hat, die drei Jungs eine Veilchennase und einem vierzehn Tage Hausarrest beschert hat.

      Auch ohne viel Fantasie kann sich Leonie gut vorstellen, was gestern Abend in Haus Nr. 8 vorgefallen ist, findet jedoch immer noch keine Erklärung dafür, warum ausgerechnet Edwin ungeschoren davon gekommen ist. Nur zu gern würde sie ihn fragen, warum seine Nase nicht blau ist, dann müsste sie ihm allerdings auch gestehen, dass sie und Pauli Matthias’ Brief zerrissen und mit seinem Piratentixo geklebt haben.

      „Weißt du schon das Allerneueste?“, zwitschert unverhofft ihre Banknachbarin Lena, als sie neben Leo auftaucht und sich auf ihren Platz setzt.

      „Nein, aber ich gehe davon aus, dass du es gleich erzählen wirst“, erwidert Leonie, die in Gedanken noch bei Edwins nicht blauer Nase ist, obwohl sie weiß, dass Lena nicht eher ruhen wird, bis sie ihre Neuigkeiten losgeworden ist.

      „Edwins großer Bruder hat gestern drei unserer Mitschüler vermöbelt“, schnattert Lena munter drauf los. „Da Matthias auf Edwin aus irgendeinem Grund ziemlich sauer war und einige Buben unserer Klasse nach dem Fußballspiel noch bei Edwin zu Hause waren, hat Matthi mehreren eine blaue Nase verpasst, immer in der Hoffnung, Edwin zu erwischen, was offensichtlich nicht ganz einfach war, da die Jungs ihre Fußballdressen getragen haben und von hinten ziemlich ähnlich aussehen, weshalb er Edwin verpasst, jedoch von seinem Papa vierzehn Tage Hausarrest erhalten hat. Weil sein Papa der Meinung ist, dass man anderen die Nasen nicht blau drehen darf. Noch dazu, wenn sie nicht Edwin heißen. Aber wenn du mich fragst, hätte Matthi Fabian ruhig auch noch einen Nasenstüber versetzen können, da er sich ständig meine Buntstifte ohne zu fragen holt und mich beim Turnen ständig gegen die Wand drängt. Dafür hätte er sich mindestens auch eine Blaunase verdient!“

      Bedauerlicherweise fragt jedoch nie jemand nach Lenas Meinung.

      „Woher weißt du denn das?“, schaute Leo ihrer Freundin gespannt ins Gesicht und bemüht sich möglichst unauffällig den Anschein zu wahren, von alldem keine Ahnung zu haben.

      „Luzian hat es mir erzählt“, rückt Lena ihren Stuhl ein wenig näher heran und setzt sich neben Leonie.

      „Luzian?“, schnappt Leo unwillkürlich nach Luft. „Lebt er noch oder schon wieder?“

      „Natürlich lebt er“, bemerkte Lena mit hochgezogenen Augenbrauen.

      „Der Stöpsel ist raus, aber ich gehe davon aus, dass du ihn nicht wieder haben willst“, wirft sie Leo einen mitleidigen Blick zu.

      „Nein, bestimmt nicht!“, entdeckt Leo den Stöpselverschlucker vorne an der Tafel, der sie genauso anstarrt, wie sie ihn. Verlegen, dass er sie dabei ertappt hat, schaut sie schnell wieder zu Lena hinüber.

      „Woher weiß Luzian von den blauen Nasen?“, beißt sich Leo unbewusst auf die Unterlippe.

      „Er war gestern nach dem Fußballspiel auch bei Edwin. Fast hätte sich Matthi auch auf ihn gestürzt, doch seine ebenholzbraunen Haare haben ihm das Leben gerettet. Da er selbst von hinten viel besser aussieht als Edwin“, schwärmt Lena verträumt.

      Leo ist ehrlich gesagt noch nie aufgefallen, dass Luzian von hinten besser aussieht als Edwin. Was übrigens kein großes Kunststück ist, da jeder von hinten besser aussieht als Edwin. Von vorn übrigens auch. Davon abgesehen sind Luzians Haare nicht ebenholz- sondern schokoladenbraun“, geht es ihr durch den Kopf, während sie spürt, wie Lena sie am Arm zupft.

      „Übrigens, ich glaub', er mag mich!“, senkt Leos Banknachbarin vertraulich ihre Stimme.

      „Wer? Matthi?“, ruft Leo entsetzt.

      „Nein, doch nicht Edwins älterer Bruder. Der ist dreizehn und viel zu alt für mich“, schüttelt Lena ihren Kopf. „Ich meine Luzian. Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm heute nach Hause gehen will“, winkt Lena freundlich zu dem Jungen hinüber, der doch tatsächlich zurückwinkt.

