Schnee von gestern ...und vorgestern. Günther Klößinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günther Klößinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737520829
Скачать книгу
Um die Sache abzukürzen, hab ich mich in deinem Nest breitgemacht.“

      „Jasmin, ich … es war schrecklich – diese … diese ...“

      Jassy legte Jeannie sachte einen Finger auf die Lippen.

      „Lass gut sein, kleine Hexe. Drück nicht noch mal ,Repeat‘ – riech doch mal!“

      Noch immer etwas verwirrt davon, sich tatsächlich in der Realität zu befinden, schnupperte Janine. Zunächst nahm sie wieder Jasmins typischen Duft wahr, aber dann drang ein völlig anders gearteter Geruch an ihre Nase. „Mantra-Tee! Du hast meinen Lieblingstee gekocht! Du bist ein Schatz!“

      „Um ehrlich zu sein, habe ich Mehmet dazu verdonnert. Der geistert schon seit drei Stunden herum, immer auf der Suche nach einer Aufgabe. Außerdem ist richtiges Teekochen eine Kunst, die ich nicht wirklich beherrsche. Sobald man mehr als Fertigbeutel und Wasser dazu braucht, ist es aus mit meinen Fähigkeiten!“

      „Gute Wahl! Mehmet kann das perfekt!“ Jeannie richtete sich nun endgültig auf und begann sich zu rekeln.

      „Er war da anderer Meinung“, grinste Jasmin. Sie verzog ihr Gesicht und verstellte die Stimme. Als überzeugende Mehmet-Parodie tönte sie: „Emanzipation gut – aber warum ich kochen und du ...“

      Weiter kam sie nicht, denn Jeannie musste derart ansteckend kichern, dass sich zu guter Letzt beide vor Lachen bogen. Als sie schließlich in die Küche kamen und den von Mehmet gedeckten Frühstückstisch sahen, lag noch immer ein Grinsen in ihren Mienen.

      Sie waren aus dem Dorf herausgefahren. Trotz ihrer guten Laune machte die Neugier sie beide kribbelig. Beim ersten Waldweg, der sich anbot, bedeutete Fox seiner Freundin, abzubiegen. Ilka lenkte das Auto ein Stück weit in den Wald hinein und hielt dann an.

      „Gut, Kätzchen, dann wollen wir die Liste mal durchchecken!“

      „Gib mal her!“, forderte Ilka. Sie deutete mit einer Handbewegung auf ihre Umhängetasche.

      Das ließ sich Fox nicht zweimal sagen. Schließlich nestelte er den Fotoapparat aus einer Menge Krimskrams hervor. Ilka nahm die Kamera und schaltete sie ein. Wenige Tastenklicks später tauchten die Aufnahmen vom Gästebuch des „Joli Bois“ auf.

      „Etwas klein“, grummelte Fox, „brauchst du eine Lupe?“

      „Wozu?“, fragte Ilka kopfschüttelnd zurück. „Das Ding hat eine Zoomfunktion!“

      Fasziniert, aber auch etwas neidisch beobachtete Fox, wie souverän Ilka mit dem kleinen Digitalgerät hantierte. Immer wenn er sah, wie jüngere Menschen mit der modernen Technik umgingen, beschlich ihn das ungute Gefühl, schon bald zum alten Eisen zu gehören.

      „Merkwürdig“, riss seine Freundin ihn aus einem Tagtraum. Er hatte gerade mit dem Alteisenhändler gefeilscht, der für das Auslaufmodell „Prancock“ nur noch Schrottpreise bot.

      „Kein englischer Name auf der Liste!“

      „Wie bitte?“, murrte Fox ungläubig. „Das kann doch nicht sein!“

      „Schau doch selbst! Nur Franzosen!“ Sie hielt dem Kommissar den kleinen Monitor vor die Nase. Dann spulte sie die Gästeliste des „Joli Bois“ Klick um Klick ab.

      „Nicht ganz“, stellte Fox fest, „halt das mal an!“

      Ilka stoppte den Durchlauf und überflog die Namen in diesem Bildausschnitt: „Lachaise … Duchateau … Benoit … du hast recht: ,Finkenwald, Walter‘! Hm, klingt auch nicht gerade englisch!“

      „Aber noch weniger französisch, Kätzchen. Kannst du mal auf seine Heimatadresse skippen?“

      „Du meinst ,shiften‘?“, fragte Ilka beiläufig.

      Prancock ging mit dem Preis beim Schrotthändler noch mal runter. Das triumphierende Pfeifen seiner Freundin holte Fox wieder in das Hier und Jetzt zurück. „Was gibt’s denn?“, fragte er.

      „Bingo, Herr Kommissar: Walter Finkenwald, wohnhaft in ...“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, trällerte einen Takt der Eurovisionsfanfare und sah Fox mit großen, strahlenden Augen an. Schließlich verkündete sie: „Canal Road 23, London, England!“

      Penny wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder ärgern sollte, dass ihr ausgerechnet Steffens den richtigen Tipp gegeben hatte, wenn auch nur im Traum. Nach ihrer detektivischen Mineralwasser-Aktion plagten sie schwere Zweifel: Würde der Spanner trotz der schmerzhaften Erfahrung mit Yasemins Spiegeltrick noch einmal dasselbe Versteck aufsuchen? Er musste doch davon ausgehen, dass man ihn entdeckt hatte. Ungeachtet dessen fand die Privatdetektivin nun an der präparierten Stelle im Waldboden Fußabdrücke. Das Erdreich war hier zu locker, um effektiv einen Gipsabdruck nehmen zu können, aber eine gute Fotografie wäre auch schon hilfreich.

      Penny zückte ihre Kamera und machte aus allen erdenklichen Perspektiven Aufnahmen des deutlich in den Boden gestanzten Profils. Schließlich zog sie ihre Butterbrotkopie vom Vortag heraus und justierte sie auf der frischen Spur: Kein Zweifel, die Muster waren identisch.

      „Vielleicht ergibt es sogar Sinn, diese Stelle regelmäßig zu überwachen!“, dachte Penny laut vor sich hin. Sie befahl der inneren Textverarbeitung umgehend, das „vielleicht“ zu löschen. Es stand außer Zweifel, dass dieses spannerfreundliche Gehölz observiert werden musste. Mit einem Stück Reisig verwischte Penny ihre eigenen Spuren und machte sich auf den Weg zu Jeannie: Brunch mit Kriegsrat war angesagt.

      „Kommt der Kaffee hier auch online?“, brummte Fox.

      „Klar“, antwortete Ilka, ohne ihren Blick von dem Monitor zu wenden, „du musst nur ,www.coffee.com‘ eingeben und deine Tasse unter den Diskettenschlitz halten!“

      „Ich hab ja nicht mal eine!“, nörgelte er weiter. Seine Stimme nahm immer mehr die Charakteristika hundetypischen Drohgebarens an. Nicht genug damit, dass er sich angesichts des Computerbooms im aktuellen Jahrtausend zunehmend wie eine Dampflok im ICE-Terminal vorkam, die Einrichtung von Internet-Cafés kam für ihn dem Niedergang der gastronomischen Kultur, also quasi des Abendlandes gleich. Entweder Kneipe oder Computer war seine Devise, oder auch: „Bier statt Bytes“.

      Ilka lächelte ihren Freund an, dem das Unbehagen fast schon aus der Nase zu tropfen schien.

      „Und – hattest du Erfolg?“, bemühte sich Fox, desinteressiert zu klingen.

      „Ja“, grinste Ilka, „ich habe uns per E-Mail zwei Cappuccini bestellt!“

      „Sehr witzig!“, grummelte Prancock. „Ich meinte, ob du was über Finkenwald ...“

      „Un moment, s’il vous plait!“, erklang die Stimme des Kellners.

      Der gereizt gestikulierende Fox hätte ihm beinahe das Tablett aus der Hand gefegt. Die Form wahrend und freundlich lächelnd stellte der Ober zwei dampfende Kaffeetassen vor Ilka und Fox auf den Tisch. Noch ein „Voilà!“ und er war fast ebenso überraschend verschwunden, wie er gekommen war. Prancock starrte fassungslos auf die Tassen.

      Ilka ergriff seine Hand, strahlte ihn an und flüsterte: „Ich weiß doch, dass mein kleiner Kommissar ohne Kaffee nicht recherchieren kann!“

      „Danke, Kätzchen!“ Tatsächlich stahl sich ein Lächeln in Prancocks Züge und setzte sich fest wie eine Klette im Wollpullover.

      Schmunzelnd wandte sich Ilka wieder dem Monitor zu und atmete innerlich auf: Der Tag war gerettet. Sie kannte ja Fox’ romantische Ader. Er ermittelte am liebsten in Sherlock-Holmes-Manier. Heimlich bei Nacht in verdächtige Räume eindringen, sich im Morgennebel auf die Lauer legen und so weiter – das war seine Welt. Lediglich bei Verhaftungen bevorzugte er dann doch den „Dirty Harry“-Stil. Sie hatte allerdings keine Möglichkeit gesehen, mit einer von Fox’ Lieblingsmethoden Infos über Walter Finkenwald zu bekommen, weshalb sie die Internet-Recherche vorgeschlagen hatte.

      „Soll ich dich jetzt mit ,Steffens‘ anreden?“, hatte Fox bissig auf diesen Vorschlag reagiert, sich aber mit der Aussicht auf einen Kaffee