      Bei dem verliebten Blick, den Lena Luzian zuwirft, verspürt Leo innerlich einen kleinen Stich. Verflixt noch mal, irgendwie störte es sie, dass Lena zu ihm hinüberwinkt, obwohl es ihr ziemlich egal sein kann, ob ihre Banknachbarin Luzian zuwinkt oder nicht, da er sie überhaupt nichts angeht. Luzian ist immerhin der Junge, der ihren Erdbeerstift auf dem Gewissen hat.

      Lena, die irgendwie spürt, dass Leo etwas mächtig gegen den Strich geht, mustert ihre Freundin mit zusammengekniffenen Augen.

      „Hast du was, Leo?“, will sie wissen.

      „Ja, zuwenig für die heutige Mathearbeit geübt“, lächelt Leo leicht gekünstelt. „Daher hoffe ich, dass du mindestens für zwei gelernt hast.“

      Obwohl Lena spürt, dass etwas Unausgesprochenes in der Luft liegt, fragt sie nicht weiter nach und erwidert Leos Lächeln.

      „Oh, da bin ich leider die falsche Adresse“, schüttelte sie schnell ihren Kopf. „Falls du einen guten Rechentest schreiben willst, empfehle ich, dich eine Bank nach hinten zu Edwin dem Taschenrechner zu setzen.

      Das Dumme ist nur, dass Leo neben jedem sitzen kann, nur nicht neben Edwin, dem Taschenrechner. Und Luzian, dem Stöpselverschlucker. Aber das aus ganz verschiedenen Gründen.

      In der großen Pause steht Leonie nervös auf dem Gang. Sie will heute weder Gummitwist hüpfen noch Pedalo fahren, sondern wartet ungeduldig auf die Erstklässer, die wie Kaugummikugeln gedrängt aus ihren Klassen quellen, nur der eine, auf den sie wartet, ist nirgendwo zu sehen.

      „Komm schon, Pauli!“, hält sie unruhig nach Edwins kleinem Bruder Ausschau, weil sie unbedingt wissen will, was gestern Abend in Haus Nr. 8 wirklich passiert ist, aber Paulchen bleibt trotz all ihrer Bemühungen unauffindbar.

      Dafür erscheint ein anderer, mit dem sie jetzt wirklich nicht reden will. Leichtes Unbehagen spiegelt sich in Leos Gesicht wieder, als er aus der Kindermenge genau vor ihrem Gesicht auftaucht und dann auch noch unerwartet vor ihr stehenbleibt. LUZIAN.

      Der Junge beobachtet wortlos ihr Mienenspiel und glaubt zu erkennen, dass sie nicht unbedingt erfreut ist, ihn zu sehen. Eigentlich hat er auch nichts anderes erwartet. Erstens ist er ein Junge. Zweitens hat er ihren Erdbeerstift ruiniert. Und drittens hat er überlebt. Drei triftige Gründe, weshalb sie vermutlich nichts mit ihm zu tun haben will. Befangen schauen sich die beiden Kinder an, und Leo wundert sich einmal mehr, wie jemand nur so schokoladefarbene Augen und Haare haben kann!

      „Leonie“, beginnt der Junge unsicher und schaut stumm zu ihr hinüber. „Leo“, verbessert sie ihn sofort, weil sie die Langform ihres Namens nicht mag. Es vergeht eine spannungsgeladene Sekunde, und die Geräusche der anderen Kinder im Hintergrund scheinen für einen Augenblick wie ausgeblendet, da es im Augenblick für Leo nur Luzian und für Luzian nur Leo gibt.

      Von dem Wunsch erfüllt, sie niemals angesprochen zu haben und dem Drang nachzugeben, sich einfach umzudrehen und davonzulaufen, schaut Luzian hilflos in Leonies Kornblumenaugen, als ob da drinnen stehen würde, was er nun sagen soll. Natürlich weiß er, was er sagen will, aber irgendwie hat er das Gefühl, dass, egal, welche Worte er wählt oder nicht wählt, sich nichts zwischen ihnen verändern wird.

      „Ich möchte dir etwas geben“, nimmt der Junge vorsichtig Leos Hand und drückt einen Stift hinein.

      „Der ist neu und riecht nach Zitronen. Ich wollte ... ich möchte ... dir noch sagen, dass es mir wirklich sehr leid tut, dass ich deinen ... äh ... Erdbeerstiftstöpsel versehentlich ... na ... äh ... du weißt schon“, erklärt er stockend.